Die besten Kinderbücher über Evolution

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In Kurzrezensionen möchte ich euch heute mal die sechs Kinder-Sachbücher über Evolution vorstellen, die es meiner Meinung nach besonders wert sind, euer heimisches Kinderbuch-Regal zu erobern.

Ich dachte, so ein Überblick passt ganz gut, da ich ja  bis Mittwoch noch eins davon bei mir verlose.

Zu den ersten dreien Sachbüchern habe ich schon ausführliche Buch-Besprechungen geschrieben, die ich jeweils auch verlinke. Die drei Darwin-Biografien für Kinder bespreche ich hier aber zum ersten Mal. Diese Bücher rollen die Evolutionsbiologie sehr schön von der historischen Perspektive auf und gehen dabei alle drei weit über das reine Leben und Forschen Darwins hinaus.

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Es geht los: Verlosung „Blogger schenken Lesefreude“

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Macht mit und gewinnt mit etwas Glück ein wunderbares, neues Kinder-Sachbuch über Evolution!

Heute ist Tag des Buches und damit traditionell der Beginn der großen Buchverlosungsparty in Netz namens „Blogger schenken Lesefreude“. Ich freu mich, nun schon zum dritten Mal dabeizusein.

Diesmal verlose ich ein frisches Exemplar von „Evolution oder Das Rätsel von allem, was lebt“, von Jan Paul Schutten (Autor) und Floor Rieder (Illustratorin), das mir der Gerstenberg-Verlag für die Verlosung zur Verfügung gestellt hat.

Wie ich vor ein paar Tagen in meinem Rezensions-Blogbeitrag für web.de schrieb, ist es für mich eine wirklich sehr gelungene Darstellung der Evolutionsbiologie. Ich würde es für ein Alter ab 10 empfehlen (der Verlag sagt: ab 8).

Und so sieht das Buch aus:

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Kinderbücher über Evolution, Teil 2

Dieser Text erschien im April 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

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Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich mir mit meinem Großen (inzwischen 10) ein paar Kinderbücher zum Thema Evolution angeschaut. Seitdem sind zwei neue Bücher zum Thema erschienen, die wir euch ebenfalls vorstellen wollen. Diesmal hat auch der Kleine (7) mit reingelesen:

Evolution ist, wenn das Leben endlos spielt

 

Dieses Buch ist meinem Siebenjährigen als erstes aufgefallen – wegen des Karussells auf dem Cover und wegen des Kindes, das auf dem Dino reitet. Es ist der dritte Teil einer Reihe, für die sich die Kinderbuchautorin Gudrun Mebs mit dem aus dem TV bekannten
Astrophysiker Harald Lesch zusammengetan hat.

Im ersten ging es ums Weltall und die Erde, im zweiten um die Philosophie und in diesem dritten nun um die Geschichte des Lebens. Die jungen Leser sollen die Erdzeitalter kennenlernen und die unglaubliche Vielfalt der Arten. Sie lesen Gespräche, in denen diskutiert wird, was lebt und was nicht lebt, und wie sich das, was lebt, von dem unterscheidet, was wir Menschen gebaut haben. Und sie lesen darüber, wie sich Arten ändern und was ihre Umwelt damit zu tun hat.

Ein Ausflug mit dem Fahrrad

Eingebettet sind diese Themen in eine Erzählung. Diese rankt sich um die fünf Kindern Ida, Lisa, Celia, Lucas und Tim. Und dann ist da
der „Prof“, den sich Ida mal als Wissensvermittler zum Geburtstag gewünscht hat und der seitdem mit den Kindern regelmäßig was
unternimmt. Diesmal ist’s eine Fahrradtour.

Als ich etwas aus dem Buch vorlas, kicherte der Kleine hin und wieder. Über Sprüche wie „Hast du Tomaten auf den Augen?“ Darüber, dass die Ursuppe Stinkebrühe genannt wird. Oder weil der „Prof“ zum Ausflug einen Ritterhelm aufhat statt eines Fahrradhelms.

