#symp2015 – Mein Blick aufs Turm der Sinne – Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“- Teil 1

TdS Pressebild Symposium 2015 HiRes

Ich bin ja eine eher untypische Biologin, weil mich das, was anderen Naturwissenschaftlern oft nur lästig ist, am allermeisten interessiert: Wenn es nämlich knirscht zwischen Biologie und anderen Disziplinen oder wenn Welt- und Menschenbilder sich mit bestimmter wissenschaftlicher Evidenz schwer tun.

Zum Glück teile ich die Leidenschaft für die Debatte an diesen Grenzflächen mit den Mittelfränkischen Humanisten, die das Nürnberger Museum „Turm der Sinne“ betreiben. Jeden Herbst stellen sie ein wunderbares Symposium auf die Beine, wo Hirn- und Verhaltensforscher, Psychologen und Philosophen über Natur und Kultur des Menschen sprechen und mit einem ungewöhnlich breit interessierten Publikum diskutieren. Diesmal lautete das Thema „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“.

Das sind meine persönlichen Eindrücke und Gedanken zum ersten Drittel der Vorträge: #symp2015 – Mein Blick aufs Turm der Sinne – Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“- Teil 1 weiterlesen

„Psst, sag niemandem, dass du Läuse hattest…“ – Mit Fakten gegen die Läuse-Scham

Dieser Text erschien im Oktober 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Viele Eltern kennen es. Auf Kopflaus-Alarm in Schule oder Kindergarten reagieren wir anders als auf andere Krankheiten. Auch wer sonst unbefangen über Rotz und Dünnpfiff seines Nachwuchses plaudert, schweigt betreten, wenn es um das Krabbeln auf dem Kopf geht.

Grund dafür ist zum einen der Ekel vor den Biestern. Davon bin auch ich als Biologin nicht frei. Zwar kann ich den Biologen-Blick  einschalten und versuchen, Läuse einfach als lästige Blutsauger zu sehen, die sich von Mücken nur insofern unterscheiden, dass sie nach ihrer Blutmahlzeit nicht wieder wegfliegen, sondern es sich bei uns gemütlich machen wollen. Wie Zecken also, nur dass sie auch noch ihre Eier auf uns ablegen. Spätestens, wenn ich daran denke, dann ist er auch bei mir wieder da, der Ekel.

Läuse kommen nicht aus der Gosse

Ich konnte mich zwar bei den zwei Malen, wo es uns erwischte, mit dem Gedanken beruhigen, dass die Viecher harmlos sind und keine Krankheiten übertragen. Trotzdem haben auch bei mir Kopfläuse die größere Macht über meine Gefühle als die gesundheitlich
eigentlich bedenklicheren Zecken. Nur bei den Läusen schüttelte es mich und ich verspürte den unsinnigen Drang die ganze Wohnung zu desinfizieren.

Der schmallippige Aktionismus, der Eltern in dem Fall gerne befällt, liegt aber nicht nur an dem Ekel, den wir empfinden, sondern auch daran, dass wir uns schämen. Schließlich gelten Läuse als Zeichen dafür, dass mit einem was nicht stimmt, nicht wahr? An den entsetzten Blicken der anderen Eltern ist jedenfalls deutlich abzulesen, dass niemand mit Läusen in Verbindung gebracht werden will. Alle fürchten die hochgezogene Braue des Gegenüber und das vielsagende Getuschel á la „Aaach, diiie haben das angeschleppt?“
Allein der Gedanke als schmuddelig zu gelten und gemieden zu werden, ist eine furchtbare Vorstellung.

Die unausgesprochene Annahme dahinter ist, dass Kopfläuse sich in den Haaren von ungewaschenen Gestalten am Rande der Gesellschaft am wohlsten fühlen und sich somit irgendwer „in der Gosse“ herumgetrieben haben muss, um sie sich einzufangen. Dabei ist das Quatsch. Und die Leute, die sich hinter vorgehaltener Hand fragen, wer die Biester eingeschleppt hat, sitzen allerhöchstens einer Verwechslung auf.

