Ich habe für die aktuelle Ausgabe des Biologenmagazin Laborjournal über die Rolle der Biologie in der Geschlechterdebatte geschrieben. Anlass ist die Aufregung um ein Zusatzschild für die Freiburger Linnéstraße, das bundesweit für Kommentatoren rechts der politischen Mitte zu einem Symbol genderfeministischer Gefahr geworden ist.
Ich ergründe in dem Artikel, warum Carl von Linné Sexismus vorgeworfen wird und ob das aus biologischer Sicht gerechtfertigt erscheint. Außerdem plädiere ich dafür, sowohl die Bewertungen von linken Feministinnen mit Vorsicht zu genießen wie auch die der selbsternannten Wissenschaftsverteidiger rechts der Mitte:
Vom Feminismus geächtet, vom Rechtspopulismus umarmt
Beim Thema Geschlecht/Gender herrscht eine ungesunde politische Polarisierung. Sollte sich die Biologie gegen die Unterstellungen einer biophoben linken Ideologie wehren? Ja! Aber bitte ohne sich blind von rechts der Mitte vereinnahmen zu lassen. Weiterlesen –>> im Laborjournal-Heft 2017-05, S. 16 oder in der E-Paper-Ausgabe
Dies ist zugleich der erste Beitrag der geplanten Blog-Serie „Feminismus vs. Biologie?“
Aus biologistischer Sicht würde ich mir zu allererst die Frage stellen, was ein Mann überhaupt damit zu schaffen hat, wenn sich eine Frau umfassend um ihr Kind kümmert und somit dem Ruf ihres Geschlechts Folge leistet, zumal die weiblichen Investitionen in die Brutpflege unentgeltlich erbracht werden.
Bezieht sich dieser Kommentar auf den Artikel? Auf den ersten Blick würde ich sagen: Nein. Aber wer weiß… Welcher Mann in meinem Artikel soll den hier kritisiert werden? Das klingt ja so als hätte ich über einen Mann geschrieben, der Frauen ausreden will sich um ihre Kinder zu kümmern, was ja nicht der Fall ist. Also entweder wurde der Artikel nicht gelesen oder er wurde missverstanden. Außerdem habe ich die Vermutung meine Definition von „biologistisch“ ist eine andere.
Ich kann aus der Biologie nicht einmal ablesen, welche lebende Organismen ich töten darf und welche nicht. Was soll die Biologie dann zur der Geschlechterdebatte beitragen? Der Artikel „Vom Feminismus geächtet, vom Rechtspopulismus umarmt“ drückt ja aus, dass jedes Lager fälschlicherweise meint, dass die Biologie etwas zur Geschlechterfrage beizutragen hat.
Naja, ich denke schon, dass Biologie relevant ist, aber nicht in der Art, dass daraus moralisch irgendwas folgt. Aber sie ist relevant, weil unsere menschliche Natur bestimmt, wie schwer oder leicht die Regeln zu befolgen sind, die wir uns als Gesellschaft geben. Je weniger das eigentlich Wünschenswerte unserer individuellen und allgemein menschlicher Biologie entspricht, desto größer die Energie, die wir in Form von ständigem sozialem Druck reinstecken müssen um ein anderes Ergebnis zu erhalten und desto mehr Ausreißer wird es geben.
Da gebe ich dir hundertprozentig recht!!!
Ich vermute mal intuitiv und unwissend, dass es dazu noch keine Doktorarbeit gibt. Es wäre ein sau – interessantes Thema.
Zur Geschlechterfrage:
Warum gibt es beim Menschen nicht einfachheitshalber nur Männer? Würde es beim Menschen nur ein Geschlecht geben, dann wäre dieses Geschlecht allerdings weiblicher Natur, da sie ihre Kinder dann halt im ungeschlechtlichen Modus erhalten würden. Denn ohne Nachwuchs gäbe es nicht einmal Menschen. Somit ist auch geklärt, welches Geschlecht primär ist und was sich auch auf die primären Eigenschaften des weiblichen Geschlechtes hin erweitert, welche nicht geschlechtlich vorliegen.
Was ist die Grundlage der Geschlechterdefinition beim Menschen? Die sichtbaren Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Der Umstand, wer die Eizellen und die Spermien produziert? Oder ihre Gesamtfunktion im Zusammenhang mit dem Nachwuchs?
