Von Ideologie korrumpiert – wenn Naturschutz und Transparenz die falschen Anwälte haben

Sie warnen vor der Macht der großen Branchenlobbys, sind aber selbst zutiefst korrumpiert – von Dogmen, Feindbildern und einem Glauben, der nicht überprüft werden darf. Wie NGOs mit grün-linksalternativem Populismus Demokratie und Wissenschaft gefährden.

In einer Erklärung, die „Corporate Europe Advisory“ (CEO) am letzten Freitag auf ihrer Website veröffentlichte, wirbt die Nicht-Regierungsorganisation noch einmal für die Abschaffung des Wissenschaftlichen Beraterpostens der EU.

Die NGO ist neben Greenpeace Europe eine der 9 Organisationen, die den offenen Brief an den kommenden Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, unterschrieben haben, über den ich mich seit Ende Juli aufrege.

In dem neuen Text zeigen sich die selbsternannten Watchdogs der EU-Business-Lobby verwundert darüber, dass sich gerade Sense about Science in einem zweiten offenen Brief gegen sie stellte. Eine NGO, die doch einen scheinbar ähnlichen Kampf gegen Kräfte aus der Pharmalobby unterstützt – die Alltrials-Kampagne für Studientransparenz in der klinischen Forschung. Von Ideologie korrumpiert – wenn Naturschutz und Transparenz die falschen Anwälte haben weiterlesen

Selbst die Australier sind über den EU-Streit Greenpeace vs Wissenschaft besser informiert sind als die EU-Öffentlichkeit selbst

In den letzten zwei Wochen habe ich mich zwar gefreut, mit meinem kleinen Wissensküche-Blog hier etwas Aufmerksamkeit erzeugt zu haben für den Streit über die Wissenschaftliche Beratung in der EU.

Aber größer als diese Freude ist bei mir die Verwunderung darüber, dass die Berichterstattung zum Thema fast ausschließlich in englischsprachigen Medien stattfindet. Selbst Australien und die USA sind besser über den Konflikt informiert als die EU-Öffentlichkeit.

Noch erstaunlicher ist nur noch, wie wichtig das Thema Wissenschaftliche Beratung für die Politik offenbar in den letzten Jahren international geworden ist, ohne dass man in Deutschland davon etwas mitbekommen würde.

Selbst die Australier sind über den EU-Streit Greenpeace vs Wissenschaft besser informiert sind als die EU-Öffentlichkeit selbst weiterlesen

Wie eine Forscherbiografie machte, dass ich mich prüde fühlte, und warum ich sie trotzdem toll finde – Buchbesprechung „Die Neanderthaler und wir“ von Svante Pääbo

Ausschnitt_Cover_Neanderthaler_Buch

Svante Pääbo legt mit seinem Buch „Die Neanderthaler und wir“ eine überaus lesenswerte Autobiografie vor. Anhand der Entschlüsselung des Neanderthaler-Genoms und weiterer Erfolge der Paläogenetik erfahren Leser viel darüber, wie Forschung funktioniert. Für meinen Geschmack ist das Buch an einige privaten Stellen zwar zu freimütig (auch wenn das jetzt prüde klingt), aber Pääbos Offenherzigkeit sorgt im Rest des Buches für einen so persönlichen, authentischen Ton, dass bei mir als Leserin das tolle Gefühl entstand, die Entwicklung des neuen Faches aus nächster Nähe nacherleben zu können. Wie eine Forscherbiografie machte, dass ich mich prüde fühlte, und warum ich sie trotzdem toll finde – Buchbesprechung „Die Neanderthaler und wir“ von Svante Pääbo weiterlesen

Die Vitamin-Verschwörung

Dieser Text erschien im Juli 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Als Reaktion auf meinen Gentechnik-Beitrag erhielt ich eine Mail mit einer wahren Schimpf-Tirade. Besonders regte den Schreiber auf, dass wegen Gentechnik und der industrialisierten Landwirtschaft doch viel weniger Vitalstoffe im Essen sind als früher. Er sei dadurch quasi gezwungen, Vitamine in Tablettenform zu nehmen. Aber „diese PharmaMafia“ wolle ihm auch das noch wegnehmen. Jetzt sei nämlich pro Tablette weniger von den Vitaminen drin. Offensichtlich, so meinte er, seien Mächte am Werk, die ihn krank machen wollen, damit sie besser an ihm verdienen.

„Äääh… Was?“, dachte ich und war ganz verdattert. So wie ich immer verdattert bin, wenn Leute so weitreichende Verschwörungen für möglich halten. Und weil das alles so hanebüchen klang. Glaubte der Mann wirklich, was er da schrieb? Ich musste im Internet natürlich nicht lange suchen, um zu Seiten zu gelangen, die ins gleiche Horn stießen: Die größte Bedrohung jemals überhaupt seien diese Änderungen, hieß es da. Der freie Zugang zu Naturheilverfahren würde von einem perfiden, internationalen Kartell eingeschränkt.

