Archiv der Kategorie: Biologie und Gesellschaft

Auswärts geschrieben: Raus aus der Kuschelecke – über Empathie und das #symp2014 (für LJ online)

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Wenn wir unsere Spiegelneuronen nutzen und viel Oxytocin ausschütten, dann sind wir netter und freundlicher zu Anderen, oder? Darüber wie wenig diese Aussage stimmt, habe ich für’s Laborjournal online geschrieben. Beim diesjährigen „Turm der Sinne“-Symposium zum Sozialen Gehirn fiel mir nämlich auf, dass viele der vortragenden Forscher dieses allzu rosige Bild zu korrigieren versuchten, das in der Öffentlichkeit zum menschlichen Einfühlungsvermögen vorherrscht:

Raus aus der Kuschelecke (30.10.2014) – Je mehr Neuro- und Verhaltensforscher über Empathie, Spiegelneuronen und Oxytocin herausfinden, desto schillernder wird das Bild ihrer Rolle im Sozialleben. Weiterlesen bei Laborjournal online

Nicht ich verharmlose Diskriminierung, sondern die Sympathisanten grünen Hasses

In den Diskussionen zu meinem Beitrag über grünen Hass wurde mir vorgeworfen, ich würde Fremdenhass relativieren, indem ich ihn mit Gentechnik-Ablehnung vergleiche. Die zugrundeliegende Annahme der Sympathisanten ist, dass grüner Populismus nur Produkte ächtet und keine Menschen. Dem ist aber leider nicht so. Ich möchte hier zeigen, dass nicht mein Vergleich, sondern diese Fehlwahrnehmung zu einer Verharmlosung von Diskriminierung führt – und damit eine Gefahr für Menschenwürde und Demokratie darstellt.

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Die Vorgeschichte zu meinem Artikel über grünen Hass

Mein Beitrag über grünen Hass hat viele, ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen – von leidenschaftlicher Zustimmung bis zu entsetzter Ablehnung. Nicht nur hier im Blog wurde über das von mir in diesem Text vorgestellte Konzept des grünen Populismus debattiert, sondern auch bei einem Crosspost des Beitrags bei den Ruhrbaronen und  in Jürgen Schönsteins Blog Geograffitico.

Einige Leute warfen mir  in diesen Diskussionen vor, ich würde mit meiner Kritik maßlos übertreiben. Hier möchte ich nachzeichnen, wie ich zu dieser – zugegeben harten -Kante gegenüber bestimmten grünen Denkmustern gekommen bin.

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Wir dulden Hass in unserer Mitte – wenn er grün ist

Nicht nur rechter, linker und liberaler Populismus ist eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch seine grüne Variante.

Was seht ihr vor euch, wenn ihr an gefährlichen Populismus denkt?

Seht ihr einen Stammtischbruder, der mit feisten Schützenvereins-Kumpels über „Schwuchteln“ herzieht oder über „dieses kriminelle Ausländerpack“ ?

Oder seht ihr eher den linken Eiferer, der sich mit seinen Antiglobalisierungs- Spezis einig ist, dass alles nur die Schuld „reicher Ausbeuterschweine“ ist?

Oder seht ihr gar den verächtlichen Beschlipsten, der sich mit seinen smarten Yuppie-Freunden darüber ereifert, dass „diese wohlstandsvernichtenden Marktverzerrer“ unser Untergang sind?

Ich persönlich finde ja alle drei unerträglich. Weil jede Art von Populismus mich verstört und alarmiert. Weil jede Art von Populismus gute Werte hinter sich gelassen hat und nur noch vernichten will .

Alle drei sind für mich Stammtischbrüder, denen gemeinsam ist, dass sie in Feindbildern denken und die Illusion erzeugen, alle Probleme würden sich schon in Wohlgefallen auflösen, wenn man nur die von ihnen auserkorenen Sündenböcke in die Wüste schickt.

Und sie sind allesamt Anti-Demokraten. Sie predigen Hass und steigern sich in die Vorstellung herein, die Welt gehe vor die Hunde, wenn nicht sie den Kampf um die Macht gewinnen, sondern die Gegenseite. Und die Gegenseite, das sind nicht nur die dämonisierten Feinde selbst, sondern auch alle, die es wagen, die Gefahren zu „verharmlosen“ und Probleme „herunterzuspielen“.

