Evolutionswissen für den Kindergarten

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Mit ein paar Fossilien und einer Riesentüte voller Plastik-Tiere war ich letzte Woche im Kindergarten um über Evolution zu reden: Welche Tiere gibt es heute? Welche nicht mehr? Woher wissen wir, dass es früher mal andere Tiere gab?

Seit ich vor Weihnachten Kinderbücher über Evolution rezensiert habe reizt es mich, auch selbst verschiedene Wege auszuprobieren, wie man mit Kindern über das Thema Evolution reden kann. Besonders hat mich die Frage beschäftigt, welche Teile von Evolutionswissen man vielleicht schon Vorschulkindern vermitteln könnte.

Eine gute Gelegenheit das mal zu testen, ergab sich dadurch, dass sich beim Jahresprojekt des Kindergartens vom Kleinen alles um „Wissenschaft & Experimentieren“ dreht. Am Anfang des Projektes haben die Erzieherinnen die naturwissenschaftlichen Fragen der Kinder gesammelt. Mit dabei war zu meiner Begeisterung auch die Frage „Wie entstand das erste Tier?“

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Welche von diesen Tieren kennt ihr?

Die Entstehung der ersten Tiere ist ein spannendes Thema. Tagelang dachte ich darüber nach, wie ich dieses Evolutionswissen kindgerecht verpacken könnte. Gar nicht so einfach. Vor allem, weil gerade diese Frage alles andere als eindeutig geklärt ist.

Sollte ich über Theorien reden, wie Mehrzelligkeit entstanden sein könnte? Von Zellen, die alleine leben und von Zellen, die irgendwann anfingen mit anderen Zellen Körper zu bilden? Hmmh…

Sollte ich von all den Tiergruppen im Meer sprechen, die als sehr ursprünglich angesehen werden, von denen Nicht-Zoologen aber oft noch nie was gehört haben? Schwierig..

Lieber Dinos mitnehmen auf die Reise

Nicht dass diese Themen nicht interessant wären, aber ich war doch skeptisch, ob Kindergartenkinder damit etwas anfangen können. Weder wissen sie, was Zellen sind, noch kennen sie die urtümlichen Wirbellosen des Meeres. Wie sollten sie das also einordnen?

Ich beschloss, die ursprüngliche Frage abzuwandeln und lieber von Bekannterem auszugehen. Denn wenn es ein Evolutionsthema gibt, das schon im Kindergarten allseits bekannt ist, dann ist das wohl die Sache mit den Dinosauriern. Schon jeder 4-Jährige weiß, dass es auf der Erde mal viele verschiedene, teils riesige Echsen gab, die es heute nicht mehr gibt.

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Welche von den Tieren sind schon ausgestorben?

Ich wollte versuchen, noch weiter in die Vergangenheit zu gehen, aber eben ausgehend von den Dinos und mit Schwerpunkt auf sehr Anschaulichem. Statt also die Frage „Wie entstand das erste Tier?“ zu beantworten, wollte ich eine Biostunde für Vorschulkinder halten, die sich eher um die Frage dreht, wann welche Tiere lebten, wie lange es welche Tiergruppen schon gibt und woher wir das eigentlich alles wissen.

Und das klappte tatsächlich ganz gut.

Was ein paar der Kinder schon wussten

Ich konzentrierte mich auf einige wenige Aussagen, die ich geeignet fand für den Kindergarten. Weil in der Gruppe verteilt schon einiges an Vorwissen war, konnte ich durch teils offene, teils gezielte Fragen den Kindern selbst diese Basics der Paläontologie entlocken:

  • Früher gab es Tiere, die es heute nicht mehr gibt, weil sie ausgestorben sind (die Kinder nannten Dinos und Ammoniten)
  • Andererseits gibt es heute eine Menge Tiere, die es früher noch nicht gab (z.B. gab es zu Dino-Zeiten keine der Vögel und Säugetiere, die die Kinder als Wiesen-und Waldtiere kenne, als Zoo- oder Bauernhoftiere)
  • Welche Tiere früher gelebt haben und welche nicht, weiß man, weil man von ihnen in der Erde Versteinerungen also Fossilien  finden kann (oder eben keine)
  • Meist sind es nur die harten Teile von Tieren, die  versteinert erhalten geblieben sind, so was wie Knochen, Krebspanzer oder Muschelschalen
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Als die Dinos und Ammoniten lebten, waren die heutigen Säugetiere und Vögel noch Zukunftsmusik.

Was war vorher und was danach?

Als etwas schwieriger erwies sich meine Frage danach, wie wir wissen können, welche Fossilien eigentlich wie alt sind, also wodurch wir rausfinden können, wann die Tiere gelebt haben. Das wussten die Kinder noch nicht.

Ich erklärte, wie sich in Laufe der Jahrtausende neue Erdschichten bilden, immer die neuen über die alten, und dass die alten unter bestimmten Bedingungen versteinern.

Das Gestein, das näher oben an der Oberfläche ist, ist also jünger. Und das tiefer unten ist älter. Und weil die Fossilien ja immer so alt sind, wie die Gesteinsschichten, in denen sie liegen, weiß man allein dadurch schon etwas darüber, welches Tier früher lebte und welches später.

An den plötzlich etwas glasigen Blicken bei einem Teil der Kinder merkte ich, dass der Gedanke  „oben=jünger & unten=älter“ für viele schon ziemlich abstrakt war. Deswegen ging ich nicht mehr darauf ein, dass sich die Schichten durch geologische Prozesse ja auch falten und verschieben können.

