Der Kosmos-Experimentierkasten „Urzeit-Krebse“ ist beliebt. Und auch wir hatten unseren Spaß mit ihm. Er ist zudem ein guter Anlass für Kinder einige grundsätzlichen Phänomene der Biologie zu entdecken. Ich möchte mit diesem Text den Erwachsenen einige Ideen liefern, wie sie die Kinder, die sie beim Experimentieren begleiten, durch geschickte Fragen zum Weiterdenken anregen können.
Ich möchte vorausschicken, dass dieser Beitrag mit Bildern von vor drei Jahren illustriert ist. Solange ist es schon her, dass die Kinder und ich uns mit dem Experimentierkasten „Urzeit-Krebse“ von Kosmos beschäftigt haben. Sie waren zu der Zeit 7 und 10 Jahre alt. Ich hatte damals vor, darüber zu bloggen, habe das aber irgendwie aus den Augen verloren. Zum Glück veraltet das Thema aber nicht so leicht. Jedenfalls wird der Experimentierkasten noch vertrieben und hat – den Produktbildern nach zu urteilen – auch noch die gleiche Zusammensetzung. Daher hole ich das Thema jetzt nach.
Pragmatisch gewählte Tierart
Wer sich fragt, warum Kosmos für seinen Experimentierkasten ausgerechnet diese Krebse nimmt, sollte die Frage besser umdrehen. Denn die wenigsten Tiere sind für diesen Zweck geeignet. Gebraucht wird dafür ja ein Tier, das sich in irgendeiner Lebensphase trocken in einem Papiertütchen aufbewahren lässt – wie Pflanzensamen. Und dann muss sich diese Trockenform ja auch einfach gewinnen lassen.
Die Artemia-Krebse – auch Salinen- oder Salzkrebse genannt – eignen sich sehr gut, weil sie sogenannte Dauereier produzieren. Wobei es sich eigentlich nicht wirklich um Eier handelt, sondern um Embryonen in einer eingekapselten Trockenform, die Zyste genannt wird.
Und diese Zysten fallen am Ende des Sommers in den Salzseen der Erde in rauen Ummengen an, sobald der Salzgehalt der Seen steigt. Es ist eine Form, in der diese Organismen ein Austrocknen ihres Lebensraum überstehen können bzw. wie sie ihn nach einem Trockenfallen wieder neu besiedeln.
Nur wegen ihres massenhaften Auftretens lohnt es sich ökonomisch überhaupt, die Zysten von der Wasseroberfläche zu sammeln, zu trocknen und an Aquarienbesitzer, Aquakultur-Betreiber und experimentierende Kinder weltweit zu verkaufen. Aus ihnen schlüpft bei den Käufern dann bedarfsgerecht günstiges Lebendfutter für ihre Fische oder eben Anschauungsmaterial für’s Mini-Aquarium.
Erfolgreicher Experimentierkasten
Die hohe Verfügbarkeit dieser „Dauereier“ erklärt, warum es Experimentierkästen mit Artemia-Krebsen überhaupt auf dem Markt gibt und warum sie so günstig angeboten werden können. Es erklärt aber noch nicht, was diesen Experimentierkasten so erfolgreich macht. Denn das ist er. Er ist – wie in diesem Screenshot zu sehen – in Amazons Verkaufsrang sogar auf Platz 3 aller Experimentierkästen:
Das liegt natürlich daran, dass die Aufzucht der Salzkrebse Freude bereitet. Viele Menschen finden es emotional befriedigend, sich um Tiere zu kümmern, sie zu füttern und zu beobachten. Das fängt oft schon im Kindesalter an. Und Artemia-Krebse sind ein sehr einfacher Einstieg in die Tierhaltung. Für sie wird keine teure Aquariumstechnik benötigt.
Biologie-Wissen – auch für die Kleineren
Aber die Krebse nicht nur günstig und machen Spaß, sie bieten auch einen Anlass, Grundsätzliches über Biologie zu lernen. Wer Kinder bei dem Experimentierkasten begleitet, kann diesen Prozess durch das Stellen von bestimmten Fragen an die Kinder verstärken. Ich habe mal Fragen aus drei Themenkomplexen zusammengestellt, mit denen Erwachsene Kinder ab der Vorschule dazu anregen können, sich Gedanken über Biologie zu machen:
Schlüpfen wir auch aus Eiern?
Wenn die Zysten der Salzkrebse ins Mini-Aquarium gestreut sind, könnte etwa ein ganz guter Anlass sein, die Kinder zu fragen, wie das mit Eiern so ist. Sie wissen ja meist, dass Vögel Eier legen und manche wissen, dass z.B. Frösche und Schmetterlinge auch Eier legen. Und jetzt kennen sie auch noch Krebseier.