Das Ziel von Populisten ist daher stets nicht nur die vollständige Entmachtung oder sogar die Vertreibung der Feinde, sondern auch der soziale Ausschluss von Andersdenkenden.

Gefährlichen Populismus  gibt es aber nicht nur in den drei politischen Geschmacksrichtungen von rechts, links und liberal, sondern auch in seiner grünen Variante. Und zumindest aus meiner Warte sieht es derzeit so aus, als würde dieser sehr viel seltener als solcher erkannt und benannt als die Populismus-Formen der anderen Politikrichtungen. Ich persönlich halte ihn daher momentan für den gefährlichsten Populismus in Deutschland. Wir dulden Hass in unserer Mitte – wenn er grün ist weiterlesen

Von Ideologie korrumpiert – wenn Naturschutz und Transparenz die falschen Anwälte haben

Sie warnen vor der Macht der großen Branchenlobbys, sind aber selbst zutiefst korrumpiert – von Dogmen, Feindbildern und einem Glauben, der nicht überprüft werden darf. Wie NGOs mit grün-linksalternativem Populismus Demokratie und Wissenschaft gefährden.

In einer Erklärung, die „Corporate Europe Advisory“ (CEO) am letzten Freitag auf ihrer Website veröffentlichte, wirbt die Nicht-Regierungsorganisation noch einmal für die Abschaffung des Wissenschaftlichen Beraterpostens der EU.

Die NGO ist neben Greenpeace Europe eine der 9 Organisationen, die den offenen Brief an den kommenden Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, unterschrieben haben, über den ich mich seit Ende Juli aufrege.

In dem neuen Text zeigen sich die selbsternannten Watchdogs der EU-Business-Lobby verwundert darüber, dass sich gerade Sense about Science in einem zweiten offenen Brief gegen sie stellte. Eine NGO, die doch einen scheinbar ähnlichen Kampf gegen Kräfte aus der Pharmalobby unterstützt – die Alltrials-Kampagne für Studientransparenz in der klinischen Forschung. Von Ideologie korrumpiert – wenn Naturschutz und Transparenz die falschen Anwälte haben weiterlesen

Selbst die Australier sind über den EU-Streit Greenpeace vs Wissenschaft besser informiert sind als die EU-Öffentlichkeit selbst

In den letzten zwei Wochen habe ich mich zwar gefreut, mit meinem kleinen Wissensküche-Blog hier etwas Aufmerksamkeit erzeugt zu haben für den Streit über die Wissenschaftliche Beratung in der EU.

Aber größer als diese Freude ist bei mir die Verwunderung darüber, dass die Berichterstattung zum Thema fast ausschließlich in englischsprachigen Medien stattfindet. Selbst Australien und die USA sind besser über den Konflikt informiert als die EU-Öffentlichkeit.

Noch erstaunlicher ist nur noch, wie wichtig das Thema Wissenschaftliche Beratung für die Politik offenbar in den letzten Jahren international geworden ist, ohne dass man in Deutschland davon etwas mitbekommen würde.

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Bitte? Welche Lobby fordert grad die Abschaffung wissenschaftlicher Beratung in der EU?

Dreimal darfst du raten, welche Lobbygruppe  letzte Woche die Abschaffung des wissenschaftlichen Beraters der EU gefordert hat, weil es ihnen nicht in den Kram passt, dass die EU-Kommission über den wissenschaftliche Konsens zu politisch wichtigen Themen informiert wird?

Hat das echt jemand gefordert?

Ja, wirklich!

Na, vielleicht die Erdöl- und Kohlefirmen. Schließlich ist sich die Mehrheit der Klimaforscher einig, das die Verbrennung von fossilen Brennstoffen eine der Hauptursachen für die Erderwärmung ist. Das passt der Industrie sicher nicht. Könnte mir vorstellen, dass sie es lieber hätten, wenn sich EU-Politiker nur von Klimaskeptikern beraten lässt – auch wenn sie eine Minderheit der Forscher sind.

Klingt plausibel. Aber nein, die waren’s nicht.

