Sommergrippen-Selbstdiagnose

„Wär‘ doch toll, wenn man seine Erkältungserreger irgendwie identifizieren könnte“, dachte ich vorhin. Dann könnte ich jetzt die Zeit des Krankseins nutzen um etwas über meine ganz speziellen Plagegeister zu lesen. Über diese Biester, die es wagen mich mitten im Sommer zu befallen. Mal sehen, wer da so in Frage kommt und wie man die diagnostiziert…

Gleich bei meinem ersten Fund (Ärzte-Info eines Schnupfen-Experten aus Wiesbaden) die Überraschung: bei 25-30% aller Erkältungen ist gar kein Erreger nachweisbar, obwohl alle Symptome auf Viren hindeuten. Man vermutet daher, dass es noch unbekannte Erkältungsviren gibt. Wer hätte das gedacht! Bei der banalsten aller Erkrankungen.

Von den bekannten Erregern sind die Rhinoviren am häufigsten. Trotzdem – und das war schon die zweite Überraschung – gibt es keinen einfachen Routinetest für sie. Es gibt so viele verschiedene von ihnen, aber keinen Standard-Nachweis, auf den jeder der über hundert Rhinoviren reagiert. Rhinoviren nachzuweisen wäre also eine aufwändigere Laborarbeit. Dass sie für meine Beschwerden verantwortlich sind, ist aber eh unwahrscheinlich. Erstens, weil sie die Klassiker der kalten Jahreszeit sind und zweitens weil meine Beschwerden darauf hindeuten, dass bei mir fiesere Zeitgenossen am Werk sind.

Denn als es so richtig losging am Mittwoch, lag ich voll angezogen im Bett mit zwei Decken und fror trotzdem fürchterlich. Erst als ich mich dick eingemummelt in die pralle Mittagssonne setzte, war es warm genug. Einen Tag lang fühlte ich mich elend. Ich war zu schwach zum Rumlaufen, aber zu unruhig zum Rumliegen und vom Fernsehen wurde mir übel. Dazu diese komplette Appetitlosigkeit.

Nein, das klingt nicht nach den lästigen, aber harmlosen Rhinoviren, die Schnupfen auslösen mit ein bisschen Husten und Unwohlsein. Das klingt eher nach Grippe, oder? Da gäbe es einen Erregertest für’s Routine-Labor. Als Antwort ständen dann die inzwischen berühmt-berüchtigten Buchstaben-Zahlenkombis, à la H1N1.

Dass ich Influenzaviren beherberge, glaube ich allerdings nicht. Denn auch sie haben ihre Hochsaison im Winter. Von dem, was ich im Januar hatte, vermutete der Arzt, dass es die Grippe war. Das fühlte sich aber ganz anders an, mit tagelangem, hohem Fieber. Jetzt aber war der Fieber-Spuk schon am nächsten Tag wieder vorbei und was mir bleibt ist eher eine Erkältung. Also, was gibt es da noch?

„Sommergrippe“ klingt doch vielversprechend. Die wird von Coxsackie- und Echo-Viren verursacht. Die meisten von ihnen sind harmlos, aber es gibt ein paar üble Gesellen unter ihnen, die Lähmungserscheinungen, Gehirnhaut- und Herzbeutelentzündungen auslösen, wie mir das Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen verriet, über das ich bei Google Books stolperte.

Selbst die Coxsackie- und Echo-Viren, die nur Erkältungen verursachen, geben sich – anders als die Rhinoviren – nicht nur mit den Atemwegen zufrieden. Sie vermehren sich auch im Darm und anderen Organen. Auch  im Blut kann man sie nachweisen. Virämie nennt sich das. Laut Wikipedia können Viren in die Blutbahn kommen, nachdem die Zellen zerstört sind, in denen sie sich vermehrt haben. Auf das Entern der Blutbahn reagiert der Körper mit Fieberanstieg und Schüttelfrost. Kommt mir bekannt vor.

Coxsackie- und Echo-Infektionen kommen in warmen Gegenden der Erde rund ums Jahr vor. In unseren gemäßigten Breiten vor allem in Sommer. Deshalb die Bezeichnung „Sommergrippe“. Aber wie könnte ich rausfinden, ob ich tatsächlich eine solche habe? Wie würde ein Labor eine solche Infektion bei mir diagnostizieren? Das habe ich mal nachgelesen (im Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen und bei Wikipedia zum Stichwort Virusdiagnostik):

Die schnelleren Methoden sind die molekularbiologischen. Das Kochrezept dafür lautet allgemein:

  • Gewinne DNA (z.B. aus einem Rachenabstrich)
  • vervielfältige sie durch Enzyme
  • und suche darin nach Sequenzen, die für Coxsackie- oder Echo-Viren spezifisch sind.

