Böser Lobbyismus, guter Lobbyismus?

Mich beschäftigte in den letzten Tagen der Streit um die biotechnologischen Schülerlabore von HannoverGEN, denen Rot-Grün in Niedersachsen den Geldhahn zudrehen wollte. Aus Greenpeace- und wohl auch grünen Sicht ist das Projekt kaum mehr als hintertriebene PR pro Gentechnik. Hauptargument: Dass es hier um die Indoktrination junger Menschen gehe und nicht um Bildung, sehe man ja schließlich an der Mitfinanzierung durch Saatgut-Unternehmen und das Landwirtschaftsministerium.

Mich hatte in den letzten Monaten schon beeindruckt, wie gut die beteiligten Schulen und Forscher sich gegen den Vorwurf wehrten und wie sie es schafften – auch bundesweite – Unterstützung gegen die Schließung zu organisieren. Auch der Verband deutscher Biologen (vbio) engagierte sich sehr. Nicht zuletzt sicherlich, weil sein umtriebiger Vorsitzender Wolfgang Nellen im Nachbarland Hessen selbst ein ähnliches Schülerlabor betreibt. So kamen über OpenPetition 3.707 Unterschriften zusammen. Forderung: die neue Landesregierung solle sich das Projekt doch zumindest erstmal anschauen, bevor sie darüber entscheidet.

Als ich vom Urlaub zurück war, las ich in dem schon ein paar Wochen alten vbio-Organ „Biologie in unserer Zeit“, dass der Protest wohl schon Erfolge verbucht. Nellen berichtet im Editorial jedenfalls, dass die Regierung in Hannover inzwischen Gesprächsbereitschaft signalisiert hat. Darüber habe ich mich gefreut.

Ich gehöre nämlich nicht zu der Mehrheit der Gentechnik-Gegner in diesem Land. Für mich sind gentechnische Methoden selbstverständlicher Teil der modernen Biologie – in der Grundlagenforschung genauso wie in der industriellen Anwendung. Deswegen finde ich es gut, dass es neben der Lobbyarbeit von Gentechnik-Gegnern auch eine Interessensvertretung pro Gentechnik gibt. Und ich finde es gut, wenn das der Vbio ist.

Allerdings hätte ich persönlich mir vom vbio noch eine Stellungnahme gewünscht, wie er zu Industrie-Geldern in solchen Projekten steht. Denn man kann es auch als Gentechnik-Befürworter kritisch sehen, wenn Bildungsprojekte von Firmen mitfinanziert werden, die hier ja wirklich ein PR-Interesse haben. Auch wenn  laut eigenen Angaben von HannoverGEN in dem Fall nur 3 Prozent der Gelder aus der Wirtschaft kamen, fände ich es sehr wichtig, sich darüber mal prinzipiell Gedanken zu machen.

Meine persönliche Sicht ist ja, dass Wirtschaftssponsoring in Schulen nichts zu suchen hat und zwar unabhängig davon, mit was die geldgebenden Unternehmen so ihr Geld verdienen. Diese Sicht scheint mir aber nicht weit verbreitet. Nach meiner Beobachtung ist Wirtschaftssponsoring für die Leute nur bäh, wenn die Unternehmen mit Gentechnik, Atomkraft, Chemie, Rüstung o.ä. zu tun haben.

Für Wirtschaftssponsoring von Unternehmen, die mit regional oder bio punkten können, scheint das nicht zu gelten. Oder wie ist es sonst zu erklären, welche Sachen mein Großer aus seiner bayerischen Grundschule mitbringt? Die Interessensverbände der Bio-Landwirtschaft dürfen offen PR machen. Die von ihnen verteilten Frühstücksdosen (mit gummeligen Karotten, Vollkornbrot und vegetarischem Aufstrich gefüllt) enthalten Info-Broschüren, die aus meiner Sicht suggerieren, nur Bio sei gesund. Und dass die Sparkasse jedem Kind ein Sparschwein schenkt, dessen Schloss nur von der Sparkasse geöffnet werden kann, finde ich auch dubios. Aber da zuckt keiner.