Die Schwangerschaft und die Säugung sind eindeutig biologischer Natur und sind im Zusammenhang mit dem Nachwuchs essentiell. Bei der Google Suche nach der Definition der Geschlechter beim Menschen wird dieser Bereich aber nicht genannt. Die Schwangerschaft wird entsprechend auf die befruchtete Eizelle hin definiert. Die jahrelange Brutpflege ist auch biologisch grundgelegt, welche dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann, wird aber wiederum nicht genannt.
Das sieht deutlich nach einem androzentrischen Weltbild aus, welche in der Biologie weiter getragen wird.
Hallo,
der Artikel scheint recht ausgeglichen; vor allem durch die Aussage, daß beide Seiten, die linken Genderologen wie die rechten Biologen, Fehler machten und keiner somit völlig Recht hat.
Pferdefuß dabei: Die Fächer der Genderologen (Soziologie, Pädagogik, Literatur….) gelten heutzutage als extrem politisiert, wie z.B. Robert Trivers* anführt. Es zeigt sich auch daran, daß Gender ursprünglich ja eine klar parteipolitische Position ist (grün-rot).
Die Naturwissenschaften hingegen weisen diesen Politisierungsgrad nicht auf. In den Forschungsprojekten der Biologen werden keine Positionen von Union, FDP oder AfD aufgearbeitet.
Die Vermischung von Parteipolitik und Wissenschaft in den Genderfächern führt natürlich zu stark verzerrten Ergebnissen, die wissenschaftlich kaum brauchbar sind. Das hat sich in der Vergangenheit bereits deutlich gezeigt.
*https://www.amazon.de/Betrug-Selbstbetrug-selbst-erfolgreich-bel%C3%BCgen-ebook/dp/B00ADMQP4A
Ich seh‘ es durchaus auch so, dass die Biologie politisch durchmischter ist als die Gender-Fächer und dass in ihren Theorien und Forschungsprojekten meist keine politische Agenda enthalten ist. Wie ich geschrieben habe, sehe ich die Ideologie-Gefährdung in der Biologie aber eher in dem, was nicht im Forschungsantrag oder im Lehrbuch steht, sondern was man an Annahmen über sich selbst hat. Es gibt eine gewisse Selbst-Idealisierung der Naturwissenschaften. Und die Annahme, die Erkenntnissen anderer Fächer seien für einen nicht relevant, ist verbreitet. Naturwissenschaftler können in ihrem Fach brillant sein, aber gleichzeitig erstaunlich naiv und technokratisch, wenn es um die Gesellschaft geht. Und ich denke, genau das macht einige anfällig für rechtslastige Behauptungen, die ihre Vorurteile bestätigen – etwa die, dass die gesamte Sozial- und Geisteswissenschaften ideologisch unterwandert sei. So schneidet man sich aber selbst von wichtigen Impulsen ab, die manchmal eine große Hilfe wären um über die eigene Wissenschaft nachzudenken. Naturwissenschaftsgeschichte oder Wissenschaftstheorie sind ja selbst keine naturwissenschaftlichen Fächer. Und die feministischen Geschmacksrichtungen dieser Fächer gibt es zwar natürlich, aber sie sind ganz sicher nicht die einzigen oder gar vorherrschenden.
Was heißt denn „Selbst-Idealisierung“? Das Erkenntnis-Modell der NW- und Technikwissenschaften ist unbestritten erfolgreich, was man von den Geistes-Sozial-Genderwissenschaften nicht behaupten kann. Wie Harald Martenstein so schön meinte, ist unsere moderne angenehme Welt von Technikern, Naturwissenschaftlern, Ärzten und Unternehmern geschaffen worden, und nicht von Soziologen und anderen Gesellschaftstheoretikern. (Die haben eher Katastrophen hervorgerufen, wie Marx etc.)
Daß MMINTler politisch naiv sein können, mag sein, aber ist das nicht eher ein Besserverdienenden- oder Akademikerproblem allgemein?
Und wieso führt das zu „Rechtslastigkeit“? Ich kenne genügend Biologen, Chemiker und Physiker, die in ihrer pol. Naivität vorgekaute grüne und Genderpositionen wiedergeben.