Zu wenig Evolution, zu viel Beziehung

Der Große aber ergriff die Flucht, als ich vorlas. Und als ich ihn später fragte, warum ihm das Buch nicht gefalle, erklärte er, es ginge
darin viel zu viel um den Alltag der Kinder und viel zu wenig um die Sache, also die Evolution selbst. Tatsächlich wird vor und nach den
Ausführungen des Profs darüber, dass Elefanten keine Mäuse zur Welt bringen, und aus einer Rose keine Tomate wird, viel gelacht und gestritten. Gelegentlich muss auch mal einer Pipi.

„Außerdem nervt es, wie die Kinder alle um diesen ‚Prof‘ herumscharwenzeln und ihm gefallen wollen“, meinte mein Großer
augenrollend. Und irgendwie hat er recht. Wenn es in dem Buch mal nicht darum geht, wie es z.B. mit dem Leben auf der Erde mal
angefangen hat, dann geht es darum, welche Beziehungen die Figuren, die darüber diskutieren, zueinander haben. Etwa darum, dass die großen Mädchen konkurrieren, wer von ihnen die wertvolleren Sätze zum Gespräch beitragen kann und damit das anerkennende Nicken vom Prof ergattern kann.

Im Mittelpunkt stehen die Figuren

Auch für mich verblasst die Sache, über die da aufgeklärt werden soll, weil die Psychologie der Figuren im Mittelpunkt steht. Klar wird
darüber geredet, dass die Evolution ständig rumprobiert. Und dass manches davon funktioniert, manches aber auch nicht. Aber mehr
Aufmerksamkeit erhält meinem Eindruck nach das Verhältnis des dicken Tim zu seinem Vater. Wie er ihn bewundert und ständig von ihm spricht, aber gleichzeitig fürchtet, Papas Ansprüchen nicht gerecht werden zu können.

Wer das Buch als Kind mit Genuss lesen will, sollte diese Art von Geschichten mögen. Also welche, bei denen die Innenwelt der Figuren im Zentrum steht. Es gibt eine Menge Menschen, die so was mögen. Aber es gibt eben auch andere, die es nicht mögen. Und mein
Großer gehört definitiv zur zweiten Kategorie. Die Psychologie von Figuren in Geschichten interessiert ihn nur, wenn sie für das
Erreichen ihrer Ziele im Buch irgendwie relevant ist.

Von daher würde ich das Buch nur solchen Kindern empfehlen, für die eine Geschichte auch dann lesenswert ist, wenn in ihr keine
Helden vorkommen, denen Ungewöhnliches passiert, dem sie sich stellen müssen, sondern für die das Ausleuchten alltäglicher,
menschlicher Gefühle, Wünsche und Situationen interessant genug sind. Für meinen Großen ist sowas halt keine Erzählung, sondern so
als würde sich ein Wildfremder neben ihn setzen und ihm ungefragt seine Familienprobleme erzählen. Also nicht nur langweilig, sondern
sogar grenzüberschreitend unangenehm.

Ehrfurcht vor dem Werden und Vergehen

Ich würde also sagen, das Buch eignet sich für Kinder, die sich stark dafür interessieren, was in anderen Menschen vorgeht und warum
sie sich wie genau verhalten. Ob diese Kinder aber viel über Evolution lernen? Da bin ich skeptisch. Dafür ist der Fokus zu sehr auf allem, was menschlich ist. Für mich erscheint es so, dass es den Autoren auch weniger um Wissen geht als um eine bestimmte Haltung.

Für mich klingt es jedenfalls so, dass eine Art Ehrfurcht vermittelt werden soll. Nicht vor Gott. Der kommt nicht vor. Aber vor etwas, das größer ist als man selbst. Ehrfurcht vor den unglaublich langen Zeiträumen, dem Werden und Vergehen, dem ewigen Wandel. Dafür
spricht für mich der Ton, diese emotionale Aufladung.  Es scheint eher um das Verhältnis des Menschen zur Natur zu gehen als darum,
zu ergründen, wie die natürlichen Prozesse genau ablaufen.