Waschmaschinen und Trockner – Die natürlichen Feinde

Denn: Ja, es gibt tatsächlich Läuse, deren Auftreten etwas über hygienische Verhältnisse aussagen. Aber das sind nicht die Kopfläuse, sondern ihre Verwandten, die Kleiderläuse.
Findet man bei jemandem Kleiderläuse kann man davon ausgehen, dass diese Person kürzlich unter besonderen Umständen gelebt hat. Etwa unter Obdachlosen oder Flüchtlingen. Aber auch diese Läuse sind kein Zeichen von Armut oder Verwahrlosung, sondern nur davon, dass man in Gemeinschaftsunterkünften mit Leuten übernachtet hat, die mit wenig Wechselkleidung reisen.

Von daher kann auch ein Twen in ihren 20ern, die gerade von der Weltreise als Rucksack- Touristin zurück kommt, Kleiderläuse als ungebetenes Mitbringsel dabei haben. Denn auch Backpacker-Hostels sind Lieblingsorte der Kleiderläuse, weswegen in Foren übrigens der Tipp kursiert, die Beine seines Bettes in der Unterkunft mit doppelseitigem Klebeband zu umwickeln, um die Läuse zu stoppen, wenn sie nachts vom Bett des Nachbarn ins eigene
krabbeln wollen.

Aber Vorsicht, auch wenn die Info über diese – andere – Sorte von Läusen die schlimmsten Vorurteile zu bestätigen scheint, sollten auch Kleiderläuse heutzutage kein Grund sein in Ekel-Panik zu verfallen, geschweige denn Leute auszugrenzen. Denn  Waschmaschinen und Trockner sind die natürlichen Feinde dieser Parasiten. Sprich: Auch Menschen, die auf Reisen oder auf dem Flüchtlings-Treck das Pech hatten, Kleiderläuse zu kriegen, sind sie
schnell los, sobald sie wieder weniger beengt leben und die Möglichkeit haben, ihre Kleidung sowie Bettzeug normal zu wechseln und zu reinigen.

Von Mensch zu Mensch

Was das alles mit Kopfläusen zu tun hat? Gar nichts. Im Fall der Kopfläuse ist an dem Vorurteil, auch sie fühlten sich in ähnlichen Verhältnissen am wohlsten, nichts dran. Während der Kleiderlaus-Befall im Englischen auch Vagabunden-Krankheit genannt wird,
gelten Kopfläuse den Medizinern als Plage der Schulkinder. Und zwar quer durch alle sozialen Schichten und völlig unabhängig von Einkommen, Herkunft und Lebensweise der Familie.

Anders als die Kleiderlaus verbreitet sich die Kopflaus nur direkt von Mensch zu Mensch. Sie kann nicht springen, hangelt sich aber schnell rüber, wenn die Haare zweier Menschen sich berühren, was besonders unter Kindern ja oft passiert. Weil der Kopflaus der Kontakt mit Wasser und Shampoo nichts anhaben kann, ist ihr Auftreten weder ein Zeichen mangelnder Hygiene noch mit anderen besonderen Lebensumständen verbunden.

Das macht die Kopflaus zu der Laus, die ans Leben in Industrie-Länder am besten angepasst ist. Das bedeutet leider auf der anderen Seite, dass sie – anders als die Kleiderlaus – auch bei erhöhtem Hygiene-Aufwand nicht von alleine wieder weggeht,
sondern aktiv mit Anti-Kopflausmitteln bekämpft werden muss.

Kopfläuse machen keine Unterschiede

Zusammengefasst kann man sagen: Bei Kleiderläusen stimmt das Vorurteil mit der eingeschränkten Hygiene zwar. Weil sie dank eigenen vier Wänden und regelmäßigem Waschmaschinen-Gebrauch aber von allein dezimiert werden, würden wir’s höchstwahrscheinlich noch nicht mal merken, selbst wenn sich mal eine zu uns verirrt. Die Läuse dagegen, die früher oder später immer entdeckt werden, sind Kopfläuse. Und da bei ihnen nichts dran ist an den Vorurteilen mit mangelnder Hygiene, macht Scham und Ausgrenzung bei ihnen ungefähr so viel Sinn wie bei einem Schnupfen.

Hat das eigene Kind Schnupfen, fragen wir uns ja auch nicht, welche Klassenkameraden schuld sind. Klar kann es sein, dass das neue Flüchtlingskind in der Klasse ihn mitgebracht hat, oder der Junge aus der Hartz-IV-Familie, aber genauso wahrscheinlich ist eben, dass das eigene Kind ihn sich bei der Tochter des Zahnarztes eingefangen hat und die wiederrum bei ihrer Reitfreundin und die vorher bei einem Mädchen vom Tennis-Ferien- Camp. Auch die Lehrerin kann Überträgerin gewesen sein. Und bei Kopfläusen ist es eben genauso. Die machen auch keinerlei Unterschiede.