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Geliebtes Feindbild Gentechnik – mein Kommentar zu „Die Propaganda-Schlacht um die Gentechnik“

Es gibt etliche Reaktionen auf meinen Text Ist Gentechnik schädlich?, die sinngemäß sagten: Auch wenn die Gentechnik selbst nicht gefährlich wäre, ist meine Ablehnung dennoch rational. Es ist doch schließlich so vieles schlecht, was mit ihr zusammenhängt.

Dieser populistischen Logik  folgt leider auch die ARD-Doku „Die Propaganda-Schlacht um die Gentechnik“. Um das Feindbild  zu bestätigen, reicht es offenbar aus, Gentechnik in nur ganz lose Assoziation zu bringen mit Dingen, die alle empören. Ob die einzelnen Vorwürfe stimmen, ist offenbar auch vollkommen egal.

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Ist Gentechnik schädlich?

Dieser Text erschien im Juli 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Gentechnik an Nahrungspflanzen ist wie Sex in der Öffentlichkeit. Es kann aus moralischen Gründen abgelehnt werden. Aber nicht aus gesundheitlichen.

Vorletzte Woche erhielt ich eine Mail von einem Blog-Leser namens Marcel G.. Es war eine lange Mail. Eine sehr lange. Denn er wollte etwas loswerden. „In Bezug auf Gentechnik.“ Ein paar Zeilen später wurde klar, warum er mir so ausführlich seine Bedenken gegenüber dieser Technologie darlegt. Er schrieb, ich hätte gesagt, es gäbe „bis
jetzt keine negativen Konsequenzen aus Gentechnik. Das stimmt so nicht.“ Dann folgten aber nur eine Menge reichlich hypothetischer Gefahren, wie er auch selbst zugab.

Weil meine Antwort auf Marcels Mail immer länger und länger wurde und ich lauter Sachen schrieb, über die ich eh schon längst mal einen Blog-Text schreiben wollte, habe ich – in Absprache mit Marcel – beschlossen, öffentlich zu antworten.

Lieber Marcel,
ich würde mich gar nicht explizit als Befürworterin von Gentechnik bezeichnet. Weil sie mir eigentlich gar nicht so wichtig ist. Ich hab an Gentechnik kein persönliches Interesse. Weder finde ich sie besonders cool, noch denke ich, dass sie die einzige Lösung für
wichtige Welt-Probleme ist. Eigentlich denke ich „nur“, dass sie eine Technologie ist wie jede andere auch. Für mich als Biologin ist sie einfach neutral ein Werkzeug für Forschung und Anwendung.

Dass ich auch die Pflanzen-Gentechnik für eine normale Technik in der Züchtung halte, macht mich in den Augen von Gegnern aber natürlich zu einer von der Gegenseite. Denn dadurch sehe ich die Sache fundamental anders als z.B. du, für den es ganz selbsterklärend ist, dass diese Anwendung von Gentechnik riskant ist. Das liegt für Gegner auf der Hand. Es kann für sie gar nicht anders sein. Es ist für sie einfach offensichtlich, dass es sich bei Pflanzen-Gentechnik um etwas ganz Bedrohliches handelt.

Zwischen Befürwortern und Gegnern tut sich daher ein großer Graben auf. Für jemanden wie mich, der Gentechnik als normale Technologie sieht, reicht es, wenn Zulassungsbehörden und Wissenschaft feststellen, dass die Produkte dieser Technologie
sicher sind. Aber für jemanden, für den Gentechnik etwas völlig Neues, Mächtiges und Unkontrollierbares ist, für jemanden, der sich gentechnisch veränderte Organismen als künstliche, tickende Zeitbomben vorstellt, den überzeugen offensichtlich keine
Sicherheitstests.

Auch du redest ja von den berühmten „unabsehbaren Folgen“. Du schreibst, eine Genpflanze sei vielleicht „nicht sofort giftig“, aber das heiße ja nicht, dass es nicht langfristig doch ungesund ist. Auch für die Umwelt beschwörst du namenlosen Schrecken, den man sich ja „ausmalen“ könne. Denn: „Sollte dann doch einmal etwas schief gehen (und das wird es, […]) dann ist es kaum umkehrbar“.

Du sagst von dir selbst, du seist einfach vorsichtiger und zu Recht weniger optimistisch als die Befürworter. Aber ich denke, das trifft es nicht. Denn die Art deiner Argumentation zeigt nicht etwa, dass du erstmal bei Anderen gucken will, wie’s läuft, dir mehr Zeit lässt
und abwartest. Nein, die Argumentation läuft drauf hinaus, dass man gentechnisch veränderte Pflanzen gar nicht anbauen oder essen sollte.