Für mich als Biologin hören die Erklärungen dieses Buches immer da auf, wo es doch eigentlich erst interessant werden würde. Vielleicht gibt dieser Ansatz aber genau denjenigen jungen Lesern einen kleinen Einblick in das Thema, die eh nicht so an den naturwissenschaftlichen Details interessiert sind.

Evolution oder Das Rätsel von allem, was lebt

Das aus dem Niederländischen übersetzte „Evolution oder Das Rätsel von allem, was lebt“ erkannte ich auf Anhieb eher als mein Ding. Was den Kindern und mir an diesem großformatigen Buch zuerst auffiel, waren die aufwändigen Illustrationen von Floor Rieder. Sie schmücken nicht nur das Cover, sondern jede der fast 160 Seiten. Sie haben dabei unterschiedliche Funktionen, sind mal mehr Infografik, mal mehr lustiger Comic, prägen das Buch aber durch ihren besonderen, einheitlichen Stil.

Das zweite, was uns auffiel, war die lockere, verständliche Sprache von Jan Paul Schutten. Mein Großer diktierte mir feierlich: „Du musst schreiben: Das Buch ist sehr gut. Es macht Spaß es zu lesen. Die Dinge sind spannend erklärt!“ Und das kann ich voll unterschreiben. Das Buch ist prall gefüllt mit eben jener Art von Wissen, die ich in der Erzählung von Mebs und Lesch vermisst hatte.

Das Buch traut Kindern etwas zu

Und Schutten schafft es, dieses Wissen anschaulich, humorvoll und leichtfüßig zu präsentieren. Er erzählt von Atomen und Zellen, von
Geologie und Fossilien, von Verwandtschaft und Genen, von dem Ursprung und Stammbaum des Lebens, usw.

Und er behandelt dabei nicht nur das, was Kinder mutmaßlich am meisten interessiert – wie etwa, dass die Kohlmeise eine „Großnichte“ des T. rex ist – sondern auch Themen, die für Kinder weniger zugänglich erscheinen, wie die radiometrische Altersbestimmung von Gesteinen, Langzeit-Evolutionsexperimente mit Bakterien oder was Viren-DNA in unserem Genom über uns aussagt. Es gefällt mir, dass Schutten den Kindern das zutraut.

Kinder dürfen Stellung beziehen

Auch bei den heiklen Themen beweist er den Mut, richtig einzutauchen. So geht er etwa der Frage nach, wer die größten
Schwierigkeiten hat, die Erkenntnisse der Evolutionsbiologen zu akzeptieren und erklärt, dass das diejenigen unter den Gläubigen seien, die ihre Schöpfungsgeschichten wortwörtlich verstehen. Gegen die Vorstellungen dieser Kreationisten bezieht er klar Stellung. Er betont aber auch, dass Religiöse, die ihre Überlieferungen sinnbildlich verstehen, weit weniger Probleme haben, ihren Glauben mit dem Wissen der Biologie zu vereinbaren. Und dass diese in der Mehrheit sind.

Schutten fordert die Kinder auf, selbst herausfinden, wo sie in dieser Frage stehen, warnt sie aber davor, dass dabei die Kreationisten
mit falschen Karten spielen, indem sie einseitig nur über solche Informationen reden, die Zweifel säen sollen an der biologischen Sicht der Dinge, aber nie über die große Fülle der anderen, die Evolutionstheorie stützenden Befunde. Nach seiner Erfahrung präsentieren die Wissenschaftler ein vollständigeres Bild. Anders als Kreationisten oft behaupten, hätte er nie erlebt, dass Forscher Fragen, die noch offen sind, zurückhalten oder verheimlichen.

Schutten schreibt mutig

Auch anderen schwierigen Themen stellt Schutten sich mutig. Etwa dem Thema, dass die Natur nicht so ist, wie wir Menschen uns eine
ideale Welt bauen würden. Sehr viele der Tiere, die auf die Welt kommen, sterben gleich wieder. Werden gefressen oder kommen
sonstwie unter die Räder. Das ist etwas, was wir Menschen schwer neutral betrachten können. Und etwas, das auch bei Kindern fast
automatisch zu moralischen Fragen führt.

