Vor ein paar Wochen, als es besonders schlimm war mit dem Pollenstaub, der dick und gelb auf Auto, Terrassentisch und Fensterscheiben lag, schimpften wir grinsend über „diese verdammten Baumspermien“. Musste gerade wieder dran denken, beim Blick auf das, was von den Blumen in der Vase so runterfällt.
Allerdings ist es irreführend Pollenkörner mit Spermien gleichzusetzen, auch wenn’s lustig ist. Die Sache mit den Blümchen und Bienchen ist etwas komplexer, aber auch wesentlich interessanter als bei uns Wirbeltieren. Es versteckt sich darin nämlich ein geheimer Generationswechsel.
Die eine Pflanzen-Generation vermehrt sich ungeschlechtlich und bildet Sporen, die andere vermehrt sich geschlechtlich und bildet Eier und Spermien. Solche Generationswechsel gibt’s nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei Quallen, Blattläusen und ’ner ganzen Menge an Parasiten. Aber was heißt das für den Pollenstaub? Was genau ist so ein Pollenkorn?
Meine Kinder sind so anders als ich
Um das zu erklären, muss ich einen kleinen Umweg machen – erstmal zu Pflanzen, die keine Pollen haben, den Farnen im Wald nämlich. Wenn ich so ein Farn wär mit meinen Farnwedeln, ja dann könnte ich ganz alleine, ohne den ganzen Befruchtungskram, Sporen bilden um mich zu vermehren. Nehmen wir an, ich sei ein zwittriger Farne und bilde ich männliche und weibliche Sporen. Die wehen herum, fallen auf die Erde und wachsen zu meinen Töchtern und Söhnen heran.
Die Farnkinder, die aus meinen Sporen entstehen, haben aber keine Farnwedel. Ja, sie sehen mir überhaupt nicht ähnlich. Sie sind sehr viel kleiner als ich und wirken unscheinbar, eher wie Lebermoose. Der größte Unterschied ist aber: im Gegensatz zu mir produzieren meine Kinder echte Keimzellen. Meine kleinen Töchter bilden Organe, in denen Eier wachsen. Und meine kleinen Söhne bilden Spermien. Wenn ich Glück habe, sind Geschlechtspartner in ihrer Nähe, und es kommt zu einer Befruchtung. Dann wächst aus der Verschmelzung von einem Ei und einem Spermium ein Enkel von mir. Und der, ja der ist wieder so wie ich. Er wächst heran zu einer hübschen, großen Farnwedel-Pflanze, zu einem ungeschlechtlichen Wesen wie ich eins bin und verteilt seine Sporen in der Welt.
Wenn ich Sporen bilden tät‘
Bei den Blütenpflanzen mit ihren Pollen ist es ganz ähnlich, auch wenn’s nicht einfach zu entdecken ist. Ich verwandel‘ mich zur Anschauung mal in eine Blume auf der Wiese. Als Gänseblümchen hab‘ ich viel mit dem Farn gemeinsam, was diesen komischen Generationswechsel angeht. Denn auch ich bin ein ungeschlechtliches Wesen. Jaha, auch ich bilde Sporen – männliche Sporen in meinen Staubblättern und weibliche Sporen in meinen Fruchtblättern. Und auch sie wachsen zu einer neuen Generation heran. Nur dass meine Kinder noch unscheinbarer sind als die der Farne.
Aus meinen Sporen wachsen nämlich keine eigenständige Pflanzen, die sich selbst ernähren könnten. Nein, im Grunde bestehen meine Nachkommen nur aus wenigen Zellen. Meine Winz-Töchter bleiben sogar bei mir, wohnen in den Fruchtknoten meiner Blüten und warten auf ihre Verehrer. Und meine Söhne, ja meine kleinen Mini-Söhne fliegen zu den Töchtern anderer Gänseblümchen – und zwar im Innern der Pollenkörner, die an einem Bienenbein kleben.
Sind sie in einer fremden Blüte angelangt, öffnet sich das Pollenkorn und die Keimzelle meines Sohnes vereint sich mit einer Eizelle. Aus dieser Befruchtung entsteht ein kleiner Embryo-Enkel, umschlossen von Nährgewebe. Er kann in einem Samenkorn schlummern, bis aus ihm wieder so ein ungeschlechtlicher Sporenproduzent wächst wie ich einer bin -ein neues Gänseblümchen auf der Wiese.
Wenn man im Herbst Samen gesammelt hat, kann man beim Einpflanzen rufen: „Und nun los, wachst so schön wie eure Großeltern letztes Jahr!“ Und wenn der Blütenstaub wieder allzu lästig wird, im nächsten Frühjahr, müssen wir die Pollen anders beschimpfen, diese Mini-Männchen auf Hochzeitsflug. Statt mit dem botanisch falschen „Baum-Spermien“ also lieber mit: „Ihr verdammten Baumsöhne.“ Klingt doch nicht schlecht. Auch für Heuschnupfen-Allergiker ist’s vielleicht befreiend, wenn sie bei anschwellender Nasenschleimhaut fluchen können: „Ich hasse euch, ihr Söhne der Birke!“
Ich hoffe, die Idee ist nicht allzu platt. Im Sinne der Sporenbildung und dem Generationswechsel fielen mir die Eierstöcke und Hoden ein, sozusagen als Derivat des Sporangiums oder als Anlehnung daran.