Die besten Mikroskope für Kinder sind Stereomikroskope

Wer als Kindergarten-Kind seine Becherlupe liebte, wünscht sich als 8-, 10- oder 12-Jähriges Kind häufig ein Kinder-Mikroskop. Für Eltern und Großeltern ist dann wichtig zu wissen, dass es ein anderes optisches Gerät gibt, das als Geschenk in diesem Alter besser geeignet ist: das sogenannte Stereomikroskop.

Nach der Becherlupe direkt das Kinder-Mikroskop?
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Nein. Lieber erstmal ein Stereomikroskop. Das ist so was hier:

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Ist die Gleichheit der Geschlechter gegen die Natur?

Dieser Text erschien im Juli 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Für die einen sind Mann und Frau von Natur aus sehr unterschiedlich und sollen es auch sein. Für die anderen dagegen ist der natürliche Unterschied winzig und irrelevant. Ich habe lange gebraucht um rauszufinden, dass beide Unrecht haben.

Geschlechtsunterschiede sind eine heikle Sache. Was folgt daraus, dass es sie gibt? Das wird je nach politischem Lager sehr unterschiedlich beantwortet. Rechts der Mitte hält man sie eher für groß und bedeutsam. Links der Mitte dagegen hält man sie
eher für klein und irrelevant.

Als Biologin dachte ich deshalb lange: Es kann doch nicht so schwer rauszufinden sein, wie groß die Unterschiede wirklich sind. Man muss nur ein paar gute Studien machen und schon kann man entscheiden, wer von beiden recht hat: Die rechts oder die links von der Mitte.

Studien entscheiden nichts

Heute aber ist mir klar, dass es beiden Seiten darum gar nicht geht. Denn es gibt jede Menge Studien. Aber die entscheiden nichts. Denn es geht nicht um Fakten, sondern um Werte. Nicht um einen objektiven Vergleich der Geschlechter. Sondern darum, welches
Ideal wir anstreben. Wie die Geschlechter zueinander stehen sollten. Sprich: um Moral.

Dass die beiden Lager die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau entweder als groß oder als klein einschätzen, schließen sie nicht aus Studien, sondern aus dem, was in ihrer Weltsicht wünschenswert ist. Für konservative Seelen bedeuten Geschlechtsunterschiede nur Gutes. Sie klingen nach altbewährten Traditionen, nach Gottes Segen und nach der natürlichen Ordnung der Welt. Deswegen suchen sie nach Beweisen, dass diese Geschlechtsunterschiede ganz natürlich auftreten und für alle gültig sind.

Für Leute, deren Herz eher links schlägt, ist es genau umgekehrt. Ihr Ziel ist größtmögliche Geschlechter-Gleichheit. Denn das klingt nach einer gerechteren Welt, nach sozialem Fortschritt und einem besseren Leben für alle. Deswegen suchen sie nach Beweisen, dass
Geschlechtsunterschiede bei allen Leuten klein sind und dass sie außerdem veränderbar sind oder zumindest ignorierbar.

Ich persönlich empfinde inzwischen beide Haltungen als schwierig und problematisch. Denn beide tun bestimmten Leuten unrecht. Und das liegt daran, dass jedes Lager einen charakteristischen Teil der Realität ausblenden. Und das liegt daran, dass die Fakten
weder zur einen noch zur anderen Weltanschauung passen.

Unterschiede sind rein statistisch

Die Konservativen haben recht, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Aber sie haben nicht recht, wenn sie meinen, dass das für jeden Mann und jede Frau gültig ist. Denn die Unterschiede, die sich in Studien zeigen, sind rein statistisch. Das heißt, wenn man einen beliebigen Mann und eine beliebige Frau rausgreift aus der Masse, kann der individuelle Unterschied zwischen ihnen sehr groß sein, aber er kann auch verschwindend klein sein.