Und die beschworenen Gefahren sind so wolkig beschrieben, dass sie nicht testbar sind. Es sind so generelle Bedenken, dass man sie nicht ausräumen kann. Dass Gentechnik eine Gefahr ist, ist klar und soll – so wie ich es sehe – auch nicht widerlegbar sein. Damit wird
das Ganze in meinen Augen zum echten Vor-Urteil. Dass  Genpflanzen“ gefährlich sind steht nicht am Ende deiner Argumentation, sondern ist ihr Anfang. So wie bei vielen
Anderen auch.

So erkläre ich mir jedenfalls das Phänomen, dass das Gefühl der Gegner, es hier mit etwas von Grund auf Schädlichem zu tun zu haben, offenbar schwerer wiegt als die hunderte von Studien, die keine negativen Folgen feststellen konnten. Dass es schwerer wiegt als das Urteil aller Behörden, von den deutschen (BfR) über die europäische (EFSA) bis zur weltweiten (WHO), die bisher weder gesundheitliche noch ökologische Gefahren nachweisen konnten. Dass es schwerer wiegt als die Erfahrung in anderen Ländern, wo die
Produkte ja schon jahrelang ohne Probleme konsumiert werden.

Und dieses schwer wiegende Bedrohungsgefühl ist längst immunisiert gegenüber der Frage, warum man die angebliche Gefährlichkeit von „Genfood“ denn nicht nachweisen könne. Wobei deine Zusatzannahme, um das zu erklären, ja glücklicherweise eher in die Richtung gehen, dass wir einfach noch nicht genügend wissen und verstanden hat, um die Folgen überhaupt abzusehen.

Ich war ja froh, dass du nicht zu den aggressiveren Zeitgenossen gehörst, die die NichtBeweisbarkeit ihrer Szenarien mit  Verschwörungstheorien immunisieren. Mit der Annahme z.B., dass die Experten der Studien wahrscheinlich alle von den Unternehmen gekauft sind, die an den Produkten verdienen.

Wahrscheinlich würden diese Leute auch bei mir annehmen, dass ich auf der Lohnliste eines Saatgut-Unternehmens stehe, weil ich mich so hartnäckig weigere, Gentechnik als das Übel anzusehen, was es in ihren Augen ist. Aber ich kriege kein Geld von Gentech-Firmen. Ich bin nur eine kleine Biologin, Bloggerin und  Wissenschaftsjournalistin, die ihre Meinung sagt.

Man kann mich auch schlecht als blind technologiegläubig bezeichnen. Ich verspreche mir von Gentechnik gar nichts Besonderes. Weder persönlich, noch gesellschaftlich. Es gibt ja
Leute, die meinen, dass Gentechnik helfen wird, endlich den Hunger der Welt zu stillen. Das glaube ich nicht. Vielleicht leistet es einen kleinen Beitrag. Aber den größeren müssten politische Maßnahmen leisten.

Nein, die beworbenen Vorteile von Gentechnik betreffen vor allem Landwirte, die das Saatgut gentechnisch veränderter Pflanzen kaufen. Die veränderten Eigenschaften der Pflanze sind abgestimmt auf sie als Kunden. Weniger Arbeit, weniger Risiko von Ernteausfällen, mehr Ertrag. Weil die Pflanzen diese  Versprechungen meist auch halten, wird ihr Saatgut von den Bauern weltweit gekauft.

Für mich ist die Frage der Technologie, die für die Züchtung neuer Sorten verwendet wird, eine so neutrale, landwirtschaftsinterne Angelegenheit, dass es mir – um ehrlich zu sein schlicht egal ist, ob auf deutschen Feldern oder sonstwo nun gentechnisch veränderte
Pflanzen wachsen oder nicht. Ich habe keine eigenen Wünsche oder Hoffnungen dazu.

Was mich aufregt, ist nur das gestörte Verhältnis von Gentechnik-Gegnern zur Wissenschaft. Weil ihre Argumentation oft so pseudowissenschaftlich ist. Sie tun so als interessierten sie sich für die Ergebnisse von Studien. Aber dann akzeptieren sie nur die,
bei denen das rauskommt, was sie erwarten. Und das sind nur wenige, kleine, schlecht gemachte Studien.