Während ich las, fing ich immer breiter an zu grinsen und dachte mir: „Na, schau mal an, wer von dieser Panikmache am meisten profitiert…“. Denn ganz offensichtlich leben die Betreiber von Seiten, die am lautesten schreien, vom Verkauf alternativer Nahrungsergänzungsmitteln. In den Shops, die ich inspizierte, gibt es jedenfalls ein ganzes Arsenal von Kräuterextrakten und Essenzen, von Enzymen und Ölen, von VitaminMischungen und Mineral-Pülverchen zu kaufen.

Mir wurde klar: Von Nahrungsergänzungsmitteln lebt es sich offenbar am besten, wenn die Kunden glauben, dass ihre Gesundheit von diesen Pillen abhängt. Aber wie nur kann man diese Vorstellung im Kunden erzeugen? In unserem Teil der Welt, in dem Nahrung in Hülle und Fülle vorhanden ist? Das ist ja eigentlich absurd. Wie lässt sich bei Menschen das Gefühl von Mangel erzeugen in einer Zeit, in der sich jeder sogar im Winter frische Lebensmittel kaufen kann? „Wie geht das?“, fragte ich mich. „Denn das ist ja wie einen
Kühlschrank in der Arktis verkaufen!?“

Aber der Verkaufstrick ist ganz einfach: Man muss seinen Kunden nur weismachen, dass diese moderne Welt nur so tut, als würde sie uns gut ernähren. Man muss Kunden nur suggerieren, dass es eigentlich anders ist. Dass sie Mangel leiden, vielleicht ohne es überhaupt zu merken. Dass wir alle in Gefahr sind. Dass uns  schleichend, heimlich und nur für die Eingeweihten wahrnehmbar die für uns wichtigsten Stoffe geklaut werden. Dass wir über den Tisch gezogen werden von Mächten, gegen die wir nichts ausrichten können. Von Mächten, die so sind wie die grauen Männer bei Momo.

Nur dass sie unsere Vitamine klauen und nicht unsere Zeit. Was ich davon halte? Tja… ich halte das für eine sehr, sehr wirkungsvolle  Werbe-Botschaft. Daher hier meine Antwort:

Lieber Herr O.,

es ist gut, eine gesunde Skepsis zu haben gegen internationale Großkonzerne. Denn klar wollen die Geld verdienen. Und natürlich sind ihre Werbeversprechen immer zu vollmundig. Wir müssen wachsam sein und nicht alles glauben, was diese Firmen uns erzählen wollen. Und klar müssen wir der Pharma-Industrie genau auf die Finger schauen. Auch der Landwirtschaft natürlich und den Saatgut-Firmen. Aber wissen Sie, wem wir auch auf die Finger schauen müssen? Den Vitamin-Händlern und Ergänzungsmittel-Krämern! Denn auch bei denen, die ihre Kunden vor der Profitgier Anderer warnen, ist gesunde Skepsis angebracht. Vor allem wenn unsere Angst ihre Geschäftsgrundlage ist.

Beste Grüße,
Brynja Adam-Radmanic

Es gibt viele gute und vor allem unabhängige Informationsquellen darüber, wann und für wen Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sind, etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Robert-Koch-Institut (RKI) oder die Gesellschaft für Ernährungsforschung (GfE). Ganz aktuell hat auch die Stiftung Warentest einen gut verständlichen Text mit Empfehlungen auf Basis des derzeitigen Stands der Wissenschaft.

Dort wird auch ausführlich über die Nebenwirkungen bei Überdosierung bestimmter Vitamine, Mineralstoffe und  Spurenelemente gesprochen wird. Denn in den letzten Jahren
gab es einige klinische Studien, bei denen  Nahrungsergänzungsmittel nicht die erwartete prophylaktische Wirkung zeigten. Manchmal trat sogar ein gegenteiliger Effekt ein. So wissen wir heute, dass starke Raucher durch Einnahme von Vitamin A und seiner Vorstufe Beta-Carotin ihr Krebsrisiko nicht senken, sondern sogar erhöhen. Wir wissen auch, dass
Diabetikerinnen in einer Studie von Vitamin C nicht weniger, sondern mehr Herzkreislauf-Erkrankungen bekamen. Und auch die Einnahme von Vitamin E senkte in einer Studie bei
chronisch Kranken nicht etwa die Wahrscheinlichkeit zu sterben, sondern erhöhte sie sogar.

Es ist nämlich mit Nahrungsergänzungsmitteln wie mit Medikamenten auch: Eine bestimmte Pille kann für den Einen ein Segen sein, für den Anderen aber das Falsche. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen. Und es lohnt sich, beim Dosieren auf die neuesten Empfehlungen zu achten. Denn die Wissenschaft lernt jeden Tag dazu.