Daß Akademiker Erkenntnisse aus anderen Fächern ignorieren, ist unbedingt richtig. Und hat zwei Gründe:
1. Die Sozial-Geistes-Genderfächer produzieren heutzutage in der Masse abseitige Theorien, die kaum mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen sind (4000 Geschlechter….)
2. Die MMINT-Fächer produzieren heutzutage teils derart komplizierte Ergebnisse, die man nur verstehen kann, wenn man substantiell auf der Uni etwas gelernt hat. Wenn man sich aber stattdessen im Hörsaal weltfremde Theorien wie Gender ausdenkt bzw. diese auswendiglernt, fehlt einfach die Kompetenz.
Natürlich haben die MINT-Fächer die Vorraussetzungen unseres hohen Lebensstandards geschaffen, von größerer Lebenserwartung, mehr Komfort und Produktivitätssteigerung durch Technik. Aber daraus folgt ja nicht, dass MINTler automatisch auch gut darin wären, geistesgeschichtlich einflussreiche Ideen oder sozialwissenschaftliche Konzepte zu analysieren und zu kritisieren. Denn das methodische Handwerkszeug, was man dafür braucht, ist eben ein anderes. Einem Neurobiologen kann vielleicht niemand etwas erzählen über den spezifischen Sinnes- oder Nervenzelltyp, den er studiert, und die Signaltransduktionsprozesse, die für seine Funktion verantwortlich sind. Aber weiß er deswegen auch alles über das, der Hirnforscher nebenan mit den medizinischen Fragestellungen im Scanner untersucht? Oder was Kognitionspsychologen durch die Erforschung von menschlichem Verhalten in bestimmten experimentellen Situationen über die Verarbeitung von Wahrnehmung rausgefunden haben? Oder über erkenntnisphilosophische Einsichten? Oder über die Konzepte von Willensfreiheit aus rechtsphilosophischer Perspektive? Nein, natürlich nicht. In einer aus meiner Sicht idealen Welt sehen diese unterschiedlichen Forscher sich gegenseitig, achten sich und tauschen sich dort auch aus, wo ihre Gebiete überlappen. Und das passiert ja auch. Es passiert in den Gebieten wie der Geschlechterforschung nur noch zu wenig – auch weil die Genderperspektive hier mit viel politischem Druck alleine die Interpretationshoheit beansprucht. Das lehne ich ja auch ab. Aber dass Biologen allein die Interpretationshoheit beanspruchen, ist eben auch nicht zielführender.
Nun ja, es gibt Themen, die sind allgemein zugänglicher als z.B. Molekularbiologie. Um in diesem Gebiet mitreden zu können, brauch man schon eine gründliche Ausbildung.
Geschichte z.B. kann auf einem gewissen Mindestniveau durchaus von „Laien“ betrieben werden. So können Hobby-Heimatkundler durchaus in ihrem Mini-Gebiet mit Profs mithalten (tauschen sich auch aus).
Daher können Genetiker durchaus in der Politik mitreden.
Was das methodische Handwerkszeug angeht, nun ja. Das haben z.B. Soziologen im Grundstudium.
Aber wenden sie es an?
Nur teils, lehrt die Erfahrung. Die Ideologie wie Gender wird immer wichtiger. Das haben mir Sozialstudenten auch unmittelbar bestätigt („alle Powis und Sowis bei mir sind Marxisten“).
Die Biologie hatte mit Lyssenko und Hitler bereits ihren Sündenfall erlebt.
Die Sozial- und Geisteswissenschaften erleben ihn jetzt.
Daß SGler und MINTler im Geschlechterbereich gut zusammenarbeiten KÖNNTEN, ist unbestritten. Sie SGler wollen meist aber nicht mehr, sondern lieber ihre rotgrüne Ideologie „beforschen“. Da liegt das Problem.
Wie gesagt: Ich finde auch, dass wir darüber reden müssen, wie ideologisch einseitig geprägt das Menschenbild des heute vorherrschenden Feminismus ist und damit auch das der damit verknüpften Fächer. (Es ist übrigens meiner Meinung nach etwas, was nicht nur der betreffenden Wissenschaft schadet, sondern auch dem Feminismus.) Aber die Antwort darauf kann nicht sein, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wer in Reaktion darauf meint, die gesamte Geistes- und Sozialwissenschaft wäre wertlos, ist für mich halt genauso einseitig ideologisch. Nur von der anderen Seite.