- Aber wie ist das eigentlich bei uns Menschen?
- Und wie bei der Katze, dem Hund, dem Meerschweinchen? (oder was sie so an Tieren kennen)
- Legen wir und diese Tiere auch Eier?
- Und sind wir auch mal so klein wie diese kleinen Eier, diese Pünktchen im Wasser?
Diese Fragen können Ausgangspunkt sein um über die Beobachtung zu sprechen, dass der Bauch von Schwangeren, die sie kennen, oder trächtigen Tieren immer größer geworden ist bis der Nachwuchs dann geboren wurde.
Kennen sie die Kategorie Säugetier schon? Und wissen sie, dass bei allen Säugetieren der Nachwuchs erstmal im Körper der Mutter heranwächst?
Bei allen anderen Tieren ist es mit wenigen Ausnahmen ja die Regel, dass sich die neue Generation außerhalb des Körpers der Mutter entwickelt. Nahrung und Schutz bietet dann das Ei mit seinem Dottervorrat und der Hülle. Und dieser grundsätzliche Unterschied ist schon lange bekannt. Schon die alten Griechen unterschieden zwischen eierlegenden und lebendgebärenden Tieren.
Ein großer Durchbruch in der Geschichte der Biologie war aber als die große Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Gruppen entdeckt wurde. Dass es bei eierlegenden Tiere und uns Säugetiere ganz am Anfang gleich ist. Alle Tiere, die zwei Eltern haben, entstehen durch das Verschmelzen von zwei Zellen: eine Zelle vom Vater und eine Zelle von der Mutter tun sich zusammen und werden zur ersten Zelle des neuen Nachwuchses.
Und das heißt: Auch wenn wir bei uns Menschen unseren kleinsten Anfänge nie zu Gesicht bekommen, waren wir also trotzdem auch alle mal so klein wie diese winzigen Krebs-„Eier“. Nur eben nicht in einer Eihülle, sondern im Bauch unserer Mutter!
Wie wachsen Krebse mit ihrer harten Haut?
Die Kinder können nach Ansetzen des Experiments von Tag zu Tag beobachten, dass die Krebse immer größer werden. Erst sind sie wie winzige Punkte. Dann ist zu sehen, wie diese Punkte immer länglicher und größer werden. Auch in diesem Wachsen steckt eine Möglichkeit zum erkenntnisreichen Rätselraten.
- Was passiert eigentlich mit unserer eigenen Haut, wenn wir wachsen?
- Und haben Krebse so eine Haut wie wir?
Kinder, die z.B. schon mal Strandkrabben am Meer angefasst haben wissen vielleicht schon, dass Krebse eine harte Schale haben. Das ist bei den Salinenkrebsen auch so (wenn auch nicht so hart wie die von großen Krebsen). Wer noch keine Erfahrungen mit Krebsen hat, kennt vielleicht die Außenhülle der Insekten. Die haben ja auch keine weiche Haut wie wir, sondern etwas Härteres, Starreres. Die Frage ist nur:
- Wie können Krebse, wenn sie das haben, dann eigentlich wachsen? Wie geht das?
- Geht der Panzer an bestimmten Stellen auseinander?
- Oder wird er immer zum Wachsen erst weich und dann wieder hart?
- Oder sprengen die Krebse die zu eng gewordene harte Haut ab und dann wächst einfach ein neuer Panzer?
Die Auflösung ist: Die letzte Lösung ist richtig. Krebse müssen sich häuten um zu wachsen. Das heißt, sie müssen die alte Haut loswerden und lassen sich eine neue wachsen. Das ist für die Tiere gar nicht so einfach, denn ihre Außenhülle ist nicht nur Haut, sondern zugleich auch ihr Skelett. Sie haben – wie alle Wirbellosen – keine Knochen im Innern, sondern stattdessen ein Außenskelett. Das heißt, ihnen fehlt in der Zeit der Häutung nicht nur der Panzer, sondern auch die Ansatzstellen für ihre Muskeln!
Wie unterscheiden sich Pflanzen und Tiere?
Obwohl wir die kleinen Krebslein genauso kaufen wie sonst das Saatgut von Pflanzen – nämlich als getrocknete Körnchen in einem Papiertütchen – unterscheiden sie sich nach dem Schlüpfen doch deutlich von Pflanzen.
Fragen, die Kinder zum Nachdenken darüber anregen, wären z.B.
- Warum müssen wir die Krebse eigentlich füttern und die Topfpflanze nebenan nicht?
- Warum reicht es Pflanzen gegossen zu werden, aber den kleinen Tierchen reicht das nicht? Warum brauchen sie mehr als das Wasser, in dem sie schwimmen?
- Oder andersrum gefragt: Wovon ernähren sich eigentlich Pflanzen?