Nicht dass ich was gegen Bio oder Regional hätte, aber ich hab generell was dagegen, wenn Unternehmen in Schulen ihre Sicht der Welt propagieren dürfen. Im Schulkontext wirkt das nämlich, als sei das jetzt die offizielle Sicht der Dinge, finde ich. Das möchte ich nicht. Ich wünsch‘ mir die Schule neutraler, was Wirtschaftsinteressen und Ideologien angeht.

Ist es nicht komisch: In Deutschland wird dem ideologischem Gegner gerne vorgeworfen, er sei von Wirtschaftsinteressen unterwandert. Damit kann man sehr wirkungsvoll diffamieren. Wenn man genau hinschaut, ist aber immer nur der Wirtschaftslobbyismus der Anderen böse. Der eigene nie.

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4 Gedanken zu „Böser Lobbyismus, guter Lobbyismus?“

  1. Dem sehr differenzierten Artikel ist nicht viel hinzuzufügen, die Unterscheidung „gute Lobby – böse Lobby“ sehr treffsicher.
    Mit Industrie-Sponsoring spricht der Autor ein allgemeines Problem an, das ich persönlich, aber auch als VBIO Präsident sehr zwiespältig sehe. Mit dem Argument „Berufsbefähigung“ sind inzwischen an sehr vielen Schulen Industriepraktika verpflichtend. Sie sind gewiss für das „wirkliche Leben“ nützlich, geben aber auch Gelegenheit zur „Indoktrinierung“ – egal, ob es sich um einen Automobilhersteller oder eine Bank, um eine NGO oder um Monsanto handelt.
    Universitäten sind stolz auf Stiftungsprofessuren, die von der Industrie finanziert werden. Selbstverständlich gibt es Verträge, die eine Einflussnahme auf Lehrinhalte verbieten – aber mal eine Broschüre des Sponsors zu verteilen oder ein Beispiel der Stifter in der Lehre verwenden kann doch nicht böse sein? Doch! Ist es!
    Wenn die Politik Verantwortung für Bildung auf die Industrie abschiebt, dann muss das absolut transparent sein!
    Ebenfalls zu berücksichtigen ist die Höhe des Sponsorings: bei HannoverGen waren das meines Wissens 2.000€ bei einem Etat von 1,2 Mio. Dafür wird sich kaum ein Lehrer oder Dozent manipulieren lassen. Anders mag das bei Stiftungsprofessuren aussehen, die u.U. den gesamten Etat einer universitären Abteilung einschließlich Professorengehalt finanzieren. Es gibt tatsächlich Stifter (auch industrielle!) die weitgehend uneigennützig die Wissenschaft fördern. Da zu unterscheiden ist eine diffizile Aufgabe.
    Ein weiteres Problem ist indirektes Sponsoring. Am Beispiel HannoverGen: die Mittel der KWS sind direkt an das Schülerlabor geflossen und waren m.E. allgemein sichtbar. Die Studie des Herrn Wefers gegen HannoverGen wurde von der Bio-Lebensmittel-Lobby finanziert und von Greenpeace benutzt. Greenpeace behauptet (juristisch korrekt) keinerlei Industriemittel anzunehmen. Die Verbindung zu Herrn Wefers ist rein zufällig. Die Mitarbeit von Greenpeacemitgliedern an dieser Studie erfolgte privat und keinesfalls im Zusammenhang mit Greenpeace. Ähnliche Szenarien sind natürlich auch bei der Gentechnikindustrie denkbar. Das Beispiel soll nur verdeutlichen, dass Transparenz ein schwierigeres Unterfangen ist, als es auf den ersten Blick erscheint.
    Dennoch stimme ich dem Autor uneingeschränkt zu, dass weiterhin Transparenz zu fordern ist. Es ist eine Aufgabe des VBIO und aller Biowissenschaftler, mit Argusaugen Einflussnahme von Lobbys auf Ausbildung, Lehre und öffentliche Information zu beobachten und gegebenenfalls publik zu machen.
    Wolfgang Nellen

    1. Danke für die ausführliche Stellungnahme zum Thema. Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Aber es freut mich und natürlich besonders, dass wir in diesem Punkt ähnlicher Ansicht sind. Dass Industriegelder in der Bildung problematisch sein können. Dass man eine Einflussnahme auf die Lehrinhalte verhindern muss. Dass es auf jeden Fall Transparenz braucht und einen Blick für die nötige Distanz zu Geldgebern.

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