Die Themen, um die es geht, verdienen eine ernsthafte, differenzierte, inhaltliche Auseinandersetzung. Und dazu brauchen wir eine Vielfalt wissenschaftlicher Disziplinen und eine Vielfalt weltanschaulicher Blickwinkel darauf. Ich kenne Biologen, die an dieser differenzierten Auseinandersetzung ernsthaft interessiert sind, und die sich Partner im geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich suchen und sie auch finden, wie etwa Norbert Sachser, mit dem ich vor 3 Jahren ein Interview für das Laborjournal geführt habe, an dessen Ende er den Austausch mit der Philosophie als sehr fruchtbar beschreibt, während er mit Anderen noch nicht mal eine Diskussionsgrundlage sieht, weil sie die biologische Sicht auf den Menschen komplett ablehnen.
Es gibt Vielfalt in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Und wenn manche Biologen diese nicht sehen wollen und stattdessen alle in die gleiche Ideologie-Schublade stecken, wie unterscheiden sie sich dann von Gender-Einseitigen, für die alle Biologie Ideologie ist? Meiner Meinung nach gar nicht. Sie kehren deren Fehler nur um.
Vielfalt in den SGW gibt es mit Sicherheit nicht (mehr). Da muß sich eine Menge tun, damit diese Disziplinen wieder re-szientifiziert werden (sofern es dieses Wort gibt 🙂 ).
Das Problem wurde durchaus schon intern erkannt: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26168506
https://journals.cambridge.org/images/fileUpload/documents/Duarte-Haidt_BBS-D-14-00108_preprint.pdf
Was nicht heißen soll, daß es einzelne echte SG-Wissenschaftler wie Norbert Bolz gibt.
In der Masse aber sind die SGW für die Beurteilung der Geschlechterfrage (u.a.) unbrauchbar geworden.
Das mit dem Argument „alle haben etwas recht“ zu verdecken, wird der traurigen Realität nicht gerecht.
Tut mir leid, aber da muss ich vehement widersprechen. Ich habe in letzter Zeit einiges dazu gelesen und die aus meiner Sicht beste Kritik an den Fehlentwicklungen des heutigen Feminismus bzw. an der Ideologisierung bestimmter Wissenschaftsfelder kommt von Leuten, die selbst Geistes- oder Sozialwissenschaftler sind. Von Philosophinnen, Sozial- und Entwicklungspsychologen, Sprachforschern, Wissenschaftshistorikerinnen,…
Ich werde einige ihrer Bücher bzw. Gedanken hier im Blog in nächster Zeit vorstellen. Und die von dir/Ihnen (?) zitierten Forscher sind dazu auch sehr gute Beispiele. Unbestreitbar gibt es das Problem abnehmender politischer Diversität und einer Ideologisierung in einigen Fächern, aber die Diskussion darüber und auch die Gegenmaßnahmen sind längst auf dem Weg. Jonathan Haidt und der Erfolg seiner Heterodox-Academy ist das beste Beispiel. Aber man sieht es auch daran, dass der erste verlinkte Artikel seit seinem Erscheinen 2012 schon 159 Mal zitiert wurde und der zweite, 2014 erschienene 110 Mal (laut Google Scholar).
Es gibt außerdem gerade zu Geschlechterfragen sehr differenzierte Sichtweisen, wie ich festgestellt habe. Diese werden aber kaum öffentlich wahrgenommen, weil offenbar immer noch alle mehr daran interessiert sind, diese Fragen in einem Entweder-Oder-Endkampf inszenieren, in dem sich die, die meinen alles sei Kultur, und die, die meinen alles sei Biologie, gegenseitig als Ideologen beschimpfen (und beide recht haben). Ich empfinde das als äußerst unerquicklich und möchte dazu beitragen, das weite, gemäßigte Feld zwischen diesen beiden Extrempositionen/Schützengräben für eine echte Debatte zurückzuerobern.
Mh, ich gehe von dem aus, was ich lokal an Unistandorten höre und sehe. Da deutet sich noch keine Ent-Ideologisierung der SGW an. Wenn das auf dem Weg ist, um so besser.