Das regt mich auf. Aber sonst?

Ich denke sogar oft: Naja, wenn alle meinen, das sei gefährlich, dann gibt es in Deutschland halt keine Lebensmittel, die mit Hilfe von Pflanzen-Gentechnik hergestellt wurden. Das ist Demokratie, oder? Wenn sich die Mehrheit von etwas bedroht fühlt, dann lassen wir das halt. Inzwischen bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob das die richtige Haltung ist. Sollte man es wirklich so schulterzuckend hinnehmen, wenn die Politik sich an diffusen Bedrohungsgefühle aus dem Bauch des Volkes orientiert, die pseudowissenschaftlich
untermauert werden? In anderen Politik-Feldern nennen wir so was Populismus.

Sagen wir mal so: Dass Studien zur Sicherheit von „Genfood“, die von
Zulassungsbehörden und Sicherheits-Forschern weltweit durchgeführt wurden, bisher keine negativen Effekte messen konnten, könnte in einem sehr unwahrscheinlichen Szenario heißen, dass alle Wissenschaftler bisher irgendwas Wichtiges übersehen haben. Die wahrscheinlichste Erklärung ist aber:
Dass es schlicht keine negativen Effekte gibt!

Ich weiß nicht, wie das bei dir ist. Aber wenn jemand diese für mich einfachste und logischste Erklärungsmöglichkeit so gar nicht auf dem Schirm hat, dann wittere ich bei meinem Gegenüber eher moralische Gründe für die Ablehnung. Denn natürlich kann man
eine ganze Technologie wie die Gentechnik aus moralischen Gründen ablehnen. Das ist legitim. Was soll man dagegen sagen? Mit Gentechnik-Gegnern, die moralische Grenzen als Grund für ihre Ablehnung angeben, komme ich eigentlich auch am besten klar. Sie sind ehrlich und bei ihnen ist klar, auf welchem Boden die Diskussion stattfindet.

Viel schwieriger finde ich es, wenn jemand meint, er argumentiere auf der rationalen Ebene, sich die Argumente aber überhaupt nicht danach anhören. Wenn jemand Gentechnik verwerflich findet, aber nicht über diese empfundene Unmoral redet, sondern nur über die von ihm daraus gefolgerten Erwartungen an die Fakten.

Würde man die Argumentationen vollständig hinschreiben, sähen sie so aus: „Weil die Manipulation von Genen für mich die Überschreitung eines Tabus ist, erwarte ich, dass diese Handlung auch gefährlich sein muss und schlimme Konsequenzen hat.“ Oder so: „Weil ich es moralisch abstoßend findet, wie das Produkt hergestellt wird, erwarte ich, dass dieses Produkt auch schädlich sein muss, z.B. giftig für den Menschen oder die Umwelt.“

Aber eine solche Argumentation ist unzulässig, weil sie auf einem sogenannten moralistischen Fehlschluss beruht. Tatsächlich gibt es nämlich keinen solchen Zusammenhang zwischen dem, was Menschen moralisch gut oder böse finden und den wissenschaftlich nachweisbaren Eigenschaften von Dingen und wie sie auf uns wirken. Es gibt seit Jahrzehnten sehr gute Tests und Studien-Designs, um festzustellen, ob etwas giftig ist oder sonstwie schädlich. Ob ein Stoff die Haut reizt oder besonders allergen ist, ob er leberschädigend ist oder krebserregend, ob er Wasserlebewesen schädigt oder Bienen. Das können wir alles gut feststellen. Und das ist sehr wichtig.

Aber dabei hat sich eins sehr deutlich gezeigt: Ob ein Stoff künstlich hergestellt wurde oder natürlich vorkommt, erlaubt keinerlei Vorhersage darüber, ob dieser Stoff schädlich ist. Natürliche Stoffe können schädlicher sein als künstliche. Und künstliche können z.B. als Medikament wirksamer sein als natürliche. Und anders rum. Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen Ursprung des Stoffes und seiner Wirkung. Entscheidend sind allein seine chemisch-physikalischen Eigenschaften.

