Wir sind alle verwandt – Kinderbuch „Big Family – die fantastische Reise in die Vergangenheit“ – Rezension

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Im heutigen fünften Beitrag des Rezensionsmarathons möchte ich Michael Schmidt-Salomons Big Family – die fantastische Reise in die Vergangenheit vorstellen. Über dieses Buch habe ich mich dieses Jahr besonders gefreut. Und das gleich aus mehreren Gründen.

Zum einen gefiel es meinen Kindern und mir sehr gut. Zum anderen ähnelt es „Grandmother Fish“, einem bisher nur auf Englisch erschienenes Buch für ganz kleine Kinder, das ich letztes Jahr für die Biologenzeitschrift Lab Times rezensiert habe, und dessen Konzept mich auch schon begeisterte. Zudem freute ich mich, dass der Autor mit „Big Family“ einen anderen Pfad einschlägt als bisher.

Andere, provokante Kinderbücher

Man muss nämlich wissen, dass Schmidt-Salomon einer der prominentesten Atheisten im deutschsprachigen Raum ist und zwar vor allem, weil er sonst oft … nun ja… ziemlich auf Krawall gebürstet ist. Regelmäßig macht er durch einen Konfrontationskurs zu den Religionen von sich reden.

Ich weiß noch, dass ich das erste Mal von ihm hörte, als im Radio „Wo bitte geht’s zu Gott?“ besprochen wurde, ein provokant anti-religiöses Kinderbuch von ihm, in dem ein kleines Ferkel auf der Suche nach Gott ist, dabei Vertretern verschiedener Religionen begegnet, und am Ende zu dem Schluss kommt, dass Gott gar nicht existiert. Wie Schmidt-Salomon auf seiner Seite berichtet, brachte ihm dieses Buch u.a. den Vorwurf ein, er verträte einen aggressiven und missionarischen Atheismus.

Nun habe ich zwar mit seinem Konfrontationskurs kein Problem, mich selbst interessiert am Atheismus die Religionskritik aber eigentlich wenig. Wenn es mich in die Gesellschaft von Atheisten zieht, die explizit als Atheisten zusammenkommen, dann nicht weil sie gegen Religion sind, sondern weil mir da eine wertschätzende Grundhaltung gegenüber allen Wissenschaften begegnet. Wie wenig selbstverständlich das ist und wie sehr ich das daher zu schätzen weiß, habe ich 2013 in „Salon-Stimmung rund ums Hirn“ schon mal versucht zu beschreiben.

Hier Biologie im Mittelpunkt

Jedenfalls freut es mich aufgrund meiner eigenen Haltung, dass Schmidt-Salomon mit „Big Family“ nun ein Kinderbuch über Evolution herausgebracht hat, in dem Religion mal gar nicht thematisiert wird und stattdessen ein wichtiges biologisches Thema im Mittelpunkt steht. Und das in Form einer gelungenen Geschichte, die Kinder sehr persönlich und direkt anspricht. Meine Jungs jedenfalls fanden sie interessant und lasen sie – jeder für sich – in einem Rutsch durch.

„Das Buch ist lustig!“, meinte mein Großer (11) grinsend. „Wusstest du, dass wir mit einem T. rex enger verwandt sind als mit einem Frosch?“ Ich nickte. Er fragte weiter: „Aber wusstest du, dass wir mit dem Frosch auch verwandt sind?“ Ich nickte wieder. Und als er schließlich meinte: „Eigentlich sind wir nämlich mit allen verwandt!“ schaltete sich mein Kleiner (8) ein und fügte hinzu: „Ja, eigentlich können wir bei jedem Tier, dem wir begegnen sagen: Hallo, Verwandter!“

Das Buch schaffte es also, meinen Jungs auf amüsante und leichtfüßige Art eine ganz zentrale Erkenntnis der Biologie zu vermitteln: den gemeinsamen Ursprung allen Lebens. Und das in einem Alter, in dem Kindern solche Ideen meist noch vorenthalten werden, weil man der Meinung ist, das sei für sie noch viel zu abstrakt.