Die Gendertheorie muß allerdings erst einmal ganz aus den Köpfen verschwinden. Sie ist nämlich eine komplett unwissenschaftliche Polit-Agenda wie Sozialdarwinismus oder Lyssenkismus.
Gibt es eigentlich Biologen, die davon ausgehen, daß Geschlechtsidentität ohne Umweltinput generiert wird? Das halte ich für ein Kampfargument der Genderologen.
Jedem Biologen ist klar, daß unser Hirn prädestiniert für die Aufnahme von Input ist. Deswegen sind wir Menschen.
Noch eine Nebenbemerkung zum Titel Deines Artikels im LJ: Mich hat gewundert, daß die AfD da erwähnt wurde. Es schien mir eine politische Zuschreibung für die Genderkritiker zu sein, die mit der Wirklichkeit nix zu tun hat.
Alice Weidel oder Storch können ja zitieren, wen sie lustig sind. Dafür können Axel Meyer oder Kutschera nichts. Sie haben nichts mit Parteien am Hut.
Da kommt der Verdacht auf, daß die Genderkritiker selber in die Nähe verfemter Gruppierungen gerückt werden sollen, um sie verdächtig zu machen. Leider eine heutzutage gängige, aber unredliche journalistische Unsitte.
Ja, ich hätte auch gedacht, dass die Einberechnung von Umweltinput für Biologen normal sein sollte. Und Umwelt ist in unserer Spezies eben zu einem großen Teil eine soziale und kulturelle Umwelt und damit eben Untersuchungsgegenstand der Sozial- und Geisteswissenschaften. Und nein, man kann deren gesamte Forschung nicht einfach durch eigene Beobachtungen ersetzen. Das ist naiv – und vermessen.
Das Titelbild ist nicht von mir, sondern von der Redaktion. Wobei mich das nicht gestört hat. Es ist für mich keine Aussage über Partei-Nähe von irgendwem, sondern nur ein Label für die sich gegenüberliegenden Meinungspole in diesen Fragen. Denn es ist keine weit hergeholte Annahme, dass unter AfD-Wählern sowohl die Ablehnung von genderfeministischen Konzepten wie auch die Zustimmung zu den politischen Aussagen von Meyer und/oder Kutschera am höchsten sein dürfte. Genau andersrum dürfte es sich z.B. bei Wählern der Grünen verhalten.
Ist „AfD“ ein Schimpfwort? Ja, bei vielen links der Mitte ist es das. Aber andererseits auch nicht mehr als „Feministin“ am anderen Pol eins ist, oder? Einen Gedanken als „voll AfD“ zu bezeichnen ist von der Rot-Grünen-Fraktion, die sie meinen, natürlich abwertend gemeint. Aber etwas als „durchgegendert“ zu bezeichnen ist von den üblichen Gender-Gegnern doch ebenso abwertend gemeint. Also ich finde, das gibt sich nichts. Das „In-die-Nähe-Rücken“ von abgewerteten Gruppen/Personen, das können doch beide Seiten gut. Von links schreit man „Alles Hitler!“ und von rechts schreit man „Alles Stalin!“ um die Gedanken und Einwände der anderen Seite zu diskreditieren. Und natürlich verhindert das eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegner.
Aber mir geht es nicht um das Geschrei, sondern darum zu zeigen, dass wir weiter kommen, wenn wir uns die Sache differenzierter anschauen. Und zum Glück bin ich nicht die Einzige, die das findet, wie z.B. dieser neuer Artikel in NZZ-Folio zeigt: In dem Text Warum Männer töten, plädiert der stellvertretende Chefredakteur dafür, dass es in der Geschlechterforschung sowohl um die biologische wie um die gesellschaftliche Dimension gehen sollte.
Na ja, die Beleidigungen „alles AfD“ oder „alles vergendert“ kann man nicht als gleichwertig gegenüber stellen.
Der dominierende Zeitgeist (Medien, Parteien, Unileitung…) propagiert nämlich den Genderismus, während AfD und Verwandte als Nazisynonyme genutzt werden.
Daher war der Titel unter der Gürtellinie- und zwar deutlich.
Mal Butter bei die Fische: Was hälst Du denn vom Genderkonzept? Eine Ausage dazu vermise ich bislang – auch im Artikel.