Ungerecht wird das für die, bei denen die Fakten nicht zu den Werten passen. Frauen, die natürlicherweise Eigenschaften und Wünsche haben, die in konservativer Sicht Männern vorbehalten sein sollten, haben es schwer in einer konservativen Umgebung. Gleiches gilt für Männer, die von ihrer Natur her eher Interessen haben, die als weiblich gelten. Und ein Paar, das sich sehr ähnlich ist in allem, von der Körpergröße bis zu den Interessen, müsste
– um konservativen Idealen zu genügen – Unterschiede zwischen sich künstlich vortäuschen.

Für diese Leute ist die linke Weltsicht natürlich eine Befreiung. Sie entkommen dem Druck in traditionelle Schubladen gepresst zu werden, in die sie von ihrer Natur her nicht passen. Aber die linke Sicht ist eben nicht für alle eine Befreiung. Im Gegenteil. Die, die am
anderen Ende der Geschlechtsunterschiede sind, empfinden das linke Ideal der Gleichheit zwischen den Geschlechtern ihrerseits ebenfalls als Zwang.

Befreit euch von den Erwartungen!

Männer und Frauen, deren natürliche Geschlechtsunterschiede stärker ausgeprägt sind, haben eine harte Zeit im linkem Milieu, wenn sie ihren Interessen folgen wollen. Denn es wird immer angenommen, dass sie den falschen Werten folgen. Es gilt als nicht möglich, dass sie mit dem, was sie tun, nur ihrer Natur folgen. Es gilt schließlich als sexistisch, anzunehmen, dass Frauen etwas von Natur aus eher wollen. Oder dass Männer sich von Natur aus mehr für etwas Bestimmtes interessieren. Denn Geschlechtsunterschiede sind ja per Definition klein und irrelevant. Dass sie auch mal größer sind, das kann es nicht geben, weil es es nicht geben darf.

Angesichts dieser doppelten Ungerechtigkeit wäre es an der Zeit für einen dritten Weg. Oder? Denn Freiheit bedeutet, der eigenen Natur entsprechend leben zu dürfen. Finde ich zumindest. Für manche besteht die Befreiung darin, die klassischen Erwartungen an ihr Geschlecht zurückzuweisen und nicht zu erfüllen. Weil es nicht in ihrer Natur liegt. Für andere dagegen ist es eine Befreiung, wenn sie endlich so leben dürfen, wie es ihnen ihre Natur sagt – auch wenn das dem totalen Geschlechter-Klischee entspricht. Sie sind Blogger/Bloggerin und möchten Ihre Beiträge gern bei uns veröffentlichen?

Warum die Hunt-Affäre so polarisiert? – Symptome einer verschleppten, tabuisierten Debatte.

Auch Wochen nach dem Fall Hunt lassen mich die von ihm aufgeworfenen Fragen nicht los:

Sind Hunts Äußerungen  nun ein typischer Fall von schmuddeligem Sexismus und wurden zu Recht mit dem Verlust repräsentativer Funktionen beantwortet, weil wir so etwas in unserer Kultur heute nicht mehr dulden?

Oder war im Gegenteil die Reaktion auf seine Äußerungen überzogen und Hunt wurde das Opfer von feindbildgetriebenen Feministinnen, die jegliche Abweichung von ihrer Ideologie mit öffentlicher Demütigung bestrafen? Warum die Hunt-Affäre so polarisiert? – Symptome einer verschleppten, tabuisierten Debatte. weiterlesen

Geschenke für Biologen und Biologie-Interessierte (4) – USB-Mikroskop

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USB-Mikroskop von DBPOWER

Ich kann ja manchmal jahrelang Vorurteile gegenüber einer Technologie hegen, um dann – kaum dass ich sie selbst besitze – zum Fan zu werden. So geschehen mit Smartphones. Und nun auch mit USB-Mikroskopen.

Und diese Wandlung macht mich sehr froh. Denn ich mochte das Mikroskopieren im Studium und Diplomarbeit wirklich gerne. Und obwohl ich immer nur Schreiben wollte, ist das Mikroskopieren so eine Sache, die ich hin und wieder vermisst habe.

Ich hatte mir das als Hobby für zu Hause aber bisher versagt, weil ich dachte, dass das Geld, was ich auszugeben bereit wäre, eh nicht reichen würde für die Geräte-Qualität, die ich von der Uni gewohnt war.  Wie ich nun feststellen konnte, kann so ein USB-Mikroskop aber doch ein paar meiner Wünsche erfüllen.

