PID-Debatte bei Abgeordnetenwatch

An der Bundestagsdebatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) hat mich besonders fasziniert, wie unterschiedlich Abgeordnete aus ein und der selben Partei argumentierten. Die Fraktionsdisziplin war in dieser Frage ja aufgehoben und damit durfte (und musste) sich jeder Parlamentarier seine ganz eigene Meinung bilden. Das war schon in den Reden interessant, weil die Leute ja versuchten, ihre persönliche Haltung mit den Grundsätzen ihrer Parteien zu vereinen. Wie unterschiedlich man entscheiden kann, auch wenn man sich auf die selben Werte beruft!

Mich hat aber auch interessiert, wie bei aller Uneinigkeit quer durchs Parlament die parteipolitischen Trends aussahen und fand die Seite Abgeordnetenwatch.de bei der Frage sehr hilfreich.Die sind unabhängig (spenden- und werbungsfinanziert) und dokumentieren für jeden Abgeordneten das Abstimmungsverhalten und die Nebeneinkünfte. Auch kann man über die Seite Kontakt zu den Parlamentariern aufnehmen und ihnen Fragen stellen.

Laut Abgeordnetenwatch gab es die größte Mehrheit pro PID von der FDP (knapp 94% – 87 Stimmen dafür und nur 5 Stimmen dagegen), gefolgt von der SPD, die zu gut 70% für die PID stimmten (103 Stimmen). Die LINKE trug mit 39 Stimmen zur Zustimmung bei (51% und ein bisschen).

Die größte Ablehnung gab es von der CSU (fast 80 % – 35 Stimmen dagegen und nur 4 Stimmen dafür). Auch die CDU hat mehrheitlich gegen die PID gestimmt (119 Stimmen bzw. fast 63 %). Genauso wie die Grünen (fast 53 % dagegen).

Wenn’s ans Wählen geht, sind solche Trends doch ganz aufschlussreich. Interessant finde ich aber auch die „Abweichler“. Pascal Kober von der FDP zum Beispiel. Während seine Parteikollegen ja fast geschlossen für die PID stimmte, war Pascal Kobers dagegen. Und ich fand seine Begründung in der Abschlussdebatte eine der besseren Argumentationen gegen die PID, weil er seine Ablehnung mit den „unveräußerlichen Menschenrechten“ begründete (und nicht damit, dass wir nicht Gott spielen dürfen). Er meinte, dass die Grundrechte des Embryos nicht durch seine Gesundheit eingeschränkt werden dürften.

Dem würde ich auch zustimmen, wenn ich eine Blastula schon als Mensch ansehen könnte. Aber das kann ich nicht. Sie ist eine Hohlkugel aus Zellen. Sonst müsste man Frauen, die mit Kupfer-Spirale verhüten,  und damit die Einnistung solcher Embryonen in ihre Gebärmutterschleimhaut verhindern, die Tötung von Menschen vorwerfen. Was Blödsinn wäre. Da muss ich Karl Lauterbach recht geben. Lauterbach kam in der Debatte nicht gerade sympathisch rüber, aber er war nach meiner Erinnerung der Einzige, der diese heikle Wahrheit aussprach.

Die besten Reden pro PID waren meiner Meinung nach die von Peter Hintze (CDU – … nicht Embryo in einer Petrischale höher bewerten als Frau in einer schweren Konfliktsituation), Jerzy Montag (GRÜNE – … seit künstlicher Befruchtung ist Gesellschaft für Schutz extrakorporaler Embryonen zuständig, aber dieser Schutz ist nur mit Hilfe der Mütter möglich) und Karin Evers-Meyer (SPD – … habe selbst ein behindertes Kind…. Möchte Eltern Mut machen, eins zu kriegen. Möchte sie aber nicht dazu zwingen. Dazu habe ich kein Recht, meine ich.)

Es gab auch gute Reden gegen die PID, etwa von Wolfgang Thierse oder Ilja Seifert. Mir sind aber auch ein paar unangenehme im Gedächtnis geblieben. So erzählte Maria Michalk (CDU),  sie habe selbst eine Totgeburt und 3 Fehlgeburten erlitten. „Erst als ich den Druck aus dem Kopf kriegte, kamen drei gesunde Kinder.“ Sie sagte, Krankheit und Behinderung gehörten zum Leben dazu. Und das stimmt. Aber in ihrer Rhetorik klang das für mich wie ein Warnung, sich seinem gottgegebenen Schicksal nicht zu widersetzen. So als würde man erst mit Glück belohnt, wenn man sich demütig fügt. Jerzy Montag hat diese Art von Moral kritisiert, die Eltern vorwirft, sie wollten sich „am Leid vorbeimogeln“. Absurd, wie hartherzig strikte Moral manchmal sein kann.

Reaktionen von betroffenen Paaren habe ich bisher nicht in den Medien gelesen. Aber die Reaktion eines in mehrfacher Hinsicht betroffenen Reproduktionsmediziners hat WELT-Redakteur Robin Alexander bei der Bundestagsdebatte eingefangen. Er saß auf der Journalisten-Tribüne in der Nähe von Matthias Bloechle, dem Arzt, der die erste PID auf deutschem Boden durchgeführt hat und sich danach selbst anzeigte. Bloechles Freispruch zwang die Gesetzgeber erst dazu sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Aber zurück zu Abgeordnetenwatch. Da habe ich nämlich noch schnell nachgeschaut, ob die Nürnberger Abgeordneten so entschieden haben wie sie angekündigt hatten. Haben sie tatsächlich. Dagmar Wöhrl war sich ja noch nicht sicher, tendierte aber zu einen Ja. Sie war dann eine der nur 4 CSU-ler, die pro PID stimmten.

Auf der Abgeordnetenwatch-Seite zur PID-Entscheidung kann übrigens jeder schauen, wie seine Abgeordneten gestimmt haben (oder überhaupt mal rausfinden, wer da für einen im Bundestag sitzt… ;-)) Einfach auf den Reiter „Abstimmungsverhalten“ gehen und die Postleitzahl eingeben.

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Ein Gedanke zu „PID-Debatte bei Abgeordnetenwatch“

  1. Über die Haltung, die mir bei Michalks Rede unangenehm aufgefallen ist, schreibt Helmut Fink von den Nürnberger Humanisten auf Wissen rockt!“. Er nennt sowas eine „religiös überhöhte Leidfixierung“. Während Vertreter christlicher Kirchen argumentieren, dass ein leidfreies Lebens unmöglich sei, und vor allem daraus folgern, der Mensch müsse sich in sein Schicksal ergeben, appelliert Fink: “ Lasst uns doch wenigstens das Leid vermeiden, das wir vermeiden können! Dass dann alsbald kein Leid mehr übrig bleibt, an dem der Mensch wachsen kann, ist wohl kaum zu befürchten.“ Er meint, der Mensch dürfe die Früchte der Aufklärung und des Fortschritts genießen, ohne sich dabei ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen!

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