Heute gibt’s Fischstäbchen mit Kartoffelbrei und – Zweifeln. Denn mal wieder hab ich den Kartoffeln riesige weiße Keime wegschneiden müssen beim Schälen.
Meine Oma hatte immer gemeint, keimende Kartoffeln enthielten besonders viel von dem Kartoffel-Giftstoff Solanin. Aber wie viel? Soll ich nur wegen der Keime die guten Kartoffeln wegschmeißen? Finde meist, dass die trotzdem noch so proper aussehen. So hab ich auch diesmal zwar großzügiger als sonst geschält, sie aber dann so zubereite wie immer. Ich hab da auch keine Ekelgefühle, die mich sonst schnell befallen bei einem verdächtigen Geruch oder dem Verdacht auf Schimmel oder Gammel.
Doch ist diese Risiko-Einschätzung richtig? Was sagt das aktuelle Wissen zu meinem Püree von keimender Kartoffel. Wer behält Recht: mein Bauchgefühl oder Omas Bedenken?
Mal sehen – mein vielgeschätzter McGee*sagt nichts über keimende Knollen, warnt aber vor dem Genuss von grünen Stellen. Gar nicht essen sollte man bitter schmeckende Kartoffeln, sagt er, da das ein Zeichen für einen zu hohen Gehalt der giftigen Alkaloide sei.
Im Wikipedia-Artikel zu Kartoffeln und Solanin steht, dass in den Keimen einiges von dem Gift enthalten. Aber die esse ich ja nicht mit. Keine Rede davon ist, dass während des Keimens auch im Innern der Knolle mehr vom Giftstoff entsteht.
Allerdings wird auch hier empfohlen, Kartoffeln, die durch helle Lagerung grün geworden sind, nicht mehr zu essen. Lichteinwirkung fördere nicht nur die Chlorophyll-Bildung, sondern auch die Produktion von Solanin. In der dunkel gelagerten Knolle befindet sich das meiste Solanin in der Schale oder direkt darunter. Nach dem Schälen ist man also schon das meiste los und beim Kochen geht noch ein Teil ins Wasser über.
Aber selbst wenn man die Schale mitisst, ist das unbedenklich. Die Stimmt’s-Kolumne zum Thema Kartoffelschalen beruhigt jedenfalls mit der Aussage, dass Solanin ein sehr schwaches Gift sei. „Man müsste mehrere Kilogramm Kartoffelschalen essen, um überhaupt erste Vergiftungserscheinungen zu bemerken!“
Ich interpretiere das alles jetzt als Entwarnung für Omas Bedenken. Würde sie noch leben, könnte ich sie zum Kartoffelbrei einladen und ihr beruhigt erklären, dass keimende Kartoffeln genauso ungefährlich sind wie Schielen (davon könnten die Augen für immer schielend stehen bleiben, behauptete sie).
Bin froh diesen Zweifel beim Kochen los zu sein und in meinem Bauchgefühl bestätigt zu werden. Aber ich versteh nach meiner Mittags-Lektüre jetzt auch, warum meine Oma vorsichtig war, was Kartoffeln angeht. Sie hatte noch Vorkriegszeiten erlebt, als die Solanin-Konzentration der Kartoffel wesentlich höher war als bei unseren modernen Sorten (vor gut einer Woche wäre sie hundert geworden!). Als sie Kind war, kam es wirklich noch öfter zu Vergiftungen und sogar zu Todesfällen durchs Kartoffel-Solanin.
* mit dem Sternchen kennzeichne ich Partner-Links im Text (mehr dazu im Werbe-Disclaimer)
Übrigens: Wer es ganz genau wissen will und wen das Englische nicht schreckt, kann sich durch einen offiziellen US-Review der toxikologischen Forschung zu den Kartoffel-Alkaloiden nagen.
Von keimenden Kartoffel wird auch hier nicht explizit gesprochen. Warnungen gibt es vor allem vor grünen Kartoffeln und Kartoffelkeimen. Beides sollte man auf keinen Fall essen. Der Review liefert ansonsten jede Menge Daten und Fakten, ab welchen Konzentrationen Solanin (und das verwandte Chaconin) zu Vergiftungserscheinungen führt und ab welchen zum Tode. Was ich nicht wusste: es gibt in Tierversuchen bei zu hoher Dosis auch teratogene Effekte, sprich: wenn werdende Versuchstier-Mütter zu viel von den Kartoffelgiften aufnehmen, kann es beim Embryo zu Fehlbildungen kommen.