Das kommt darauf an. Wenn Gender-Ideen und -Konzepte neben anderen Erklärungen existieren und zum Nachdenken darüber anregen, ob das, was wir als natürlich sehen, nicht auch kulturelle, erlernte Anteile hat, finde ich es gut. Wenn Gender-Erklärungen jedoch den Diskurs dominieren und biologische Erklärungen zu menschlichem Verhalten als irrelevant oder sogar schädlich abgewertet werden, dann halte ich nichts davon.
Problem: Der Genderismus ist ein klar politisches Konzept; kein wissenschaftliches. 1985, als der Unfug das erste Mal auf der UN-Frauenkonferenz in Peking durchgesetzt wurde, wurden klare Definitionen verweigert. Das beschreibt Trivers auch deutlich in seinem Buch (Selbstbetrug).
Heißt, wenn Du Genderpositionen gleichberechtigt neben wissenschaftlichen bestehen lassen willst, könnte ich mit demselben Recht auf Rassebiologie und Lysenkismus bestehen.
Genderismus ist mit Absicht nicht definiert, um politisch möglichst viel abgreifen zu können: Frauenpolitik, Transpolitik, Homopolitik; alles Bereiche, in denen es sehr viel für Ungebildete mit der richtigen Meinung zu verdienen gibt. Das Ganze erinnert mich frappierend an Rasse-Günther, der nur wegen der „richtigen Gesinnung“ Prof. in Thüringen werden konnte. Man sieht, die Rezepte sind erstaunlich alt.
Inhaltlich kriegt man beim Gender von 5 Genderologen 10 verschiedene Definitionen. Studenten erzählten mir, ihnen wurde gesagt, es gäbe „keine primären Geschlechtsorgane“; und Männer seien nur deswegen stärker, weil sie als Jungs zu Raufen und Sport angehalten würden.
Die „weichgespülten“ Varianten des Genderismus, für die Öffentlichkeit, die nur eine teilweise Geschlechtsausprägung via Umwelt vertreten, sind eigentlich ganz klassische Psychologie.
Heißt: Genderismus ist Politik. Er kann weg und MUSS weg, wenn die SGW zur Wirklichkeit zurückfinden wollen.
Die Biologie hat die Rassentheorie abgestreift; die SGW können den Genderunsinn abstreifen. Ich glaube aber nicht daran. Dafür sind unsere Massenunis intellektuell und politisch in einem viel zu desolaten Zustand.
Genauso wie es wichtig ist zwischen Biologie und Biologismus zu unterscheiden, so ist es meiner Meinung nach wichtig zwischen einem legitimen feministisch inspirierten Fokus von Forschung und einem ideologischen Dogmatismus zu unterscheiden. Und in beiden Gebieten liegen Fakten und Ideologie manchmal dicht beieinander. Das war ein Grund, warum ich die Linné-Interpretation von Schiebinger so ausführlich behandelt habe. Ich finde ihre Forschung tatsächlich wichtig. Aber wenn sie zur Dämonisierung einzelner Forscher gebraucht wird, ist das für mich eine Fehlentwicklung. Aber dagegen hilft nur, intensiv zu diskutieren – von diversen Standpunkten aus.
Linné ist seit 200 Jahren tot. Es wundert nicht, daß Schieb auf Historisches ausweichen muß, weil sie heute nichts Richtiges mehr findet. Erinnert etwas an die Brüderle-Affäre, in der aus nichts sehr viel gemacht wurde.
Schiebinger ist keine Wisenschaftlerin, sondern Weltanschauungs-Politikerin.
Mir fällt auf, daß Du zentrale Argumente gegen den Genderismus ignoriert. Nun, man kann eigentlich auch nicht mehr viel sagen, wenn es um Tausende von Geschlechtern oder das Nichtvorhandensein von primären Merkmalen geht.
Ohne den, gelinde gesagt, seltsamen Zeitgeist hätten sich die Genderologen damit längst selber desavouiert.