Ich ahnte: Komplizierter durfte ich es jetzt nicht mehr machen, sonst würden sie mir abdriften oder anfangen Quatsch zu machen.

Es begann mit einfachen, weichen Tierkörpern

Ich wollte es trotzdem wagen noch einen Sprung weiter zurück in die Vergangenheit zu machen. Denn genauso wie es zur Zeit der Dinos unsere heutigen Säuger und Vögel noch nicht gab, so gab es eben auch eine Zeit, in denen es noch keine Dinos gab.

Eine Zeit z.B., wo es an Land noch kein tierisches Leben gab, sich im Meer aber schon einiges tummelte. Fische und Tintenfische etwa. Und wiederum davor gab es eine Zeit, als es auch diese Tiere noch nicht gab.

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Es gab eine Zeit vor den Dinos. Da lebten andere Tiere auf der Erde.

Wir redeten darüber, dass es Tiere gibt, die aussehen wie Pflanzen, weil sie festgewachsen sind und sich nicht bewegen. Korallen etwa oder Schwämme. Und dass man von Fossilien weiß, dass einige von ihnen mit zu den ersten Tieren auf der Welt gehörten.

Ich erklärte aber auch, dass es  ganz früher Tiere gab, von denen wir nur ganz wenig wissen. Von ihnen blieben kaum oder keine Fossilien übrig. Einfach, weil an ihnen nichts Hartes war. Sie hatten keinen Panzer, keine Zähne und auch keine Knochen. Weil alles an ihnen weich war, blieb nach ihrem Tod meist nichts übrig, was versteinern konnte.

Wenn die Forscher nur auf Fossilien angewiesen wären, um etwas über die ersten Tiere der Welt zu sagen, könnten sie über die weichen Tiere von früher nur sehr sehr wenig sagen.

Glücklicherweise haben sie aber noch anderen Methoden. Mit denen können sie herausfinden, welche von den Tieren, die heute noch leben, die ältesten sind. Seit ein paar Jahren wissen wir, dass Verwandte der Quallen die älteste Tiergruppe sein könnte (genauer gesagt: Rippenquallen).

Nach meiner kleinen Biostunde im Kindergarten spielten die Kinder zum Teil noch mit den vielen Plastik-Tieren. Andere schauten sich gemeinsam mit den Erzieherinnen die Tier- und Evolutionsbücher an, die ich mitgebracht hatte. Ich hatte den Eindruck, dass es ihnen gefallen hat.

Die von mir verwendeten Plastik-Tiere stammen aus der Spielzeugkiste meiner Jungs. Sie sind von verschiedenen Herstellern wie Schleich und Bullyland, Safari und Playmobil. Es gibt sie z.B. in Spielwarengeschäften zu kaufen, aber auch bei Amazon:

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Was die Kinder mitnehmen

Ich denke, ich konnte den Kindern ein wenig mehr Struktur geben können für das Wissen, das in der Gruppe schon vorhanden war. Für den einen oder anderen werden neue Gedanken dabei gewesen sein.

Wenn ich Glück habe, konnte ich auch eine winzige Idee davon vermitteln, wie Forschung funktioniert Dass Forschungsergebnisse nicht einfach vom Himmel fallen, sondern Interpretationen sind von Funden, die mit bestimmten Methoden gemacht werden.

Und wenn ich noch mehr Glück habe, dann kam bei den Kindern an, dass diese Methoden auch an Grenzen stoßen können. Wo Fossilien fehlen, kann die Paläontologie nichts sagen. Dass dann aber vielleicht andere Disziplinen kommen und doch etwas mehr rausfinden über die Anfänge der Tierwelt.

Ich dachte jedenfalls, das kann man erwähnen, auch wenn die Kinder zu jung sind um ihnen zu erzählen, dass diese Untersuchungen an DNA gemacht werden und dass sich nicht nur aus den Formen im Körperbau, sondern auch aus Sequenzdaten Stammbäume erstellen lassen.

Noch ohne die Schlüsse von Darwin & co.

Ich hatte vorher viel darüber nachgedacht, ob ich auch über die Evolutionstheorie sprechen könnte, über die Schlussfolgerungen aus den Funden. Ich hätte gerne über Verwandtschaft geredet und über die Veränderung der Arten. Darüber wie man sich vorstellt, dass neue Arten aus alten entstehen. Wie dabei neue Körper-Baupläne entstehen, neue Organe, neue Funktionen.

Aber ich war mir zu unsicher, wie man die Gedanken dahinter so anschaulich machen kann, dass sie selbst Vorschulkinder verstehen können. Sind doch sogar die meisten Erwachsenen überfordert, wenn man sie auffordert zu erklären, was die Biologie heute darüber weiß, wie Evolution abläuft.

Aber toll wäre es schon, einen ganz einfachen Weg zu suchen, schon Kindergarten-Kindern einen ersten mini-kleinen Einblick geben zu können, was die Forschung der letzten 200 Jahre darüber rausgefunden hat. Vielleicht wage ich es ja bei meiner geplanten Fortsetzungsstunde und versuche es einfach mal.

NACHTRAG: Inzwischen hat es eine Fortsetzung gegeben zur Frage „Wie entstand der erste Mensch?“, wo ich auch versucht habe mehr auf die Sache mit der Verwandtschaft einzugehen: Affen feiern nicht Geburtstag – Evolution für Kindergarten und Grundschule (2) – Die Entwicklung des Menschen

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