Gerade im Bereich der Vitamine hat sich unser Kenntnisstand enorm verbessert in den letzten Jahren. Wenn die empfohlene maximale Tagesdosis gesenkt wird, dann hat das einen guten Grund. Denn bei Vitaminen gilt nicht nur, dass zu wenig schadet und zu Mangelerscheinungen führt, es gilt auch, dass es bei einem Zuviel zu
Vergiftungserscheinungen kommen kann. Beim Vitamin B6 etwa  können bei Dosierungen höher als 50 Milligramm pro Tag Nervenstörungen auftreten.

Ich persönlich habe ja früher auch hin und wieder zu Vitamin- und Mineralstoff-Pillen gegriffen. In Lebensphasen etwa, in denen ich dachte, ich lebe so ungesund, dass ich zwischendurch mal mit Vitaminen gegensteuern muss.

Wegen der möglichen Risiken von Vitamin-Überdosierungen nehme ich heute aber nur noch welche, wenn es vertrauenswürdige, offizielle Empfehlungen dazu gibt. So gibt es bei uns im Haushalt Fluorid in der Zahnpasta und Jod im Salz. Während der
Schwangerschaften nahm ich Folsäuretabletten und die Kinder bekamen Vitamin K nach der Geburt und Vitamin D im ersten Lebensjahr.

Mehr braucht in unserem Überflussland kaum jemand. Da sind sich die Experten einig.

Bitte? Welche Lobby fordert grad die Abschaffung wissenschaftlicher Beratung in der EU?

Dreimal darfst du raten, welche Lobbygruppe  letzte Woche die Abschaffung des wissenschaftlichen Beraters der EU gefordert hat, weil es ihnen nicht in den Kram passt, dass die EU-Kommission über den wissenschaftliche Konsens zu politisch wichtigen Themen informiert wird?

Hat das echt jemand gefordert?

Ja, wirklich!

Na, vielleicht die Erdöl- und Kohlefirmen. Schließlich ist sich die Mehrheit der Klimaforscher einig, das die Verbrennung von fossilen Brennstoffen eine der Hauptursachen für die Erderwärmung ist. Das passt der Industrie sicher nicht. Könnte mir vorstellen, dass sie es lieber hätten, wenn sich EU-Politiker nur von Klimaskeptikern beraten lässt – auch wenn sie eine Minderheit der Forscher sind.

Klingt plausibel. Aber nein, die waren’s nicht.

Bitte? Welche Lobby fordert grad die Abschaffung wissenschaftlicher Beratung in der EU? weiterlesen

Geliebtes Feindbild Gentechnik – mein Kommentar zu „Die Propaganda-Schlacht um die Gentechnik“

Es gibt etliche Reaktionen auf meinen Text Ist Gentechnik schädlich?, die sinngemäß sagten: Auch wenn die Gentechnik selbst nicht gefährlich wäre, ist meine Ablehnung dennoch rational. Es ist doch schließlich so vieles schlecht, was mit ihr zusammenhängt.

Dieser populistischen Logik  folgt leider auch die ARD-Doku „Die Propaganda-Schlacht um die Gentechnik“. Um das Feindbild  zu bestätigen, reicht es offenbar aus, Gentechnik in nur ganz lose Assoziation zu bringen mit Dingen, die alle empören. Ob die einzelnen Vorwürfe stimmen, ist offenbar auch vollkommen egal.

Geliebtes Feindbild Gentechnik – mein Kommentar zu „Die Propaganda-Schlacht um die Gentechnik“ weiterlesen

Ist Gentechnik schädlich?

Dieser Text erschien im Juli 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Gentechnik an Nahrungspflanzen ist wie Sex in der Öffentlichkeit. Es kann aus moralischen Gründen abgelehnt werden. Aber nicht aus gesundheitlichen.

Vorletzte Woche erhielt ich eine Mail von einem Blog-Leser namens Marcel G.. Es war eine lange Mail. Eine sehr lange. Denn er wollte etwas loswerden. „In Bezug auf Gentechnik.“ Ein paar Zeilen später wurde klar, warum er mir so ausführlich seine Bedenken gegenüber dieser Technologie darlegt. Er schrieb, ich hätte gesagt, es gäbe „bis
jetzt keine negativen Konsequenzen aus Gentechnik. Das stimmt so nicht.“ Dann folgten aber nur eine Menge reichlich hypothetischer Gefahren, wie er auch selbst zugab.

Weil meine Antwort auf Marcels Mail immer länger und länger wurde und ich lauter Sachen schrieb, über die ich eh schon längst mal einen Blog-Text schreiben wollte, habe ich – in Absprache mit Marcel – beschlossen, öffentlich zu antworten.

Lieber Marcel,
ich würde mich gar nicht explizit als Befürworterin von Gentechnik bezeichnet. Weil sie mir eigentlich gar nicht so wichtig ist. Ich hab an Gentechnik kein persönliches Interesse. Weder finde ich sie besonders cool, noch denke ich, dass sie die einzige Lösung für
wichtige Welt-Probleme ist. Eigentlich denke ich „nur“, dass sie eine Technologie ist wie jede andere auch. Für mich als Biologin ist sie einfach neutral ein Werkzeug für Forschung und Anwendung.

