Wo versteckst du dich, Herpi?

Da blüht er nun wieder an meinem Unterlippenrand, mein verhasster Weggefährte Herpes simplex). Ich nenne ihn – aufgrund jahrelang gewachsenen Vertrautheit Herpi. Es muss nur jemand am Abend von Fliegenmaden reden oder etwas ähnlich Ekeligem und schon am nächsten Morgen ist er da. Ein verräterisches Jucken, ein leichte Schwellung und schon zücke ich ein Zovirax-Tübchen und sage: Hello again, dear Herpi!

Eingefangen hab ich ihn mir natürlich, wie könnte es anders sein, vom ersten Freund beim Knutschen mit 16. Das ist ebenso dämlich wie es alltäglich ist, nehme ich an. Seitdem hat es sich Herpi also bei mir als Untermieter gemütlich gemacht. Persistenz nennt der Virologe diese Eigenschaft, die Herpi mit seiner Viren-Verwandtschaft, den Herpesviridae, teilt. Nach der Erstinfektion suchte er sich ein ruhiges Plätzchen und nistete sich ein.

Mich trieb heute morgen die Frage um, wo dieses Versteck eigentlich genau ist. Ich wusste nur, dass es eine Nervenzelle sein muss. Aber wo genau? Hockt mein Herpi im Hirn? Im Rückenmark?

Im Wikipedia-Artikel über Lippenherpes erfuhr ich, dass Herpi damals in ein Nervenende in meiner Lippe eingedrungen ist und zwar in die, mit denen ich fühle, also denen eines sensorischen Nervs. Er reiste in dem langen Fortsatz des Neurons, dem Axon, bis zum Nervenzellkörper und hat es sich dort im Zellkern gemütlich gemacht.

Hmmh, aber wo sind die Nervenzellkörper meiner Lippennerven? Mediziner, die sich während ihres Studiums durch die enzyklopädische Vielfalt menschlicher Anatomie-Details kämpfen mussten, wüssten es sofort. Mir verriet es wieder Wikipedia: es ist das Ganglion Gasseri, die Ansammlung aller Zellkörper des Gesichtsnervs Nervus trigeminus. Dieser Nervenknoten liegt im Schädel, in der Nähe vom Innenohres.

Jetzt weiß ich also, wo er hockt, wenn es passiert. In seinem trigeminalen Versteck kann ich ihn nun warten sehen: auf ein Fieber seiner gepeinigten Wirtin, eine Immunschwäche oder einen heftigen Anfall von Ekel. Dann weiß er, dass es mal wieder Zeit wäre, sich an meiner Lippe zu vermehren. Obwohl, gelegentlich sucht er sich auch die Nasenschleimhaut aus um dort seine Bläschen zu produzieren. Das ist zwar schmerzhafter, hat aber immerhin den Vorteil, dass man nicht so aussätzig aussieht. Hier bekommt der Spruch „Wer schön sein will, muss leiden“ eine ganz neue Bedeutung.

Ähnliche Artikel:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert