Jetzt blüht sie hier wieder überall entlang der Straßen: die Gemeine Wegwarte. Zu meiner Freude! Ich mag sie nicht nur, weil sie so hübsch anzusehen ist mit ihren blauen Korbblütler-Blüten, sondern auch weil ich an meine Oma denken muss.
Ich denke an gemütliche Nachmittage auf Omas durchgesessenem Küchensofa. An Patience-Spiele, Häkeldecken und Kreuzworträtsel-Wörterbücher. Vor allem aber denke ich an Zwieback mit Butter und Caro-Kaffee zum Reintunken.
Bei dieser Erinnerungsreise von der blauen Blume bis auf Omas Sofa bildet das braune Instant-Pulver aus dem Küchenschrank das erklärende Verbindungsstück. Denn Caro-Kaffee enthält neben Gerste, Gerstenmalz und Roggen, auch Zichorie. Und Zichorie ist ein anderer Name für die Gemeine Wegwarte. In dem Fall für ihre geröstete Wurzel.
Um die Zichorienwurzel für ihren Caro-Kaffee zu gewinnen, müssen die von Nestlé natürlich keine blauen Blumen am Rande ihrer Fabrikzufahrten ausgraben. Es gibt schon lange Kulturformen für den landwirtschaftlichen Anbau. Geröstete Wegwartenwurzel diente schließlich in den letzten Jahrhunderten gerne als Kaffee-Ersatz oder zum Strecken des teuren Bohnenkaffees.
In Deutschland findet man heute kaum noch Zichorienfelder, sondern eher in Frankreich und Italien, Belgien und den Niederlanden. Von dort wandert die Wurzel aber nur zum Teil in deutschen Ersatzkaffee, wachsende Bedeutung hat es bei der Gewinnung von Inulin. Für die Korbblütler ist das eine Alternative zu Stärke, ein Zuckerspeicherstoff.
Für die Nahrungsmittelindustrie ist’s ein zunehmend beliebter Zusatz, gerade von Diätprodukten und Functional Food. Inulin schmeckt leicht süß, kann aber vom Menschen nicht in seine Fruchtzucker-Einzelteile zerlegt werden, weil uns das entsprechende Enzym fehlt. Aber Inulin ist nicht nur Süßstoff und probiotischer Ballaststoff, es fühlt sich im Mund auch wie Fett an und darf deshalb kalorienarme Joghurts und fettreduzierte Wurst cremiger machen.
Übrigens ist das Inulin auch der Grund, warum geröstete Zichorienwurzeln zum Ersatz-Kaffee wurden. Wenn es bei der Röstung karamelisiert, entsteht Oxymethylfurfurol, das ein Kaffee-ähnliches Aroma hat.
Caro-Kaffee steht bei mir immer noch im Küchenschrank. Allerdings tunke ich da keinen Zwieback mit Butter mehr rein. Lieber ist er mir jetzt in Kombination mit einem Käsebrot mit Marmelade. Und das wird auch nicht reingeditscht, denn das gäbe ja noch mehr Sauerei als diese Butter-Fettaugen, die früher immer in meiner Tasse schwammen…
Schöner und interessanter Artikel.
Immer wenn solche Pflanzen auch draußen wild auffindbar sind, überkommt mich ja der Wunsch des Selbermachens. Vielleicht reicht ja diese Erinnerung für mich aus, den lange vorgenommenen Plan auch in die Tat umzusetzen und nach Kaffee auch mal Ersatzkaffee versuchsweise selber zu rösten. Insbesondere würde ich ja gerne mal ausprobieren und vergleichen, was auch sonst noch der Wikipedia nach Verwendung fand:
Dass irgendwas davon aber wie richtiger Kaffee schmecken wird, bezweifele ich noch… 😉
Feigenkaffee hab ich übrigens mal gekauft. Der stand so hübsch verpackt im Supermarkt. Mit dem sollte man einen Teil des normalen Kaffees ersetzen. Hja, was soll ich sagen, schmeckte nicht so doll, fand‘ ich… eher so als hätte ich was Muffig-Angekokeltes in den Kaffeefilter getan… 😉
Deswegen hab ich fast die Befürchtung, dass es einen ähnlichen Grund gibt, warum reiner Zichorienkaffee nicht mehr im Handel ist. Stell‘ es mir ziemlich bitter vor. Dient bei Caro-Kaffee ja nur noch als (kleiner?) Zusatz zum Malzkaffee, denke ich.
Aber ich hab‘ mich heute beim Schreiben auch gefragt, wie man das bei den Zichorien wohl selbst machen könnte. Hab‘ eben auch noch mal geschaut, aber keine konkreten Rezepte gefunden. So gar nichts. Nur so Allgemeines wie: klein schneiden, trocknen, rösten, mahlen. Erzähl‘ unbedingt mal, wenn du dich rantraust. Das interessiert mich auch!