Dass ich auch die Pflanzen-Gentechnik für eine normale Technik in der Züchtung halte, macht mich in den Augen von Gegnern aber natürlich zu einer von der Gegenseite. Denn dadurch sehe ich die Sache fundamental anders als z.B. du, für den es ganz selbsterklärend ist, dass diese Anwendung von Gentechnik riskant ist. Das liegt für Gegner auf der Hand. Es kann für sie gar nicht anders sein. Es ist für sie einfach offensichtlich, dass es sich bei Pflanzen-Gentechnik um etwas ganz Bedrohliches handelt.

Zwischen Befürwortern und Gegnern tut sich daher ein großer Graben auf. Für jemanden wie mich, der Gentechnik als normale Technologie sieht, reicht es, wenn Zulassungsbehörden und Wissenschaft feststellen, dass die Produkte dieser Technologie
sicher sind. Aber für jemanden, für den Gentechnik etwas völlig Neues, Mächtiges und Unkontrollierbares ist, für jemanden, der sich gentechnisch veränderte Organismen als künstliche, tickende Zeitbomben vorstellt, den überzeugen offensichtlich keine
Sicherheitstests.

Auch du redest ja von den berühmten „unabsehbaren Folgen“. Du schreibst, eine Genpflanze sei vielleicht „nicht sofort giftig“, aber das heiße ja nicht, dass es nicht langfristig doch ungesund ist. Auch für die Umwelt beschwörst du namenlosen Schrecken, den man sich ja „ausmalen“ könne. Denn: „Sollte dann doch einmal etwas schief gehen (und das wird es, […]) dann ist es kaum umkehrbar“.

Du sagst von dir selbst, du seist einfach vorsichtiger und zu Recht weniger optimistisch als die Befürworter. Aber ich denke, das trifft es nicht. Denn die Art deiner Argumentation zeigt nicht etwa, dass du erstmal bei Anderen gucken will, wie’s läuft, dir mehr Zeit lässt
und abwartest. Nein, die Argumentation läuft drauf hinaus, dass man gentechnisch veränderte Pflanzen gar nicht anbauen oder essen sollte.

Und die beschworenen Gefahren sind so wolkig beschrieben, dass sie nicht testbar sind. Es sind so generelle Bedenken, dass man sie nicht ausräumen kann. Dass Gentechnik eine Gefahr ist, ist klar und soll – so wie ich es sehe – auch nicht widerlegbar sein. Damit wird
das Ganze in meinen Augen zum echten Vor-Urteil. Dass  Genpflanzen“ gefährlich sind steht nicht am Ende deiner Argumentation, sondern ist ihr Anfang. So wie bei vielen
Anderen auch.

So erkläre ich mir jedenfalls das Phänomen, dass das Gefühl der Gegner, es hier mit etwas von Grund auf Schädlichem zu tun zu haben, offenbar schwerer wiegt als die hunderte von Studien, die keine negativen Folgen feststellen konnten. Dass es schwerer wiegt als das Urteil aller Behörden, von den deutschen (BfR) über die europäische (EFSA) bis zur weltweiten (WHO), die bisher weder gesundheitliche noch ökologische Gefahren nachweisen konnten. Dass es schwerer wiegt als die Erfahrung in anderen Ländern, wo die
Produkte ja schon jahrelang ohne Probleme konsumiert werden.

Und dieses schwer wiegende Bedrohungsgefühl ist längst immunisiert gegenüber der Frage, warum man die angebliche Gefährlichkeit von „Genfood“ denn nicht nachweisen könne. Wobei deine Zusatzannahme, um das zu erklären, ja glücklicherweise eher in die Richtung gehen, dass wir einfach noch nicht genügend wissen und verstanden hat, um die Folgen überhaupt abzusehen.

Ich war ja froh, dass du nicht zu den aggressiveren Zeitgenossen gehörst, die die NichtBeweisbarkeit ihrer Szenarien mit  Verschwörungstheorien immunisieren. Mit der Annahme z.B., dass die Experten der Studien wahrscheinlich alle von den Unternehmen gekauft sind, die an den Produkten verdienen.

Wahrscheinlich würden diese Leute auch bei mir annehmen, dass ich auf der Lohnliste eines Saatgut-Unternehmens stehe, weil ich mich so hartnäckig weigere, Gentechnik als das Übel anzusehen, was es in ihren Augen ist. Aber ich kriege kein Geld von Gentech-Firmen. Ich bin nur eine kleine Biologin, Bloggerin und  Wissenschaftsjournalistin, die ihre Meinung sagt.