Evokids-Projekt

Von daher ist das Buch genau das Richtige für den Zweck, für den es gemacht wurde. Es ist nämlich nicht nur ein weiteres von Schmidt-Salomons vielen Buchprojekten, sondern auch Teil einer Kampagne, die sich dafür einsetzt, dass Evolution nicht erst in der Mittelstufe, sondern schon in der Grundschule gelehrt wird, was ich nach meinen Erfahrungen im Kindergarten (hier und hier) nur vollsten Herzens unterstützen kann.

Für das Ziel Evolution in die Grundschule zu bringen hat sich die Giordano-Bruno-Stiftung, deren Vorsitzender Schmidt-Salomon ist, mit dem Institut für Biologie-Didaktik in Gießen und dem Arbeitskreis Evolutionbiologie des Verbands deutscher Biologen zusammengetan, die ein Lehrbuch und zahlreiche andere Lehrmaterialien wie etwa Arbeitsblätter entwickelten, die Lehrer runterladen und im Evolutionsunterricht der Grundschule benutzen können.

Schmidt-Salomon schrieb mir dazu: „Bis auf das „Big Family“-Buch sind alle Materialien kostenfrei erhältlich. Und 50 Prozent des Verlagsgewinns an „Big Family“ fließen zurück an das Evokids-Projekt.“

Der Film zum Buch

Passend zum Buch gibt es übrigens auch einen Film, der frei auf Youtube verfügbar ist:

Steckt aber nicht Ideologie dahinter?

Sicher ist das Ganze nicht ideologiefrei. Den beteiligen Atheisten geht es ganz klar nicht nur um Wissenschaft, sondern auch darum die Deutungshoheit der Religion zu bekämpfen. Es wird daher gern so dargestellt als sei es hauptsächlich die Schuld der Kirchen, warum Evolution in der Grundschule bisher nicht gelehrt wird. Ich habe vor zwei Jahren für Laborjournal Online schon mal darüber geschrieben, dass das nicht stimmt und es noch andere bedeutsame Ursachen für diesen Missstand gibt.

Ebenfalls nicht unproblematisch ist, dass in der atheistischen Weltanschauung die Tendenz besteht, die verwandtschaftliche Verbundenheit allen Lebens auf der Erde nicht nur als eine wissenschaftlichen Tatsache zu behandeln, sondern sie moralisch zu überhöhen. Es knüpft sich eine Art Heilserwartung daran. So nach dem Motto: Wenn sich nur alle Menschen dieser Verwandtschaft bewusst wären, dann würden wir die Erde und alle Lebewesen darauf besser behandeln. Daran glaube ich, ehrlich gesagt, nicht.

Meine Gedanken dazu: Dass Menschen durch Nicht-Glauben (und naturwissenschaftliches Interesse) automatisch moralischer handeln würden, ist für mich das atheistische Gegenstück zur Illusion von Gläubigen, die ja auch gern denken, dass Menschen durch ihren Glauben automatisch moralischer handeln würden. Beides trifft meiner Beobachtung nach nicht zu.

Fazit

Ein gelungenes Kinderbuch, das eine zentrale Erkenntnis der Evolutionsbiologie auf eine Weise vermittelt, die den Kindern Spaß macht und sie zu eigenem Denken anregt. Außerdem ist die Kampagne dahinter unterstützenswert. Man könnte ihr zwar vorwerfen, einen gewissen ideologischen Drall zu haben, aber andererseits: Gibt es politische Kampagnen, die keinen haben?

Big Family – die fantastische Reise in die Vergangenheit
von Michael Schmidt-Salomon und Anne-Barbara Kindler

Gebundene Ausgabe: 36 Seiten
Verlag: Schmidt-Salomon, Michael; Auflage: 1 (31. Oktober 2015)
ISBN-10: 300050236X
ISBN-13: 978-3000502361
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 7 Jahren
Erhältlich nur bei: denkladen.de. Warum, erklärt Schmidt-Salomon hier.


Jedes Buch über Evolution ist anders. Es gibt welche für kleine und große Kinder. Es gibt Geschichten und Sachbücher. Es gibt Bilderbücher und Romane. Hier geht’s zu meiner immer länger werdenden Liste bisher rezensierter Kinder- und Jugendbücher über Evolution.

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