Schutten spricht das als Problem an, ohne aber dabei zwei weit verbreitete Fehler zu begehen. Weder misst er die Evolution an unseren Wertvorstellungen. Noch vermittelt er andersrum den Eindruck, die Evolution enthalte irgendeine Art moralischer Botschaft für uns. Beides wird ja oft gemacht, führt ideologisch gesehen aber in eher trübe Gewässer. Die eine Frage ist, wie die Natur ist. Eine ganz andere, nach welchen Regeln wir Menschen leben sollen. Es ist unklug, die beiden zu verrühren. Und das tut er zum Glück meist auch nicht.

Fazit: „Evolution oder Das Rätsel von allem, was lebt“ ist für uns alle drei ein sehr gelungenes Kindersachbuch zum Thema Evolution.


 

Alternative für Eilige: Hier die Kurzfassung der beiden Rezensionen:

In beide Bücher kann man bei Amazon reinschmökern . Dazu aufs Coverbild klicken. Diese Links sind Partnerlinks, siehe Werbedisclaimer.

Mebs/Lesch: Evolution ist, wenn das leben endlos spielt


Erzählung, in der es vor allem um Alltägliches, Gefühle und Beziehungen einer Gruppe von Kindern geht. Mit dem „Prof“ wird über Evolution geredet. Aber dabei steht auch eher Menschliches im Zentrum als naturwissenschaftliche Details: viel Ehrfurcht vor dem Kreislauf des Lebens, aber eher wenig Biologie.

Schutten/Rieder: Evolution oder Das Rätsel von allem, was lebt

Evolutionsbuch für Kinder (und Erwachsene), die tiefer in die Fragen einsteigen wollen, wie Evolution tatsächlich „funktioniert“. Gut strukturierte Aufbereitung des Wissens, schöne Illustrationen und ein Text voller Humor und Tiefe. Absolute Kaufempfehlung!

Vielen Dank an die Verlage für das Zusenden von Rezensionsexemplaren der Bücher!


Jedes Buch über Evolution ist anders. Es gibt welche für kleine und große Kinder. Es gibt Geschichten und Sachbücher. Es gibt Bilderbücher und Romane. Hier geht’s zu meiner immer länger werdenden Liste bisher rezensierter Kinder- und Jugendbücher über Evolution.

Bei „Blogger schenken Lesefreude“ gibt es hier bald ein tolles Evolutionsbuch für Kinder zu gewinnen

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In zwei Wochen, am 23. April, ist Tag des Buches und damit auch Stichtag für die größte Bücherverlosungsparty im Netz: die Aktion Blogger schenken Lesefreude. Auch ich werde dieses Jahr wieder dabei sein. Und zu meiner großen Freude kann ich auch einen echten Leckerbissen von Buch verlosen. Bei „Blogger schenken Lesefreude“ gibt es hier bald ein tolles Evolutionsbuch für Kinder zu gewinnen weiterlesen

Warum die Natur des Eigelbs ein wichtiges Puzzleteil für die Zelltheorie war – Biologie des Hühnereies (6)

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Vor zwei Jahren an Ostern stellte ich die Rätselfrage: Welcher Teil unseres Frühstückseies ist eigentlich die Eizelle des Huhns? Die Antwort war: Das Eigelb.

Was ich damals nicht schrieb: diese Erkenntnis war in der Geschichte der Biologie eine wichtige – auch wenn das heute kaum einer mehr weiß. Dass das Eigelb nichts anderes als eine riesengroß aufgepumpte Eizelle ist, war ein wichtiges Puzzleteil für den Durchbruch der Zelltheorie – und damit Voraussetzung für die Entwicklung der modernen Biologie. Warum die Natur des Eigelbs ein wichtiges Puzzleteil für die Zelltheorie war – Biologie des Hühnereies (6) weiterlesen

Mentale Zeitreisen & anderes spezifisch Menschliches – Thomas Suddendorfs Buch „Der Unterschied“

Bild anklicken um auf Amazon reinzulesen*

Für die Molekularbiologen-Leserschaft der englischsprachigen Lab Times habe ich gerade was über „The Gap“ geschrieben (Why Chimps Make Poor Scientists),  das  inzwischen auch auf Deutsch erschienen ist unter dem Titel „Der Unterschied – Was den Mensch zum Menschen macht“.

