Maulwürfe sind kleine Räuber, die mit Spitzmäusen und Igel verwandt sind. Was sie besonders macht, ist ihr Extra-Daumen. Die Wissenschaft freut sich gerade über neue Erkenntnisse über die Entstehung dieses ungewöhnlichen Zusatz-Fingers.
Wir freuten uns dagegen schon, dass wir überhautp mal einem Maulwurf begegnet sind. Dafür dass sie beliebte Kinderbuch- und -filmfiguren sind, kriegen Kinder die relativ selten zu Gesicht. Meine kannten auch nur die Hügel auf der Wiese, bis.. ja bis uns vor einiger Zeit ein sehr vorwitziges Exemplar begegnete. Und an einem Ort, wo man es wohl am wenigsten erwartet…
Wir gehen sonntags oft ins Spaßbad. Wenn wir rauskommen, dauert es bei mir klischeegerecht am längsten bis ich fertig bin. Schuld sind diese Haare, die eine lange Fön-Session brauchen bis sie trocken sind. Bis ich soweit bin, vertreiben sich meine drei Jungs wartend die Zeit bei den Lounge Sesseln am Eingang, in einer Mischung aus Langeweile, Hunger und Resignation. Doch dieses Mal ist es anders. Es herrscht helle Aufregung. Rund um das Pflanzloch einer Palme im Boden des Foyers hat sich eine Traube von Menschen gebildet. Ein jüngerer Mann gräbt wild zwischen den Tuffsteinen herum.
Mein Mann grinst, als er mein Gesicht sieht und erklärt: „Die suchen den Maulwurf, der gerade zur offenen Tür hereinspaziert und dort verschwunden ist…“ Den was? Ja, tatsächlich hält der Mann, der dort so wild gegraben hatte, schon bald einen dieser kleinen, pelzigen Kerle in den Händen und trägt ihn raus auf die Wiese, wo er zwischen dem Rindenmulch am Fuß eines Baum verschwindet.
Eingefallen ist mir diese Episode gerade wieder, als ich in den Meldungen des Biologenverbands vbio auf die Nachricht stieß: Wie der Maulwurf zu seinen zwölf Fingern kommt.
Während Landwirbeltiere fast immer 5 Finger pro Hand haben, sind Maulwürfe nämlich mit einem zusätzlichen Finger ausgestattet, außen neben dem eigentlichen Daumen. Dieser Extra-Daumen sieht allerdings anders aus. Er besteht nicht aus mehreren Fingergliedern, sondern aus nur einem sichelförmigen Knochen.
Forscher von der Uni Zürich haben die Bildung dieses „Fingers“ nun während der Entwicklung des Maulwurf-Embryos untersucht. Anhand molekularer Marker konnten sie zeigen, dass er später als die echten Finger und aus einem umgeformten Sesambein des Handgelenks entsteht.
Sesambeine sind übrigens sonst kleine Knochen, die in eine Sehne vor einem Gelenk eingelagert sind. Sie bilden einen zusätzlichen Abstand zum Knochen und verbessern die Hebelwirkung, erklärt Wikipedia. Auch das Kniegelenk ist ein Sesambein.
Durch die Rekrutierung eines Sesambeins als Finger konnten die Maulwürfe in ihrer Evolution die sonst fast universelle 5-Fingrigkeit der Landwirbeltiere überwinden, die von einer Art technischen Begrenztheit (developmental constraint) der normalen Handentwicklung verursacht wird (Abstract des Papers).
Nachdem der Spaßbad-Maulwurf sich gezwungenermaßen wieder in die echte Erde gegraben hatte, witzelten wir noch lange darüber, wie unfair die Geschichte dem Maulwurf vorgekommen sein muss. Er nimmt seinen ganzen Mut zusammen um zu diesem geheimnisvollen Baum vorzudringen, den man durch die Erde nicht erreichen kann und dann trägt ihn einfach wieder jemand raus! Sauerei!
Ich hoffe, er war lang genug dort um zu merken, dass so ein Palmen-Wurzelballen in Hydrokultur nicht so spannend ist und es vor allem regenwurmtechnisch ganz düster aussieht. Gefangen in einem im Boden eingelassenen Beton-Pflanz-Container im Spaßbad hilft einem auch ein Extra-Daumen nicht mehr weiter.