Aber welche? Und welche nicht? Darum soll es hier gehen. Geschenke für Biologen und Biologie-Interessierte (4) – USB-Mikroskop weiterlesen

Sind Hausgeburten riskant?

Dieser Text erschien im Juni 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Ja, ich bin so eine. Ich habe mein zweites Kind zu Hause bekommen. Und ich kenne die unterschiedlichen Reaktionen darauf. Die Einen schütteln missbilligend den Kopf. Die Anderen dagegen bekommen leuchtende Augen. Dabei kann die Frage des Geburtsortes eine rein pragmatische Angelegenheit sein. Für mich jedenfalls war sie es.

Beim ersten Kind entschieden wir uns für das Krankenhaus. Beim zweiten für unser Zuhause. Und an beide Geburten denke ich gerne zurück. Nicht, weil Gebären so eine tolle Erfahrung wär. Sondern weil ich mich an beiden Orten in guten Händen gefühlt habe
Merken und weil die Freude danach so groß war: Puh! Endlich vorbei! Hallo, mein Schatz! Willkommen!

Aber darf die Frage des Geburtsortes eine sein, die man frei Schnauze entscheidet? Was ist denn mit der Sicherheit? Es gibt Leute, die halten nur Klinikgeburten für sicher. Für sie war ich nur bei meiner ersten Geburt gut aufgehoben – in der direkten Nähe von Ärzten und einem OP-Tisch. In ihren Augen hatte ich bei der Hausgeburt lediglich Glück, dass nichts Schlimmes passiert ist keine vorzeitige Plazenta-Ablösung, schwere Blutungen oder sonstige Geburtsnotfälle.

Und dann gibt es die andere Fraktion, für die es genau andersrum ist. Für sie war ich nur bei der zweiten Geburt in Sicherheit – zu Hause, geborgen, mit der 1:1-Betreuung einer erfahrenen Hebamme. Bei der Klinikgeburt hatte ich dagegen in ihren Augen nur Glück, dass
ich nicht Opfer geworden bin von Vernachlässigung in einer überfüllten Station oder von nebenwirkungsreichen Eingriffen in den natürlichen Geburtsprozess.

Wie passen diese so unterschiedlichen Blickwinkel zu meinem Gefühl, an beiden Orten sicher gewesen zu sein? Eigentlich ganz gut – wenn man sich von dem Anspruch frei macht, dass nur eine Seite recht haben kann. Sicherheit war auch mir wichtig. Sehr wichtig sogar. Aber ich habe mich gefragt: Wann sind Hausgeburten sicher und wann sind sie es nicht? Und um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick in die Niederlande.

Die Niederlande sind nämlich das einzige Industrieland, in dem Hausgeburten immer Teil der Geburtshilfe geblieben sind. Während in allen anderen entwickelten Ländern die Zahl der Hausgeburten im Laufe des 20. Jahrhunderts auf einen Wert nahe null fiel und die von Ärzten geführte Klinikgeburt zum Standard wurde, gingen die Niederländer einen eigenen Weg. Und so werden heute noch fast ein Drittel aller niederländischen Kinder zu Hause mit Hilfe einer Hebamme geboren.

Das niederländische System beruht trotzdem nicht – wie man vielleicht denken könnte – auf einer Glorifizierung der Hausgeburt. Diese Möglichkeit steht auch nicht allen offen. Viele Schwangere in den Niederlanden dürfen nicht zu Hause gebären, weil eine Hausgeburt für sie als zu riskant gilt. Wenn es Vorerkrankungen und bestimmte Risiken gibt oder wenn Komplikation auftreten, sind sofort Ärzte in der Klinik für die Geburt zuständig.

Die Forschung zeigt einfach, dass das die Sicherheit für Mutter und Kind erhöht. Was diese begleitende Forschung aber auch zeigt, ist, dass es für Frauen, deren Schwangerschaften ganz normal verlaufen, genau andersrum ist. Und da wird es interessant. Die Frauen mit den normalen Schwangerschaften nämlich sind am sichersten, wenn sie nicht von Ärzten betreut werden.