Gleiches gilt für gentechnisch veränderte Organismen. Natürlich könnten wir Lebewesen gentechnisch so verändern, dass sie uns danach schaden. Etwa wenn jemand einen Krankheitserreger im Labor gentechnisch so verändert, dass er gefährlicher wird. Aber dann ist dieser Erreger schädlicher, weil die reingebrachte Eigenschaft sein Potential erhöht hat uns krank zu machen, und nicht weil die Integration auf gentechnischem Wege passierte.

Wenn dieser Erreger das Gen auf natürlichem Wege durch  Austausch mit seinen Bakterien-Kollegen erhalten würde, hätte er danach das genau gleiche erhöhte Potential uns krank zu machen. Für die erzielte Wirkung ist nämlich der Weg der Entstehung völlig
unerheblich.

Wenn etwas von uns Menschen künstlich verändert wird, lässt das keine Vorhersage darüber zu, ob es danach harmloser oder schädlicher ist als das natürliche Pendant. Es ist beides möglich. Je nachdem, was wir ändern. Denkbar ist ja genauso, dass wir eine
Pflanze, die für uns normal giftig wäre, dadurch essbar machen. Wenn wir das Gen für den Giftstoff gentechnisch aus dem Erbgut der Pflanze entfernen, dann würde sie, die sonst für uns giftig ist, in ihrer gentechnisch veränderten Version plötzlich genießbar.

Die durch Gentechnik eingebrachten Veränderungen an Nahrungspflanzen werden aber in der Praxis so ausgesucht, dass sie für uns als Esser gar nichts ändern. Sie sollen für den Konsumenten ja neutral sein. Dass das auch so ist, muss man natürlich überprüfen. Aber das kann man ja und das tut man auch. Ob uns oder anderen Organismen etwas schadet, ist ja etwas Messbares. Unabhängig von der moralischen Bewertung der Prozesse, lassen sich die realen Wirkungen bestimmen, die die beteiligten Stoffe aufgrund ihrer chemisch-physikalisch-biologischen Eigenschaften haben.

Man kann nur mit naturwissenschaftlichen Methoden zeigen, ob etwas schädlich ist oder unbedenklich. Wie denn sonst? Wenn es diese Frage ist, die man gerne geklärt haben will, dann gibt es keine Alternative zu wissenschaftlichen Studien. Aber ist es überhaupt diese Frage, die Gegner wirklich umtreibt?

Ein wichtiger Schritt, um das zu klären, ist folgende Frage: Warum sind Gentechnik-Gegner nicht erleichtert, wenn Studien zeigen, dass eine gentechnisch veränderte Pflanze doch nicht gefährlich ist? Denn das wäre doch die normale Reaktion, wenn man Gegner ist, weil man vorsichtig, pessimistisch oder ängstlich ist im Hinblick auf eine neue Technik, und dann rauskommt, dass man seine Vorsicht ablegen kann.

Warum ist die übliche Reaktion nicht Erleichterung, sondern Wut? Und warum passt es Gentechnik-Gegnern so dermaßen nicht in den Kram, dass „Genfood“ harmlos ist? Wenn man mit der Wissenschaft unzufrieden ist und die hundertste Studie, die Unbedenklichkeit attestiert, auch wieder wütend ablehnt, dann sollte man vielleicht ehrlich zu sich und zur Welt sein und sagen: Mir ist egal, ob das Zeug unbedenklich ist oder nicht, denn ich lehne es aus ganz anderen Gründen ab. Aus moralischen.

Dieses Eingeständnis fände ich persönlich nicht nur völlig legitim, sondern auch notwendig. Es ist ja wichtig zu wissen, warum man etwas ablehnt. Es gibt viele Sachen, die ich aus moralischen Gründen ablehne. Sex in der Einkaufszone zum Beispiel. Und mein Urteil in dieser Sache ist ganz unabhängig davon, welche rationalen Gründe es dafür oder dagegen geben sollte. Auch wenn man mir nachweisen
würde, dass öffentlicher Sex gesundheitlich unbedenklich wäre und vielleicht sogar nützlich – ich würde ihn trotzdem ablehnen.