Sequenzieren muss man die DNA für das Finden dieser Sequenzen nicht unbedingt. Es genügt, wenn man spezifische Nachweis-Sonden hat, leuchtenden DNA-Schnipsel z.B., die jeweils komplementär sind zu einer der gesuchten Sequenz-Teile. Hybridisierung nennt man es, wenn eine dieser Sonden sich wie ein genau passendes Puzzlestück an die Viren-DNA z.B. des Echovirus-Typ 19 anlagert und diesen Virus damit nachweist.

Neben den neueren molekularbiologischen Labormethoden gibt es ältere und besonders sichere Tests, die die Erreger mit Hilfe von Antikörpern identifizieren. Die Verfahren sind allerdings arbeits- und zeitaufwändiger als die molekularbiologischen, weil sich die Übeltäter für sie erstmal vermehren müssen. Dazu bietet man ihnen Menschen- oder Affenzellen in Petrischalen an, über die sie herfallen können. Sichtbares Zeichen von Infektion und Viren-Vermehrung ist die Zerstörung des Zell-Rasens am Boden der Schale.

Welche Viren für die Verheerungen verantwortlich sind, kann man herausfinden, indem man zusammen mit den Viren bestimmte Antikörper-Cocktails in die Petrischalen gibt. In jedes Schälchen kommt ein anderes Antiserum, das für einen Virus-Typ spezifisch ist. Die darin enthaltenen Antikörper erkennen nur diesen Typ. Treffen sie auf „ihre“ Viren, binden sie an ihrer Oberfläche. Viren, an denen ein Antikörper hängt, können keine Zellen mehr infizieren. In den Petrischalen mit passendem Antiserum bleibt der Zellrasen also intakt, womit die Anwesenheit dieses Virentyps nachgewiesen ist. Weil die Viren durch die Antikörper-Bindung in ihrer Wirkung neutralisiert werden, nennt sich diese Methode Neutralisationstest.

Spannend, diese Detektiv-Arbeit, oder? Aber auch ganz schön aufwändig. Zumindest um diese Krankheitserreger zu überführen ist mehr nötig als ein kleiner Schnelltest im Badezimmer. Aber vielleicht gibt es den irgendwann? Also mir würde das gefallen. Ich stell mir einen kleinen Streifen vor, so einen wie die Urin-Sticks, mit denen die Arzthelferin testet, ob z.B. Blut oder Zucker im Urin ist. Einfach mal draufspucken und auf die Farbveränderung warten, die anzeigt, ob man sich Influenza-, Coxsackie- oder Echo-Viren eingefangen hat oder ob’s doch nur wieder die ollen Rhinoviren waren. Medizinisch notwendig ist so ein Erregernachweis ja nur in den wenigsten Fällen. Aber interessant wär’s schon, oder?

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3 Gedanken zu „Sommergrippen-Selbstdiagnose“

  1. ;-)) Danke! Bin ein bissel spät mit dem Antworten, ähem… aber dafür gesund. Hab‘ mich für ne Woche an der Ostsee auskuriert. Jetzt bin ich ganz durchgepustet…

  2. Nach meiner – über die Jahre gereiften -Theorie führen „Erkältungsviren“ eher selten durch „Aufschnappen“ aus der Umwelt zur Maläse, sondern haben sich, analog zu Herpesviren, in den Schleimhäuten eingenistet und werden dann von bestimmten Reizen (Frösteln, kalte Füße, ..) zur Vermehrung getriggert.
    Hab‘ schon so oft Schnupfen gehabt, ohne dass ich im zeitlichen Zusammenhang mit vervirten Genossen in Kontakt gewesen wäre.
    Und hinterher kann ich fast immer einen Trigger ausmachen, der mir das eingebrockt hat. Gemeinerweise kommen solche „Trigger-Situationen“ wesentlich öfter vor, als man davon krank wird. So wird man wieder nachlässiger -bis es erneut losgeht.
    Und ewig grüßt das Murmeltier…

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