Das ist für die meisten deutschen Ohren sicher eine ungewohnte Aussage. Aber die Beweise dafür sind solide. Der Grund dafür ist, dass die Medizin – so segensreich sie für riskante Geburten ist – bei
normalen Schwangeren dazu neigt, übereifrig zu sein. Medikamente etwa, die eigentlich nicht gebraucht werden, greifen störend in einen körpereigenen Prozess ein, der ohne diese „Hilfe“ besser funktioniert. Und unnötige Eingriffe erhöhen für Niedrig-Risiko-Schwangerschaften die Gefahr von Komplikationen wieder. Wenn diese normalen Schwangerschaften also allein von Hebammen betreut werden, kommt es statistisch zu weniger Komplikationen.

Die niederländischen Erfahrungen zeigen, dass zu den Aufgaben der Hebammen beides gehört:

  • zu erkennen, wann ärztliche Hilfe nötig ist und
  • den normalen Geburtsprozess vor medizinischen Eingriffen zu schützen, die nicht benötigt werden.

Damit das für diese Gruppe gewährleistet ist, werden in den Niederlanden standardmäßig alle Niedrig-Risiko-Geburten allein von Hebammen begleitet. Die Kreißsäle für normale
Schwangere sind nicht unter Ärzte-, sondern unter Hebammen-Leitung. Und die Hausgeburten begleiten sie auch selbständig.

Und es hat sich eben auch herausgestellt, dass für normale Schwangere, die von Hebammen betreut werden, beide Orte gleich sicher sind. Die Risiken für Mutter und Kind sind in dieser
Gruppe bei Haus- und Klinikgeburt auf ähnlichem, sehr niedrigem Niveau. Weder die Sterblichkeit von Neugeborenen noch die Rate derer, die mit schlechten Vitalwerten geboren werden, sind bei geplanten Hausgeburten höher. Im Gegenteil.

Ja, die Zahlen für die geplanten Hausgeburten sind sogar mindestens so gut wie die der geplanten Klinikgeburten. Und das, obwohl in der Gruppe der geplanten Hausgeburten ja viele Verlegungen ins Krankenhaus eingerechnet sind und dies ja auch einen Risikofaktor darstellt.

Ich weiß, dass das viele überraschen wird, die nur die Klinikgeburt für sicher halten. Und klar werden sie diese Zahlen anzweifeln. Aber es gibt auf der Welt keine besseren Daten zu Hausgeburten als diese. Sie wurden aus Hunderttausenden von Geburten errechnet, die im zentralen Geburtsregister erfasst sind.

Aber für diejenigen, die am liebsten sähen, dass alle Kinder zu Hause geboren werden, sind die Daten auch schwer zu schlucken. Denn sie zeigen, dass die Sicherheit von Hausgeburten ganz klar darauf beruht, dass sie allein Niedrig-Risiko-Schwangeren offen steht. Und darauf, dass eine Klinik innerhalb von 20 Minuten erreichbar ist, falls ein Risiko sich erst während den Wehen zeigt.

Wenn diese Voraussetzungen aber erfüllt sind – wie bei mir – sind Hausgeburten hierzulande genauso sicher wie die in den  Niederlanden. Ich habe mich in den Händen der
Hausgeburtshebamme nicht nur genauso gut aufgehoben gefühlt wie vorher in denen der Klinikhebamme, ich war es auch tatsächlich.


Hier noch ein paar Links zu den englischen Fachartikeln über die niederländischen Studien, auf die ich mich beziehe. In ihnen werden Haus- und Klinikgeburten von Niedrig-Risiko-Schwangeren verglichen bzw. die von Hebammen geleiteten Geburten mit denen, die von Ärzten geleitet werden.

Vergleich Gesundheit der Kinder

Diese Studie fand bei Hausgeburten von Niedrig-Risiko-Schwangeren kein erhöhtes Risiko für die Kinder unter der Geburt Schaden zu nehmen:

Perinatal mortality and morbidity up to 28 days after birth among 743 070 low-risk planned home and hospital births: a cohort study based on three merged national perinatal databases – Abstract des Artikels aus BJOG 2015

Diese Studie warnt davor, die Geburtskliniken zu sehr zu zentralisieren, weil das Risiko für die Kinder steigt, wenn der Fahrtweg zur Klinik länger ist als 20 Minuten:

Travel time from home to hospital and adverse perinatal outcomes in women at term in the Netherlands – Fachartikel BJOG 2010

Vergleich Gesundheit der Mütter

Diese Studie ergab, dass Niedrig-Risiko-Schwangere, die schon mal geboren haben, bei Hausgeburten weniger Komplikationen erleiden als in der Klinik:

Severe adverse maternal outcomes among low risk women with planned home versus hospital births in the Netherlands: nationwide cohort study (Fach-Artikel im British Medical Journal von 2013)

Diese Studie zeigte, dass es eine Gruppe von Niedrig-Risiko-Schwangeren gibt, die von Hebammen-geleiteten Geburten profitieren. Sie erleiden weniger Komplikationen  als bei Arzt-geleiteten Geburten:

Severe Adverse Maternal Outcomes among Women in Midwife-Led versus Obstetrician-Led Care at the Onset of Labour in the Netherlands: A Nationwide Cohort Study (Fach-Artikel in PLoS von 2015)

Auswärts kommentiert: Im Sumpf der Moralisten

Für Laborjournal Online habe ich einen Kommentar zum angekündigten Ende der Tübinger Affenversuche geschrieben.Dass die Tierrechtsbewegung diese Art von Ende als historischen Sieg feiert, offenbart für mich ihre Demokratie-Defizite. Denn wem es recht ist so zu gewinnen, ist ein Verfechter von Selbstjustiz.

Im Sumpf der Moralisten
Eine Minderheit glühender Aktivisten zwingt einem Forscher ihre Moral auf. Das erzeugt Unbehagen über die Wissenschaft hinaus
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Ist Wissenschaft hart und kalt?

Dieser Text erschien im Mai 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Es war noch in der Schulzeit als mir der Vorwurf zuerst begegnete: „Du mit deinen wissenschaftlichen Erklärungen immer“, sagte meine Freundin und verdrehte die Augen, „die machen die Welt so kalt und trostlos.“

Ich fragte mich: Ist es für sie umgekehrt? Ist die Welt für sie nur schön, solange sie nicht weiß, wie sie funktioniert? Das überraschte mich.

Heute – mehr als 20 Jahre später – weiß ich, dass ich damals die falschen Schlüsse zog. Meine Freundin lehnte nicht das Wissen an sich ab. Ihr erschien die naturwissenschaftliche Art des Wissens nur abstoßend unvollständig. Es fehlte ihr in den Erklärungen von Physik
oder Biologie einfach etwas Entscheidendes. Und sie ist nicht die Einzige, der es so geht.

Ich verstehe inzwischen, was das ist. Ja, mehr noch, seitdem mir klar geworden ist, was die Leuten da eigentlich vermissen, stimme ich ihnen sogar zu: Ja, es fehlt etwas in den Naturwissenschaften. Der Unterschied ist nur: Ich bewerte das anders. Für mich ist es
sogar ein Vorteil und kein Nachteil.

Es ist doch so: Alles, was wir Menschen uns erzählen und auch jede Geschichte, die wir in Buch, TV oder Zeitung sehen oder lesen, hat immer beides drin – Fakten und ihre Bewertung für unser Leben. Meist werden beide als untrennbar verbunden wahrgenommen, obwohl sie es tatsächlich gar nicht sind. Und darum geht es.

Nehmen wir mal an, eine Freundin stellt überrascht fest, dass sie schwanger ist und spricht mit mir darüber. Ganz kurz wird es bei dem Gespräch darum gehen, ob sie das wirklich sicher weiß, etwa mit einer Rückfrage von mir: „Hast du einen Schwangerschaftstest
gemacht?“ Wenn sie das bejaht, wird es aber um viel bedeutsamere Fragen gehen: „Wie ist das passiert? Freust du dich? Ist es von jemandem, mit dem du dir eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann?“

Moralischer Kompass gesucht

Ich sage „bedeutsamere Fragen“, weil sie mit Recht irritiert wäre, wenn ich in so einer Situation nur über den Schwangerschaftstest selbst reden würde und nicht über die anderen, für sie lebensverändernden und emotional entscheidenden Fragen. Als Freundin kann sie erwarten, dass ich mich vor allem dafür interessiere, welche Bedeutung die Nachricht für ihr Leben hat.

Es wäre merkwürdig kalt, wenn ich angesichts ihrer Lage ausschließlich darüber reden würde, dass in ihrem Urin das Hormon hCG messbar ist und dass dieses nur von Plazentagewebe und Embryos gebildet wird und wie interessant das ist.