Und weil es eine moralische Frage ist, lehne ich dieses Verhalten nicht nur für mich ab, sondern würde auch nicht wollen, dass es Andere machen. Weil es mir unangenehm ist. Weil es für mich eine fühlbare Grenze überschreitet. Mir ist dabei aber bewusst, dass diese Grenze eine ist, die aus Normen und Werten in mir
und um mich herum entstanden ist. Durch die Kultur, in der ich aufgewachsen bin. Ich könnte für diese Grenze keine rationalen, wissenschaftlichen Gründe finden. Ich käme auch
nicht auf die Idee, welche zu suchen. Weil es keine gibt.

Das, was mich bei der Gentechnik-Diskussion fertig macht, ist nicht, dass Menschen wie du sie ablehnen, damit habe ich – wie gesagt – kein Problem, sondern nur, dass du und so viele Andere versuchen ihre moralischen Grenze in dieser Sache mit Schein-Argumenten
auf der Sach-Ebene zu verteidigen. Das ist so als würde jemand öffentlichen Sex verbieten wollen mit der Begründung, dass er
ganz bestimmt gesundheitsschädlich ist. Das ist ein absurder, unzulässiger Übergang zwischen moralischer und wissenschaftlicher Argumentation. Noch absurder wäre es nur,
wenn man es dann der Wissenschaft vorwirft, dass Studien die erwartete Gesundheitsschädlichkeit von öffentlichem Sex nicht zeigen können.

Genau sowas machen Gentechnik-Gegner ständig. Sie stellen die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in Frage, nur weil sie erwarten, dass wissenschaftliche Studien auf Sach-Ebene bestätigen, was sie selbst als Grenzüberschreitung empfinden. Und wenn die Wissenschaft das nicht bestätigt, dann nehmen sie an, dass mit der Studie, dem Forscher oder sogar der gesamten Wissenschaft was nicht stimmt.

Aber das einzige, womit was nicht stimmt, ist die Erwartung, dass sowas wie Schädlichkeit mit einer gefühlten Verwerflichkeit Hand in Hand gehen muss. Die Erwartung, dass Wissenschaft Gründe für ein moralisches Urteil liefern kann. Das kann sie nicht. Weil es
diesen Zusammenhang nicht gibt. Weil Moral etwas ist, was Menschen empfinden, was sie in Regeln gießen und tradieren, aber nicht etwas, was man messen kann oder auch nur aus
Messungen folgern kann.

Ich will dir deine Ablehnung der Pflanzen-Gentechnik nicht ausreden. Die ist ok. Aber ich habe einen Wunsch: Bitte untergrabe nicht dein Vertrauen in die Wissenschaft oder das der Anderen, indem du den Forschern vorwirfst keine rationalen Gründe für ein Verbot liefern zu können. Auch wenn es niemals sachliche Argumente gegen die Gentechnik geben sollte, kannst du sie weiterhin ablehnen. Aus völlig legitimen, aber eben
moralischen Gründen. Danke!

Mit besten Grüßen,
Brynja


Nachtrag vom 6.7.14, 18:20: Wer sich, bevor er sich hier in die Debatte schmeißt, auf den neuesten Stand bringen will, was die Wissenschaft zum Thema Pflanzen-Gentechnik überhaupt so sagt, auch interdisziplinär, dem sei die Kurzfassung des aktuellen Gentechnologie-Bericht empfohlen. Oder überhaupt das ganze Informationsangebot gentechnologiebericht.de

Anmeldung für „Das soziale Gehirn“ Turm der Sinne – Symposium 2014

TdS Pressebild Symposium 2014 HiRes mit Logo

Im Herbst lockt wieder meine Lieblingsveranstaltung in der Region: das Turm-der-Sinne-Symposium. Thema dieses Jahr ist Das soziale Gehirn – Neurowissenschaft und menschliche Bindung (Fürther Stadthalle,  26. bis 28. September 2014)

Ich gehe natürlich hin und kann die Veranstaltung nachdrücklich allen empfehlen, die sich – wie ich – für Themen rund um Hirnforschung, Psychologie und Philosophie begeistern können.

Das Programm ist wieder schön bunt. Die unterschiedlichsten Forscher haben sich angekündigt um Vorträge zu halten über Empathie und über soziale Intelligenz, über Objektwahrnehmung und über Traumatisierung, über Altruismus und über das Trainieren von Emotionen. Vielversprechend!

Online-Anmeldung (mit Frühbucher-Rabatt bis 31.7.)