Man kann mich auch schlecht als blind technologiegläubig bezeichnen. Ich verspreche mir von Gentechnik gar nichts Besonderes. Weder persönlich, noch gesellschaftlich. Es gibt ja
Leute, die meinen, dass Gentechnik helfen wird, endlich den Hunger der Welt zu stillen. Das glaube ich nicht. Vielleicht leistet es einen kleinen Beitrag. Aber den größeren müssten politische Maßnahmen leisten.

Nein, die beworbenen Vorteile von Gentechnik betreffen vor allem Landwirte, die das Saatgut gentechnisch veränderter Pflanzen kaufen. Die veränderten Eigenschaften der Pflanze sind abgestimmt auf sie als Kunden. Weniger Arbeit, weniger Risiko von Ernteausfällen, mehr Ertrag. Weil die Pflanzen diese  Versprechungen meist auch halten, wird ihr Saatgut von den Bauern weltweit gekauft.

Für mich ist die Frage der Technologie, die für die Züchtung neuer Sorten verwendet wird, eine so neutrale, landwirtschaftsinterne Angelegenheit, dass es mir – um ehrlich zu sein schlicht egal ist, ob auf deutschen Feldern oder sonstwo nun gentechnisch veränderte
Pflanzen wachsen oder nicht. Ich habe keine eigenen Wünsche oder Hoffnungen dazu.

Was mich aufregt, ist nur das gestörte Verhältnis von Gentechnik-Gegnern zur Wissenschaft. Weil ihre Argumentation oft so pseudowissenschaftlich ist. Sie tun so als interessierten sie sich für die Ergebnisse von Studien. Aber dann akzeptieren sie nur die,
bei denen das rauskommt, was sie erwarten. Und das sind nur wenige, kleine, schlecht gemachte Studien.

Das regt mich auf. Aber sonst?

Ich denke sogar oft: Naja, wenn alle meinen, das sei gefährlich, dann gibt es in Deutschland halt keine Lebensmittel, die mit Hilfe von Pflanzen-Gentechnik hergestellt wurden. Das ist Demokratie, oder? Wenn sich die Mehrheit von etwas bedroht fühlt, dann lassen wir das halt. Inzwischen bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob das die richtige Haltung ist. Sollte man es wirklich so schulterzuckend hinnehmen, wenn die Politik sich an diffusen Bedrohungsgefühle aus dem Bauch des Volkes orientiert, die pseudowissenschaftlich
untermauert werden? In anderen Politik-Feldern nennen wir so was Populismus.

Sagen wir mal so: Dass Studien zur Sicherheit von „Genfood“, die von
Zulassungsbehörden und Sicherheits-Forschern weltweit durchgeführt wurden, bisher keine negativen Effekte messen konnten, könnte in einem sehr unwahrscheinlichen Szenario heißen, dass alle Wissenschaftler bisher irgendwas Wichtiges übersehen haben. Die wahrscheinlichste Erklärung ist aber:
Dass es schlicht keine negativen Effekte gibt!

Ich weiß nicht, wie das bei dir ist. Aber wenn jemand diese für mich einfachste und logischste Erklärungsmöglichkeit so gar nicht auf dem Schirm hat, dann wittere ich bei meinem Gegenüber eher moralische Gründe für die Ablehnung. Denn natürlich kann man
eine ganze Technologie wie die Gentechnik aus moralischen Gründen ablehnen. Das ist legitim. Was soll man dagegen sagen? Mit Gentechnik-Gegnern, die moralische Grenzen als Grund für ihre Ablehnung angeben, komme ich eigentlich auch am besten klar. Sie sind ehrlich und bei ihnen ist klar, auf welchem Boden die Diskussion stattfindet.

Viel schwieriger finde ich es, wenn jemand meint, er argumentiere auf der rationalen Ebene, sich die Argumente aber überhaupt nicht danach anhören. Wenn jemand Gentechnik verwerflich findet, aber nicht über diese empfundene Unmoral redet, sondern nur über die von ihm daraus gefolgerten Erwartungen an die Fakten.

Würde man die Argumentationen vollständig hinschreiben, sähen sie so aus: „Weil die Manipulation von Genen für mich die Überschreitung eines Tabus ist, erwarte ich, dass diese Handlung auch gefährlich sein muss und schlimme Konsequenzen hat.“ Oder so: „Weil ich es moralisch abstoßend findet, wie das Produkt hergestellt wird, erwarte ich, dass dieses Produkt auch schädlich sein muss, z.B. giftig für den Menschen oder die Umwelt.“

Aber eine solche Argumentation ist unzulässig, weil sie auf einem sogenannten moralistischen Fehlschluss beruht. Tatsächlich gibt es nämlich keinen solchen Zusammenhang zwischen dem, was Menschen moralisch gut oder böse finden und den wissenschaftlich nachweisbaren Eigenschaften von Dingen und wie sie auf uns wirken. Es gibt seit Jahrzehnten sehr gute Tests und Studien-Designs, um festzustellen, ob etwas giftig ist oder sonstwie schädlich. Ob ein Stoff die Haut reizt oder besonders allergen ist, ob er leberschädigend ist oder krebserregend, ob er Wasserlebewesen schädigt oder Bienen. Das können wir alles gut feststellen. Und das ist sehr wichtig.

