Packende Lektüre für Jugendliche: „Evolution – eine kurze Geschichte von Mensch und Natur“ – Rezension

Cover des Buches

In diesem vierten Beitrag meines Rezensionsmarathons bis zum Welttag des Buches geht es um das neue Jugendsachbuch „Evolution“ von Josef Reichholf. Trotz des Untertitels „Eine kurze Geschichte von Mensch und Natur“ ist es ein ganz schöner Wälzer geworden. Gut also, dass es einer ist, der sich liest wie ein Roman.

Von der Stammesgeschichte und den Wanderungsbewegungen der verschiedenen Menschenarten über faszinierende, neue Ideen zur Symbiose von Hund und Mensch bis zu den anschaulichsten Erklärungen geologischer Prozesse und evolutionärer Mechanismen verwandelt Reichholf die kleinen und großen Aspekte der Evolution in eine vielschichtige, packende Erzählung.

Vor allem am Anfang und Ende des Buches geht es auch um Moral und Politik. Um die Ausrottung von Arten durch den Menschen, um die Rodung von Urwäldern in den Tropen, um mögliche Ursachen von Rassismus und Religionskriegen und um die Frage, wie unsere Zukunft aussieht. Diese Themen sind für viele Jugendliche sicher interessant, weil es für sie eine gute, erste Gedankenanregung zu diesen Themen sein kann.

Aber für mich als Rezensentin (und damit ja weit außerhalb der eigentlichen Zielgruppe des Buches) waren die naturgeschichtlichen Erklärungen wesentlich interessanter. Denn selbst bei Themen, die ich gut kenne, findet Reichholf eine Art sie zu erzählen, die neu und packend ist.

Statt für die Artbildung das klassische Lehrbuch-Beispiel von Darwins Finken zu nehmen, erklärt er sie an unseren heimischen Finken und erzählt gleich die Geschichte der Co-Evolution zwischen den Kreuzschnäblern und ihrer Futterbäume – wie also Fichte, Kiefer und Lärche evolutionär auf den Raub der Samen aus ihren Zapfen reagiert haben.

Ein guter Erzähler mit vielen eigenen Hypothesen

Interessant sind auch Reichholfs eigene Hypothesen zu einigen Aspekten der Evolution. Seine Idee etwa, dass die Vogelfeder sich evolutionär aus einer Struktur entwickelte, die ursprünglich der Exkretion diente, also um Abfälle des Stoffwechsels zu entsorgen. Oder seine These, dass die prähistorischen Auswanderungswellen von Menschengruppen aus Afrika nicht zufällig mit den Eiszeiten korreliert, sondern durch die gleichzeitige Zunahme des Parasitendrucks in Afrika ausgelöst wurden.

Am bekanntesten ist er wohl für seine in einem früheren Buch ausführlich behandelten Hypothese zur Entstehung der Sesshaftigkeit, die auch in diesem Buch erklärt wird. Er meint nämlich, die Menschen seien nicht aus Mangel, sondern aus Überfluss sesshaft geworden und auch nicht, weil sie Getreide begannen zu Brot zu backen, sondern weil sie das Getreide für die Rauschdroge Bier brauchten.

Wie diese Thesen von ihm von der jeweiligen Fachwelt aufgenommen wurden, wäre allerdings etwas, was für mich noch eine wichtige Information gewesen wäre. Und das ist vielleicht das einzige wirkliche Manko von Reichholf und seinen Büchern. Weil sie als eine packende Geschichte geschrieben sind, erfahren die Leser nichts darüber, welche Teile dieser grandiosen Erzählung auf vielfach abgesichertem wissenschaftlichen Konsens beruhen und welche Teile noch auf dem Stand interessanter, neuer Hypothesen sind.

Fazit

Trotzdem: ein großartiger Schmöker für Jugendliche, die sich die biologische und kulturelle Entwicklung des Menschen gerne als faszinierende Geschichte erzählen lassen wollen.

Evolution – eine kurze Geschichte von Mensch und Natur
von Josef Reichholf

Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; Auflage: First Printing (14. März 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3446245219
ISBN-13: 978-3446245211
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre
Größe und/oder Gewicht: 17,9 x 2,6 x 24,5 cm
Buch anschauen: ++ bei Amazon* ++ bei Thalia* ++
Erhältlich natürlich auch im Buchhandel vor Ort

Mehr Rezensionen zu Evolutionsbüchern für Kinder

Samstag ist Welttag des Buches und im Rahmen der Aktion Blogger schenken Lesefreude rezensiere ich daher diese Woche jeden Tag Kinderbücher über Evolution. Eins der vorgestellten Bücher wird am Samstag, den 23. April, dann auch verlost. Welches verrate ich noch nicht.

Hier geht’s zur Übersicht, welche Bücher ich schon besprochen habe und welche noch kommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass es in der Wissensküche um dieses Thema geht. Ich habe letztens mal zusammengestellt, was ich in den letzten Jahren über Evolutionswissen für Kinder so alles geschrieben habe.


Jedes Buch über Evolution ist anders. Es gibt welche für kleine und große Kinder. Es gibt Geschichten und Sachbücher. Es gibt Bilderbücher und Romane. Hier geht’s zu meiner immer länger werdenden Liste bisher rezensierter Kinder- und Jugendbücher über Evolution.

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