In der Biologie wird davon gesprochen, dass Pflanzen autotroph sind, was in ihrem Fall bedeutet, dass sie sich von Sonnenlicht ernähren können. Tiere dagegen sind heterotroph, ernähren sich also indem sie andere Lebewesen fressen.
Vielleicht fällt dem Kind noch ein anderer Unterschied zwischen Pflanzen und Tieren auf, der meistens da ist, und der mit der Ernährungsweise zusammenhängt: Dass sich Tiere meist frei bewegen können und Pflanzen festgewachsen sind.
Für Anfänger
Für Vorschul- und junge Grundschulkinder reichen meist schon ein paar wenige solcher Anregungen, sich mal über Grundsätzliches Gedanken zu machen. Denn für sie ist ja vieles im Drumherum auch noch neu und vielleicht anfangs eine Herausforderung:
Das Lesen der Anleitung. Das Abmessen von Wasser. Das Anmischen des Salzwassers und Zum-Fenster-Tragen. Das Eintragen in den Kalender, um zu wissen, wann es anfangen darf, seine kleinen Krebse zu füttern.
Für Fortgeschrittene
Bei etwas älteren Kindern können Salinenkrebschen der Einstieg sein in die Haltung von anderen Wassertieren in Aquarien. Was brauchen die unterschiedlichen Tiere? Aus welchen Lebensräumen kommen sie? Welche Tiere können zusammen gehalten werden?
Wer sich genauer mit dem Körperaufbau der Tiere beschäftigen will – mit den verschiedenen Larvenstadien, mit den verschiedene Typen von Augen oder auch dem sehr viel variablere Körper-Bauplan von Krebsen im Vergleich z.B. zu Insekten – sollte allerdings darüber nachdenken, sich etwas Größeres anzuschaffen als die kleine beiliegende Lupe.
Für Kinder, die sich für diese Themen interessieren, lohnt sich meiner Meinung nach die Anschaffung eines Stereomikroskops. Ich habe schon mal darüber geschrieben, warum Stereomikroskope für Kinder die wesentlich besseren optischen Instrumente sind als „echte“ Mikroskope.
Und wer Fotos und Filmchen von den Artemia-Krebschen machen will, kann mit einem USB-Mikroskop erste, ganz gute Ergebnisse erzielen. Ich habe hier im Blog schon mal über mein USB-Mikroskop geschrieben und wie ich diese Artemia-Aufnahmen hier gemacht habe, bei dem die Larvenstadien hell vor schwarzen Grund erscheinen.
Mit etwas Vergrößerung werden spannende Details sichtbar
Fazit
Der Experimentierkasten „Urzeit-Krebse“ von Kosmos ist nicht nur empfehlenswert, weil er Kindern Spaß macht und eine sehr einfache, erste Form von Tierhaltung ermöglicht. Er kann darüber hinaus auch wertvolle Impulse geben um etwas Allgemeines über Biologie zu lernen. Für Anfänger genauso wie für Fortgeschrittene.
Das Set gibt es günstig in vielen Spielzeuggeschäften und natürlich auch bei Amazon:
Kosmos-Experimentierkasten Urzeit-Krebse*
als Kind wusste ich nicht, dass es sowas gibt, ich glaube aber, dass mein älterer Bruder solche Urzeit-Krebse mal in einem Yps-Heft (schade, dass es das nicht mehr gibt) hatte..
als Erwachsene bin ich hin-und hergerissen zwischen Ekel (obwohl ich in meinem Studium der Geowissenschaften und Paläontologie immer die Mikrofossilien sehr faszinierend fand und auch über sogenannte Ostrakoden, die ja zu den Crustaceen zählen, meine Masterarbeit schrieb) und dem Wunsch selbst mal sowas zu züchten..
schön jedenfalls, dass es mal wieder einen neuen Post auf deinem Blog gibt!
LG Ariane
Ja, ich bin in letzter Zeit etwas wenig zum Bloggen gekommen. Hoffe, dass ich das jetzt wieder mehr schaffe.
Kann ich verstehen mit dem Ekel. Gibt ein paar Bereiche, wo ich das auch habe in der Biologie. Vor allem bei Schaben. Das schüttelt’s mich richtig. Aber zum Glück ist das die Ausnahme. Denn neben Angst ist Ekel wohl das, was einem den Spaß an der Beschäftigung mit Tieren ziemlich verderben kann.
Aber wenn du Krebslein lieber in versteinert hast, ist das doch auch cool. Dann können sie dir schon nicht wegschwimmen unterm Mikroskop … 😉
Hallo und danke für diesen toll geschriebenen Beitrag. Ich weiss noch, dass ich damals viel Freude mit solchen „Urzeit-Krebsen“ hatte. Mittlerweile würde ich meinen Kindern dazu ein kleines Aquarium anschaffen.