Ich war am Samstag mit meinem 7-Jährigen bei der Langen Nacht der Wissenschaften. Es war unsere Premiere. In den Jahren vorher waren wir immer pünktlich zum Termin krank.
Als ersten Anlaufpunkt im Riesenprogramm hatte ich mir die Erlanger Biologie gewünscht. Irgendwo mussten wir ja anfangen und warum nicht da, wo ich selbst studiert habe? Und es war wirklich lustig mit ihm dort unterwegs zu sein. Für mich war’s ein Wiedersehen mit Wehmut und so manchem bekannten Gesicht, für ihn die pure Entdeckerfreude.
In dem Kursraum, wo vor 12 Jahren mein Hauptstudium begann, stürzte er sich begeistert ins Getümmel um das Tierquiz zu lösen. Genau, wo ich damals gesessen hatte um Tiere zu sezieren, sollte er die Zähne in Schädeln von Pflanzen- und Fleischfressern vergleichen und schätzen wie lang wohl ein Krokodil werden kann.
Die Betreuer hatten sich ins Zeug gelegt: Alte Schätze aus der Modell-Sammlung geholt, Libellen-Larven aus Tümpeln gefischt und einen Miniatur-Ameisenstaat angelegt. Unterm Binokular konnten die Besucher Fruchtfliegen-Larven rumkriechen sehen oder die Zebrafisch-Brut bewundern. In Aquarien schwammen Krallenfrösche. Es gab Gläser mit Bohnenkäfern und zugeklebte Petrischalen mit krabbelnden Wanzen. In einer abdunkelbaren Kammer warteten ein fluoreszierender Skorpion und Leuchtkrebse auf Neugierige.
Stolz wanderte mein Großer schließlich mit lauter „Richtig“-Häkchen und dem gewonnenen Plastik-Frosch aus dem Kursräumen. Als wir uns bei den Physikern ein Stück weiter mit leckerem Kuchen stärkten, durfte er dann entscheiden, wo’s weiter gehen soll. Zu meiner Überraschung zog’s ihn in die Mathematik. Ich befürchtete, dass es da vielleicht zu schwierig zugehen könnte. Die Zeit des Kinderprogramms war nämlich inzwischen vorbei. Aber wie sich herausstellen sollte, war die Mathematik eine sehr gute Wahl.
Bei den Mathematikern versuchten wir uns erst an Optimierungsproblemen. Mussten kürzeste Wege finden oder eine Kiste mit verschieden großen Holzquadern so packen, dass alles bündig reinpasst. Auch hier halfen engagierte Betreuer mit viel Humor und Geduld und versuchten den wuselnden Massen einen kleinen Einblick in ihre Wissenschaft zu liefern.
Ein paar Räume weiter lockte dann der Animationsfilm „Flatland“ (Trailer auf Youtube) mit einer erstaunlichen Geschichte über das Leben von zweidimensionalen Figuren in einer Diktatur von Kreis-Priestern, die das geheime Wissen über eine dritte Dimension unterdrücken. Ich dachte, ihm würde es langweilig werden, weil der Film auf Englisch war und ich nur stark zusammenfassend und flüsternd übersetzen konnte, aber er verfolgte die Figuren genauso gespannt staunend wie ich auch, die ganzen 45 Minuten. Ist wirklich sehenswert!
Dreidimensional geometrisch ging es dann auch weiter. Mit dem Bau von archimedischen Körpern klang für uns der Abend aus. Aus dreieckigen Flächen bauten wir mit einfachen Gummibändern Tetraeder, Oktaeder und Icosaeder. Mit Vierecken kamen Pyramiden und Würfel dazu. Und wenn es nicht schon so spät gewesen wäre, hätten wir uns bestimmt noch an Größeres gewagt, so viel Spaß machte das.
Tja, hätten wir sowas im Mathe-Unterricht gemacht, hätte mich das Fach in der Mittelstufe vielleicht nicht so gequält. Aber ich glaube nicht, dass meinem Großer ein ähnlicher Mathefrust blühen wird. Er hat jetzt schon ein viel liebevolleres Verhältnis zu Zahlen und co. als ich es jemals hatte. Im Bus nach Hause meinte er sogar: „Mama, beim nächsten Mal sollen wir gleich bauen gehen!“