Wie gesagt: Ich bin sehr dafür, die Probleme anzugehen. Ein Fach, das menschliches Verhalten erklären will, aber die biologische Dimension nicht nur komplett ausblendet, sondern auch dämonisiert, ist zwangsläufig auf Sand gebaut. ABER ich finde es eine Fehldarstellung der Verhältnisse, daraus zu folgern, dass die GESAMTEN Sozial- und Geisteswissenschaften von diesem Problem betroffen sind. Aber das bleibt wohl unser Hauptstreitpunkt. Bestes Beispiel dafür, dass es dazu eine lebhafte Auseinandersetzung INNERHALB der Fächer gibt bzw. ausgehendend von Leuten, die auch Sozial- und Geisteswissenschaftler sind, ist eigentlich der Riesen-Hoax gegen die Gender Studies, der gestern rauskam:
Einem Gender Studies-Fachmagazin mit Peer Review wurde ein ausgedachten Blödsinns-Artikel untergejubelt „The conceptual penis as a social construct“ (Artikel darüber im Skeptic, im Blog von Jerry Coyne, im Aero Magazine). Und die Autoren sind nicht etwa Naturwissenschaftler, nein, Peter Boghossian ist Philosoph und Jamie Lindsay ist Mathematiker, der Bücher über die Psychologie der Religion schreibt. Und auch unter denen, die darüber jetzt berichten, sind eine Menge Sozial- und Geisteswissenschaftler. Helen Pluckrose z.B. hat den Aero-Magazine-Artikel darüber geschrieben und sie ist Historikerin (die ich übrigens sehr mag, schreibt viele gute Artikel). Natürlich sind in der englischsprachigen Skeptiker/Atheisten-Szene, die das jetzt feiert, auch Biologen wie Richard Dawkins, aber der Großteil der Leute sind tatsächlich selbst Geistes- und Sozialwissenschaftler. Und das ist mein Punkt. Der Graben geht nicht entlang der Fakultätsgrenzen, sondern eher entlang politischer und weltanschaulicher Überzeugungen.
Hihi, gute Info. Da die Genderologen selber nur verquasten Unfug produzieren (http://www.kaththeol.uni-koeln.de/236.html?&L=0), ist es natürlich leicht, ihnen Ätsch-Artikel unterzujubeln. Ich sage ja: Es geht um Geld und Jobs für Leute, die nichts können und nicht arbeiten wollen.
Wenn nun SGWler massenhaft von dem Politkonzept abrücken und wieder Wissenschaft machen, ist das zu begrüßen.
In der Breite sehe ich es aber nicht. Warum? Weil die meisten Genderologen als esoterische Ideologen schlicht an der Uni nichts zu suchen haben. Man müßte gerade in der Soziologie massenhaft Leute aus ihren Ämtern werfen.
Ich denke, ohne Druck aus der Gesellschaft läuft das nicht.
Es baut sich nun seit 2015 ein Druck auf, um die grün-rote Dominanz in den Medien und der Bildung zu beseitigen. Das wird aber noch lange dauern, bis der Unfug effizient beseitigt ist. Da werden noch einige Milliarden € zum Jordan gehen.
@Alex R Göhring
Willst du dich hinstellen und einer Frau bestimmte Lebensentwürfe vorschreiben oder von ihr einzufordern, weil sie eine Frau ist? Und ihr dann zu sagen, dass dies ihre Biologie von ihr fordert und nicht du? Unterwerfen sich die Männer derartig bereitwillig biologischen Vorschriften?
Strohmann-Argument. Wo habe ich irgend etwas davon gesagt?
Nirgendwo und auch jetzt nicht. Doch um diese Dimension geht es. Obige Fragen würde ich alle mit einem klaren Nein beantworten. Dazu benötige ich nicht mal eine wohl ausformulierte Begründung. Einfach nur ein Nein.
Ist mein Strohmann – Argument, wenn ich dieses verallgemeinere, nicht der Kern im Spannungsfeld von Brynia,s Artikel? Oder welche Grundfrage fiele euch diesbezüglich ein?
Inzwischen gibt es auf meinen LJ-Artikel vom Mai eine Antwort von Ulrich Kutschera, die parallel erschienen ist
– in der September-Ausgabe des Print-Laborjournals, S. 12-13. E-Paper-Version: http://www.laborjournal-archiv.de/epaper/LJ_17_09/12/
– und im Laborjournal Blog: http://www.laborjournal.de/blog/?p=9391 (hier mit Links und der Möglichkeit Kommentare zu hinterlassen)