In der Rezension empfehle das Buch. Und das, obwohl es biologische Themen wie Genetik, Neuroforschung und Entwicklungsbiologie komplett ausklammert. Dafür bietet es aber einen tollen Überblick über die Verhaltensseite der Forschung – die vergleichende Psychologie von Mensch und Tier.

Ergänzend zur Rezension möchte ich hier noch ein wenig dazu erzählen, welches Thema mich in dem Buch besonders faszinierte und wie ich ursprünglich darauf aufmerksam wurde. Mentale Zeitreisen & anderes spezifisch Menschliches – Thomas Suddendorfs Buch „Der Unterschied“ weiterlesen

Masern-Misere – wer ist schuld?

Dieser Text erschien im März 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Die größte Gruppe mit Impf-Lücken? Flüchtlinge? Grüne Esoteriker? Nein, meine Generation!

Wenn man will, lässt sich der aktuelle Masern-Ausbruch in Berlin wunderbar in Feindbild-Schablonen betrachten. Wer dazu neigt zu denken, dass Gefahren grundsätzlich von Ausländern ausgehen, kann mit bedeutungsschwangerem „Siehste!“Gesicht betonen, dass der Masernausbruch diesmal von einem Flüchtlingsheim ausging.
Und wer die grünalternative Szene gerne für alle Übel der heutigen Zeit verantwortlich macht, empört sich – mit einen ebensolchen „Siehste!“-Gesicht über die Wissenschaftsferne der dort kursierenden Impfmythen.

Nicht nur Flüchtlinge ohne Impfung

Beides ist nicht ganz falsch. Aber ganz richtig ist es eben auch nicht. Zwar nahm der Ausbruch tatsächlich unter bosnischen Flüchtlingen seinen Anfang, weil es bei ihnen aufgrund des Jugoslawien-Krieges Generationen gibt, die unzureichend geimpft sind. Und klar verbreiten sich die Masern besonders rasant, wo die Impfrate aus weltanschaulichen Gründen niedrig ist – wie etwa in Waldorfschulen, bei bestimmten Religionsgemeinschaften oder in Stadtteilen mit hoher Eso-Öko-Quote.

Trotzdem ärgert es mich, wenn der Masernausbruch genutzt wird um diese Gruppen zu diffamieren. Denn ihre Beteiligung ist nur ein Aspekt der Geschichte. Es gibt andere Aspekte, die viel wichtiger sind, wenn es darum geht, für sich selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen, finde ich. Es gibt nämlich eine noch viel größere Gruppe, die einen sensationell niedrigen Schutz gegen Masern hat. Und zu der gehört man unter Umständen sogar selbst!

Deutschland ist schlecht geimpft

Wer das ist? Na, ganz allgemein die Erwachsenen bis 45. Ja, wirklich: Bei einem Viertel der Leute, die Anfang 40 sind, fehlt der komplette Masernschutz. Bei den 30-Jährigen ist sogar nur die Hälfte vollständig vor der Krankheit geschützt.

Das ist plusminus meine Generation. In der wurden viele noch nicht gegen Masern geimpft. Oder nur einmal. Was nicht reicht. Anders als in den Generationen vor uns, haben wir die Krankheit aber trotzdem nicht mehr  zwangsläufig selbst bekommen. Denn Masern-Ausbrüche wurden in unserer Kindheit seltener. Wer älter war als wir, hatte die Krankheit durchgemacht und war deshalb immun. Und wer jünger war als wir, war zunehmend geimpft. Es baute sich also ein Herdenschutz um uns auf, der die Ungeimpften schützte.