Aber dabei hat sich eins sehr deutlich gezeigt: Ob ein Stoff künstlich hergestellt wurde oder natürlich vorkommt, erlaubt keinerlei Vorhersage darüber, ob dieser Stoff schädlich ist. Natürliche Stoffe können schädlicher sein als künstliche. Und künstliche können z.B. als Medikament wirksamer sein als natürliche. Und anders rum. Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen Ursprung des Stoffes und seiner Wirkung. Entscheidend sind allein seine chemisch-physikalischen Eigenschaften.

Gleiches gilt für gentechnisch veränderte Organismen. Natürlich könnten wir Lebewesen gentechnisch so verändern, dass sie uns danach schaden. Etwa wenn jemand einen Krankheitserreger im Labor gentechnisch so verändert, dass er gefährlicher wird. Aber dann ist dieser Erreger schädlicher, weil die reingebrachte Eigenschaft sein Potential erhöht hat uns krank zu machen, und nicht weil die Integration auf gentechnischem Wege passierte.

Wenn dieser Erreger das Gen auf natürlichem Wege durch  Austausch mit seinen Bakterien-Kollegen erhalten würde, hätte er danach das genau gleiche erhöhte Potential uns krank zu machen. Für die erzielte Wirkung ist nämlich der Weg der Entstehung völlig
unerheblich.

Wenn etwas von uns Menschen künstlich verändert wird, lässt das keine Vorhersage darüber zu, ob es danach harmloser oder schädlicher ist als das natürliche Pendant. Es ist beides möglich. Je nachdem, was wir ändern. Denkbar ist ja genauso, dass wir eine
Pflanze, die für uns normal giftig wäre, dadurch essbar machen. Wenn wir das Gen für den Giftstoff gentechnisch aus dem Erbgut der Pflanze entfernen, dann würde sie, die sonst für uns giftig ist, in ihrer gentechnisch veränderten Version plötzlich genießbar.

Die durch Gentechnik eingebrachten Veränderungen an Nahrungspflanzen werden aber in der Praxis so ausgesucht, dass sie für uns als Esser gar nichts ändern. Sie sollen für den Konsumenten ja neutral sein. Dass das auch so ist, muss man natürlich überprüfen. Aber das kann man ja und das tut man auch. Ob uns oder anderen Organismen etwas schadet, ist ja etwas Messbares. Unabhängig von der moralischen Bewertung der Prozesse, lassen sich die realen Wirkungen bestimmen, die die beteiligten Stoffe aufgrund ihrer chemisch-physikalisch-biologischen Eigenschaften haben.

Man kann nur mit naturwissenschaftlichen Methoden zeigen, ob etwas schädlich ist oder unbedenklich. Wie denn sonst? Wenn es diese Frage ist, die man gerne geklärt haben will, dann gibt es keine Alternative zu wissenschaftlichen Studien. Aber ist es überhaupt diese Frage, die Gegner wirklich umtreibt?

Ein wichtiger Schritt, um das zu klären, ist folgende Frage: Warum sind Gentechnik-Gegner nicht erleichtert, wenn Studien zeigen, dass eine gentechnisch veränderte Pflanze doch nicht gefährlich ist? Denn das wäre doch die normale Reaktion, wenn man Gegner ist, weil man vorsichtig, pessimistisch oder ängstlich ist im Hinblick auf eine neue Technik, und dann rauskommt, dass man seine Vorsicht ablegen kann.

Warum ist die übliche Reaktion nicht Erleichterung, sondern Wut? Und warum passt es Gentechnik-Gegnern so dermaßen nicht in den Kram, dass „Genfood“ harmlos ist? Wenn man mit der Wissenschaft unzufrieden ist und die hundertste Studie, die Unbedenklichkeit attestiert, auch wieder wütend ablehnt, dann sollte man vielleicht ehrlich zu sich und zur Welt sein und sagen: Mir ist egal, ob das Zeug unbedenklich ist oder nicht, denn ich lehne es aus ganz anderen Gründen ab. Aus moralischen.

Dieses Eingeständnis fände ich persönlich nicht nur völlig legitim, sondern auch notwendig. Es ist ja wichtig zu wissen, warum man etwas ablehnt. Es gibt viele Sachen, die ich aus moralischen Gründen ablehne. Sex in der Einkaufszone zum Beispiel. Und mein Urteil in dieser Sache ist ganz unabhängig davon, welche rationalen Gründe es dafür oder dagegen geben sollte. Auch wenn man mir nachweisen
würde, dass öffentlicher Sex gesundheitlich unbedenklich wäre und vielleicht sogar nützlich – ich würde ihn trotzdem ablehnen.