Nee, Sporen sind nämlich eben keine Keimzellen. Sie haben nicht den auf die Hälfte reduzierten Chromosomensatz wie Keimzellen und müssen daher nicht mit einem Gegenpart verschmelzen. Sie können einfach so auskeimen. Sie dienen einer ungeschlechtlichen Vermehrung. Bei uns Säugetieren gibt es nichts Analoges.
Fand schon immer das Thema Generationswechsel eines der faszinierendsten in der Biologie. Zum Einlesen vielleicht interessant: der Wikipedia-Artikel dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Generationswechsel
Mein bisheriges und rudimentäres Verständnis: Die ungeschlechtliche Vermehrung des Farns ist keine Vermehrung seiner selbst, da aus den Sporen Lebermoos ähnliche Gewächse werden, die dann Keimzellen produzieren, aus deren Vereinigung dann wieder neue Farnpflanzen werden und keine Lebermoss ähnlichen Gewächse. Ich dachte bei dem Begriff Generationswechsel grundsätzlich an den gleichen Organismus, mal als identische Kopie seiner selbst und mal als Organismus mit einer genetischen Variation. Das Lebermoos ähnliche Gewächs ist ein Keimzell produzierender Organismus, aus denen wieder neue Farne erwachsen. Der Farn ist wohl der primäre Organismus, der mittels des Generationenwechsels eine Keimzell produzierende Zwischenstufe einlegt. Der Farn ist zwittrig angelegt, die Sporen und das Lebermoos ähnliche Gewächs männlich oder weiblich.
Passt das soweit???
Ja, das gibt es auch, dass ein und derselbe Organismus sich mal geschlechtlich und mal ungeschlechtlich fortpflanzen kann, je nach Umständen. Aber bei Generationswechseln wechseln sich Generationen ab, die sich unterschiedlich fortpflanzen und oft eben auch vollkommen unterschiedlich aussehen. Dabei muss es nicht so ein, dass eine Generation von der menschlichen Warte aus gesehen dominiert, aber bei Farnen ist es so.
Man denkt, das die bekannte Sporen-prozierende Farnpflanze die „eigentliche“ Pflanze ist und die nächste, Keimzellen-produzierende Generation nur ein merkwürdiges Zwischenstadium. Aber bei Moosen ist das Ganze z.B. andersrum. Die haben diesen Generationswechsel auch. Und es dominiert auch eine Generation. Aber hier ist das, was wir als die „eigentliche“ Moos-Pflanze identifizieren würden, die Keimzellen-produzierende Generation. Und die Sporen-produzierende Generation ist ein komisches Anhängsel, das wir gar nicht als eigene Pflanze und Generation erkennen, sondern als eine Art Frucht missdeuten, wenn wir versuchen von unseren Erfahrungen bei Blütenpflanzen zu verallgemeinern.
Aber wie gesagt, gibt ganz unterschiedliche Generationswechsel. Welche, bei denen nicht eine Form dominiert. Welche, bei denen die Generationen gleich aussehen, obwohl sie sich unterschiedlich vermehren. etc etc.
Alles ganz schön komplex und vor allem so fremdartig, weil es bei uns eben keine Entsprechung dafür gibt.
Eine grundlegende Idee:
Nur eine Zelle kann mit einem Genom umgehen und nur eine Zelle benötigt auch ein Genom. Das Genom hat nur in einer Zelle eine Funktion. Ein Genom kann keinen Vorgang seiner selbst durchführen und benötigt für alle seine Belange eine Zelle.
In allen lebenden Organismen kann das Genom nur von einer je einzelnen Zelle weitergegeben werden, wobei die das Genom aufnehmende Zelle mitproduziert werden muss, wei alle anderen Zellen schon ein Genom haben. Die Reproduktion eines lebenden Organismus teilt sich komplett in die je einzelnen Reproduktionen der Zellen auf.
Und daraus resultieren die „Schwierigkeiten“ im Bezug zur Fortpflanzung der mehrzelligen Organismen.
Nicht dass nur eine Zelle in die nächste Generation geht, ist das Problem, sondern sexuelle Fortpflanzung allgemein. Sie ist aufwändig, risikoreich und mit viel Leid verbunden. Und die Biologie fragt sich auch schon lange, was das überhaupt soll. Warum vermehren sich nicht alle ungeschlechtlich? Ist doch viel einfacher und stressfreier.
Aber es geht eben nicht nur um die Weitergabe vom eigenen Genom in die nächste Generation, sondern auch um die Rekombination. Der Nachwuchs von sich sexuell reproduzierenden Arten scheint stets besser gerüstet für mögliche Änderungen der Umwelt zu sein. Sehr prominent ist seit einigen Jahrzehnten die Theorie, dass es dabei vor allem um die Abwehr von Parasiten geht – die sogenannte Red Queen Hypothese.