Babys unter Herdenschutz

Bei jetzigen Ausbrüchen besteht daher oft die Hälfte der Betroffenen aus Erwachsenen. Man könnte das beruhigend nennen, weil es bei Masern-Erkrankungen bei Erwachsenen weniger häufig zu Todesfällen kommt. Alarmierend wird es aber, wenn man bedenkt, dass diese nur lückenhaft geimpften Leute ja die Mütter und Väter der gerade geborenen Kinder sind (oder ihre Tanten, Onkel usw.). Und diese Kinder sind sehr wohl durch schwere
Verläufe der Masern gefährdet. Vor allem, wenn sie  Vorerkrankungen haben. Und meine Generation bietet diesen momentan geborenen Babys bei Ausbrüchen keinen besonders
guten Herdenschutz.

Auf einen solchen Herdenschutz sind die Babys im ersten Lebensjahr aber weiterhin angewiesen. Sie können nämlich frühestens mit 9 Monaten selbst gegen Masern geimpft
werden. Bis dahin hilft ihnen nur, dass Vater, Mutter, Tanten und Onkel selbst geimpft sind und sie deshalb bei einem Ausbruch nicht anstecken. Auch ältere Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können – etwa weil sie eine chronische Krankheit haben – müssen darauf hoffen, dass Geimpfte um sie herum einen Schutzwall gegen die Krankheit bilden.

Falsche Feindbilder

Wenn wir uns – statt über dieses Sandwich-Generationen-Problem zu sprechen – vor allem über Zustände in Flüchtlingsheimen oder hanebüchene Impfgegner-Ideologie empören, läuft etwas schief, finde ich. Zum einen tut man Einzelnen durch die Lästereien oft
Unrecht. Es gibt auch an Waldorfschulen eine Menge Eltern, deren Kinder regulär geimpft sind. Und es gibt Flüchtlinge, die eine bessere Durchimpfungsrate haben als Deutsche.

Zum anderen lenken diese Geschichten von Lösungen des Problems ab. Wenn wir den Ausbruch benutzen, um über unser Lieblingsfeindbilder herzuziehen – egal ob das nun Ausländer sind oder die Öko-Eso-Szene ist, erwecken wir den Eindruck, wir könnten gegen die Probleme nur was tun, wenn wir zum Beispiel Leute zu Impfungen zwingen, denen sie misstrauen. Dabei gibt es ja Aspekte der Masern-Misere, die man als Impfbefürworter unter Umständen selbst beeinflussen kann und dann auch sollte.

Eltern brauchen Impfschutz

Ich jedenfalls bin überzeugt: Wenn alle werdenden und jungen Eltern ihren eigenen Impfschutz überprüfen würden und auch mit ihrem Umfeld darüber reden würden, dann wäre wesentlich mehr erreicht als mit der jetzt betriebenen Abwertung bestimmter
Gruppen oder mit der Drohung mit Zwangsimpfungen. Man muss sich dann vielleicht sogar eigenen Impfängsten stellen, wie ich sie hier ja letztes Jahr auch beschrieben habe.

Aber das lohnt sich. Denn die nahe Familie und enge Freunde spielen immer noch eine große Rolle für den Schutz der Kleinen, bevor diese selbst geimpft werden können. Als meine Jungs vor zehn bzw. sieben Jahren geboren wurden, war mir dieser Teil der Geschichte auch noch weniger klar als heute. Aber wäre ich mit meinem jetzigen Wissen heute noch mal schwanger, würde ich meine Nächsten auf jeden Fall bitten, ihren eigenen Impfschutz gegen die fiesesten Infektionskrankheiten zu überprüfen.

Den Masern-Impfschutz der 30- und 40-Jährigen zu checken, sollte meiner Meinung nach für den Schutz eines Kleinkinds in der (Groß-)Familie so normal sein, wie das Grabsche-Baby vom Topf mit kochendem Wasser und von scharfen Messern fernzuhalten. So wünschenswert und selbstverständlich wie es auch die Sicherung von Treppen und Steckdosen ist, wenn die Kinder ins Krabbelalter kommen. Oder das Üben von  Verkehrsregeln, wenn sie größer sind. Mit dem Wissen, dass man das Risiko damit nie auf Null senken aber doch reduzieren kann.