Und weil es eine moralische Frage ist, lehne ich dieses Verhalten nicht nur für mich ab, sondern würde auch nicht wollen, dass es Andere machen. Weil es mir unangenehm ist. Weil es für mich eine fühlbare Grenze überschreitet. Mir ist dabei aber bewusst, dass diese Grenze eine ist, die aus Normen und Werten in mir
und um mich herum entstanden ist. Durch die Kultur, in der ich aufgewachsen bin. Ich könnte für diese Grenze keine rationalen, wissenschaftlichen Gründe finden. Ich käme auch
nicht auf die Idee, welche zu suchen. Weil es keine gibt.

Das, was mich bei der Gentechnik-Diskussion fertig macht, ist nicht, dass Menschen wie du sie ablehnen, damit habe ich – wie gesagt – kein Problem, sondern nur, dass du und so viele Andere versuchen ihre moralischen Grenze in dieser Sache mit Schein-Argumenten
auf der Sach-Ebene zu verteidigen. Das ist so als würde jemand öffentlichen Sex verbieten wollen mit der Begründung, dass er
ganz bestimmt gesundheitsschädlich ist. Das ist ein absurder, unzulässiger Übergang zwischen moralischer und wissenschaftlicher Argumentation. Noch absurder wäre es nur,
wenn man es dann der Wissenschaft vorwirft, dass Studien die erwartete Gesundheitsschädlichkeit von öffentlichem Sex nicht zeigen können.

Genau sowas machen Gentechnik-Gegner ständig. Sie stellen die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in Frage, nur weil sie erwarten, dass wissenschaftliche Studien auf Sach-Ebene bestätigen, was sie selbst als Grenzüberschreitung empfinden. Und wenn die Wissenschaft das nicht bestätigt, dann nehmen sie an, dass mit der Studie, dem Forscher oder sogar der gesamten Wissenschaft was nicht stimmt.

Aber das einzige, womit was nicht stimmt, ist die Erwartung, dass sowas wie Schädlichkeit mit einer gefühlten Verwerflichkeit Hand in Hand gehen muss. Die Erwartung, dass Wissenschaft Gründe für ein moralisches Urteil liefern kann. Das kann sie nicht. Weil es
diesen Zusammenhang nicht gibt. Weil Moral etwas ist, was Menschen empfinden, was sie in Regeln gießen und tradieren, aber nicht etwas, was man messen kann oder auch nur aus
Messungen folgern kann.

Ich will dir deine Ablehnung der Pflanzen-Gentechnik nicht ausreden. Die ist ok. Aber ich habe einen Wunsch: Bitte untergrabe nicht dein Vertrauen in die Wissenschaft oder das der Anderen, indem du den Forschern vorwirfst keine rationalen Gründe für ein Verbot liefern zu können. Auch wenn es niemals sachliche Argumente gegen die Gentechnik geben sollte, kannst du sie weiterhin ablehnen. Aus völlig legitimen, aber eben
moralischen Gründen. Danke!

Mit besten Grüßen,
Brynja


Nachtrag vom 6.7.14, 18:20: Wer sich, bevor er sich hier in die Debatte schmeißt, auf den neuesten Stand bringen will, was die Wissenschaft zum Thema Pflanzen-Gentechnik überhaupt so sagt, auch interdisziplinär, dem sei die Kurzfassung des aktuellen Gentechnologie-Bericht empfohlen. Oder überhaupt das ganze Informationsangebot gentechnologiebericht.de

Affen feiern nicht Geburtstag – Evolution für Kindergarten und Grundschule (2) – Die Entwicklung des Menschen

Menschen-Evo3

„Wie entstand der erste Mensch?“ – In meiner ersten Bio-Stunde für den Kindergarten war es um Dinos und den Ursprung der Tiere gegangen. In der zweiten plauderte ich mit den Kindern über die Evolution des Menschen. Affen feiern nicht Geburtstag – Evolution für Kindergarten und Grundschule (2) – Die Entwicklung des Menschen weiterlesen

Das Geheimnis der ersten Blätter

Dieser Text erschien im Juni 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Wer schon mal Samen gepflanzt hat, kennt es: Das erste Grün, was aus der Erde lugt, besteht oft aus zwei Blättern, die ganz anders aussehen als alle, die danach kommen. Aber warum eigentlich?

Ich habe ja ein gespaltenes Verhältnis dazu, als Biologin für alle Fragen zuständig zu sein, die mit Lebewesen zu tun haben. Denn oft
tauchen diese Fragen bei Themen auf, die sehr anwendungsbezogen sind und zu denen jeder Praktiker mehr sagen kann als der Durchschnitts-Biologe. Biologen kennen sich heute in der Regel mit Genen und Zellen aus. Sie können mit DNA hantieren und Mikroskope bedienen. Aber es ist alles andere als gesagt, dass sie außerdem noch Ahnung haben von den Schädlingen an Omas Zimmerlinde. Oder dass sie den Schimmelpilz bestimmen können, der neuerdings im Badezimmer des Nachbarn wächst.