Denn natürlich sind die reinen Sach-Informationen eine leere Wüste für sie, wenn sie sich über ihre Gefühle im Unklaren ist oder einen moralischen Kompass sucht. Sie helfen ihr nicht herauszufinden,
was der Sinn ihres Lebens ist oder welche ihrer persönlichen Ziele sie verfolgen sollte.

Aber: das ist ja auch nicht ihr Job!

Bei der Beantwortung der allermeisten Fragen, die eine Frau beschäftigen, wenn ihre Regel ausbleibt, helfen ihr die letzten Jahrhunderte biomedizinischer Fortpflanzungsforschung natürlich rein gar nicht. Weil es dann eben vor allem um persönliche und gesellschaftliche Dinge geht. Aber diese Themen fallen ja auch nicht in den Aufgabenbereich der Naturwissenschaft. Ihr Wissen ist erstmal nur für eine einzige, kleine Auskunft nützlich, nämlich für eine Antwort auf die Frage: Bin ich schwanger oder
nicht?

Natürlich gibt es Fragen, da kann jeder für sich selbst rausfinden, was die Fakten sind. Für andere aber brauchen wir die Wissenschaft. Und das ist so eine. Wenn eine Frau in einem frühen Stadium rausfinden will, ob sie schwanger ist, kann sie das nur mit Methoden
feststellen, die aus naturwissenschaftlicher Forschung heraus entwickelt wurden.

Schwangerschaftstest beantwortet nur Sachfrage

Und es kann niemand bestreiten, dass eine eindeutige Antwort auf diese Frage für das weitere Gespräch sehr nützlich ist. Denn solange die Freundin in meinem Gedankenexperiment eine Schwangerschaft nur vermutet, würde ich nicht so tief in das Gespräch über die großen Lebensthemen einsteigen, sondern ihr raten, sich erstmal
Klarheit zu verschaffen. Nur wenn das Schwangersein eine Tatsache ist, sollte sie anfangen sich ernsthaft zu überlegen, welche Konsequenzen diese Schwangerschaft hat und wie sie damit umgehen will. Alles andere wäre nur sinnlose Aufregung.

Also: Ja die Naturwissenschaften haben diesen ganz engen, sachlichen Blick. Aber wer den als kalt empfindet, begeht meiner Meinung nach den Fehler zu denken, dass dieser Blick schon ein vollständiger sein soll. Aber das soll er gar nicht sein. Um persönliche oder politische Entscheidungen zu treffen, müssen wir Menschen diese Fakten natürlich wieder mit dem  zusammenbringen, was für uns Sinn und Bedeutung transportiert. Erst das ergibt dann das Gesamtbild und die Grundlage für unsere Entscheidungen.

Wer sich fragt, warum diese strenge, künstlich erscheinende Abtrennung der Fakten notwendig ist, wenn man dann doch eh wieder alles zusammenbringen muss, sollte bedenken, dass Fakten für jeden etwas anderes bedeuten. Nur wenn Fakten pur sind,
können wirklich alle sie nutzen. Egal welche Ziele und Hoffnungen eine Frau im Leben hat, welche Prioritäten und Moralvorstellungen – ein Schwangerschaftstest wird ihr da nicht reinreden. Er liefert ihr
lediglich die Antwort auf eine Sachfrage. Und für mich klingt das nicht kalt, sondern nach einem sehr nützlichen Service. Auch wenn die eigentliche Arbeit dann erst anfängt.

Und die BsL-Gewinnerin 2015 ist…

BsL-Verlosung2015a

Endlich bin ich zur Auslosung in meiner diesjährigen „Blogger schenken Lesefreude“-Aktion gekommen.

Bevor ich das Ergebnis verkünde aber erstmal: Vielen Dank an euch alle, die ihr mitgemacht und mir in den Kommentaren verraten habt, wie ihr an das Thema Evolution für Kinder rangeht und welche Gedanken ihr dazu habt. Das war wirklich spannend zu lesen.

Mein Großer hat heute eure Namen auf Zettelchen geschrieben und dann aus dem Lostöpfchen die Gewinnerin gezogen:

Das Buch Evolution: oder das Rätsel von allem, was lebt*
geht an … Eva Martin!

BsL-Verlosung2015b

Herzlichen Glückwunsch!

 

Gedanken zu Wissenschaft und Gesellschaft, im Großen und ganz Kleinen