Masern: Wie wär’s, wenn wir erstmal damit anfangen, die Impflücken der Impf-Befürworter zu schließen?

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Ich schüttle hier derzeit oft den Kopf, wenn wieder eine Impfpflicht gefordert wird. Denn es würde meiner Ansicht nach genügen, wenn sich in Sachen Masern erstmal ein paar Ärzte mehr als nur die Kinderärzte zuständig fühlen würden.

Wenn ich von meinen Erfahrungen und Gesprächen ausgehe, dann gibt es eine Menge Leute, die nicht ausreichend geimpft sind, obwohl sie – man höre und staune – rein gar nichts gegen das Impfen haben. Sie sind meiner Ansicht nach nur deshalb nicht ausreichend geimpft, weil sich von ärztlicher Seite keiner für ihre Impflücken zuständig fühlt.

Mein Vorschlag ist daher: Fangen wir doch erstmal an, das zu ändern, bevor wir bedrohlich mit der Impfpflicht-Keule drohen. Masern: Wie wär’s, wenn wir erstmal damit anfangen, die Impflücken der Impf-Befürworter zu schließen? weiterlesen

„Biologisch“ ist nicht dasselbe wie „angeboren“ – Irreführender Titel bei Adrian Raines‘ Zum Mörder geboren

Gerade habe ich entdeckt, dass das Neuro-Kriminologie-Buch, über das ich mich im letzten Jahr so aufgeregt habe, vor kurzem auf deutsch erschienen ist.

Es war ein Anlass mich gleich noch mal aufzuregen. Diesmal über den deutschen Titel, der erstaunlich irreführend ist. Das englische Original heißt „Anatomy of Violence“. Die deutsche Übersetzung trägt den Titel „Als Mörder geboren“.

Ich verstehe wirklich nicht, wie der Klett-Cotta Verlag dem Buch einen solchen Titel geben konnte. Es ist in dem Buch ja nicht nur von angeborenen Ursachen die Rede, sondern allgemein von biologischen Ursachen von Gewalttätigkeit. Und das ist doch nicht dasselbe!

Natürlich gibt es angeborene Faktoren: genetische und durch Entwicklungsdefekte ausgelöste Störungen. Aber es gibt weitere, ebenfalls biologische Faktoren, die nicht angeboren sind, die eine Persönlichkeit aber ebenfalls gewalttätiger und anti-sozialer machen können: Giftstoffe etwa, die die Gehirnentwicklung während der Kindheit negativ beeinflusst. Oder Hirntumore. Sie sind eindeutig biologisch, ohne dabei jedoch „angeboren“ zu sein.

Wer jetzt noch wissen will, warum das Buch selbst mich aufregte: Das hatte damit zu tun, dass der Autor Adrian Raine sich leider nicht mit der Darstellung der Forschung begnügt, sondern dieses wichtige Thema mit seinen persönlichen Science-Fiction-Ideen zur Verhinderung künftiger Gewalt verbindet. Mehr dazu im Blog-Beitrag Bärendienst für die Neurokriminologie, wo es auch ein Link zu meiner Rezension im englischsprachigen Biologen-Magazin Lab Times gibt.

 

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Immer noch Läuse! – Wenn das Läusemittel nicht wirkt …

(aktualisiert am 07.10.19)

Meine Freundin völlig entnervt: „Kann es sein, dass Läusemittel manchmal nicht wirken? Wir haben alles so gemacht, wie’s in der Packung steht und haben immer noch Läuse! Ich dreh‘ langsam durch…“

Tatsächlich gibt es Kopfläuse, die Behandlungen mit Läusemittel überleben, weil sie gegen das Mittel resistent sind. Die gute Nachricht ist aber, dass meine Freundin nur ein Mittel mit einer anderen Art Wirkstoff nehmen musste, um der Läuseplage doch noch Herr zu werden. Immer noch Läuse! – Wenn das Läusemittel nicht wirkt … weiterlesen

Gedanken zu Wissenschaft und Gesellschaft, im Großen und ganz Kleinen