Um in Familie und Bekanntenkreis zu beweisen, dass man als Biologin überhaupt von irgendwas Ahnung hat, was Leute wirklich
interessiert, freue ich mich daher immer riesig über Fragen, bei denen die Art von Wissen gefragt ist, die Biologen tatsächlich an der
Uni lernen, wie die nach den auffälligen ersten Blättern vieler Pflanzen.

Weil auf dem Fensterbrett der leidenschaftlichen Gärtnerin der Familie wieder allerhand wuchs, was bald draußen üppige Ernte bringen soll, kam ich mit meiner Schwägerin auf ein auffälliges Phänomen zu sprechen:

Wir hingen mit unseren Köpfen unter der Gardine und bewunderten die vielen kleinen Pflänzchen, als sie mich fragte, woran es
eigentlich läge, dass die Sämlinge immer erst diese zwei Blätter haben, die überhaupt nicht so aussähen wie die der späteren Pflanze und das egal ob man Tomaten gesät habe oder Radieschen, Zucchini oder irgendeine Kohlsorte.

Was sie da als „anders“ identifiziert hat, sind die sogenannten Keimblätter. Für die Pflänzchen, die mit zwei von ihnen zur Welt kommen, ist dieses Merkmal tatsächlich so charakteristisch, dass es seit dem 17. Jahrhundert dazu diente, sie in der Pflanzenwelt als eine Gruppe zusammenzufassen. Und die Gemüse-Sämlinge auf der Fensterbank gehören eindeutig zu dieser Gruppe sogenannter
Zweikeimblättrigen.

Später im Garten finden wir auch Pflanzen, die zu der anderen Gruppe der Bedecktsamer gehören – den Einkeimblättrigen. Auch sie sind wohlbekannt. Es sind die Sämlinge von Gras und von Mais, von Zwiebel und von Knoblauch, bei denen jeweils nur ein erstes Blättchen aus der Erde kommt und nicht zwei.

Bei den Zweikeimblättrigen ist aber viel auffälliger als bei den Einkeimblättrigen, dass diese ersten Blätter anders sind als die, die
danach kommen. Es ist ihnen viel deutlicher anzusehen, dass es die einzigen Blätter sind, die es schon im Embryo gab. Denn das ist mit
dem Begriff Keimblätter gemeint.

Es handelt sich ja bei so einem Samenkorn um nichts anderes als einen winzigen Pflanzen-Embryo in einem Ruhestadium. Er kann Jahre und manchmal sogar Jahrzehnte bis Jahrhunderte überdauern. Aber wenn Wärme und Feuchtigkeit passend sind, legt er einen Kickstart hin. Auf diesen ist der Embryo gut vorbereitet, weil alles Wichtige schon vorangelegt ist.

Jede der Zellen im Embryo „kennt“ schon ihr Schicksal. Sie „weiß“, ob sie im Fall der Fälle helfen wird die erste kleine Wurzel zu bilden
oder ob sie bei der Keimung die zarte, kleine Sprossachse mit aufbaut. Und ein sehr großer Teil der embryonalen Zellen im Samenkorn sind eben schon festgelegt darauf, ein Teil der Keimblätter zu sein.

Besonders auffällig ist der Aufbau des Pflanzenembryos bei den Bohnen, Erbsen und anderen Hülsenfrüchten. Wer vorm Essen die
Samenhülle dieser Zweikeimblättrigen beschädigt, sieht sofort, dass das Innere des Samens zum größten Teil aus diesen zwei länglichen Halbschalen besteht.

Bei diesen beiden Hälften, in die Bohnenkerne, Erbsen und Linsen zerfallen können, handelt es sich um nicht Anderes als die beiden
Keimblätter. Sie nehmen den größten Teil des Embryos ein. Weil sie bei Hülsenfrüchten zudem als Speicherorgane für Eiweiße dienen,
stehen diese Pflanzensamen besonders hoch im Kurs, die einen Ersatz für Fleisch und anderes tierisches Eiweiß suchen.
Hülsenfrüchte sind aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass Zweikeimblättrige sich bei der Keimung nicht immer gleich offensiv als solche outen. Die Gartenbohne keimt zwar so, dass wir ihre Keimblätter über der Erde zu sehen kriegen. Ihre Verwandte, die
Gartenerbse aber, zeigt uns ihre zwei Keimblätter bei der Keimung nie. Sie spielen zwar eine große Rolle bei der Keimung, bleiben dabei
aber unter der Erde.

Weil es einige solcher Heimlichtuer unter den Zweikeimblättrigen gibt, lässt sich aus dem Fehlen von zwei einfachen Keimblättern also
nicht unbedingt schließen, dass eine Pflanze zu einer anderen Gruppe gehört.

Gedanken zu Wissenschaft und Gesellschaft, im Großen und ganz Kleinen