Wäre das nicht was? Ein halbes Jahr lang schnorcheln und unter Pinien schlafen, statt nur zwei Wochen im Sommerurlaub? Oder noch besser: Für ein paar Wochen/Monate mit der Familie auf einem Boot unterwegs sein, mal in der einsamen Bucht Halt machen, mal in der lebendigen Hafenstadt, sich treiben lassen, die Nase im Wind?
Wintertage sind doch ideal für Träume wie diese. Wintertage, an denen ich Eis von Autoscheiben kratzen muss und mir aus dem Spiegel ein paar rotgeränderte Schnupfenaugen entgegenblicken (ja, der Kleine hat mich natürlich angesteckt…)
Hilfe für die ernsthafte Umsetzung solcher Phantasien verspricht „The 4-Hour Workweek“ von Timothy Ferris. Ich kann nicht leugnen, dass es mir etwas peinlich ist, mir das bestellt zu haben. „Wie werde ich reich?“-Ratgeber gehören sonst nicht zu meiner bevorzugten Lektüre. Ökonomisches Interesse hat mir noch nie jemand nachgesagt. Ich lese ja nicht mal den Wirtschaftsteil in der Zeitung. Aber diese Verheißung! Du kannst alles haben. Du kannst leben, wo du willst. Machen, was du willst. Finanziert von einem automatisierten Geschäft, das deiner Anwesenheit und Arbeitszeit nicht bedarf.
Seit zwei Wochen liegt das Buch nun hier gelesen herum und ich schmunzle noch immer, wenn ich es sehe. Ich kann verstehen, warum es ein Bestseller ist. Es verkauft diesen neuen Lebensstil, eine Art Globalisierung für Jedermann. Dabei sind Ferriss‘ Konzepte nicht neu. Radikal ist nur, die Erfolgsrezepte der Weltkonzerne auf eine Einzelperson zuzuschneidern, die daraus nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit für sich schöpfen möchte.
Sein Wohlstandsrezept: Verkaufe in Industrienationen und lass‘ die Arbeit in Schwellenländern machen. Achte schon bei der Wahl des Produkts darauf, dass die Kunden dir möglichst wenig Arbeit machen. Gründe ein Geschäft, dass vollständig online laufen kann. Bring es ins Laufen und source dann alles aus, von der Produktion bis zu den Reklamationen. Mache dich vollständig entbehrlich.
Dann zieh‘ los und geh‘ deinen Leidenschaften nach. Nur einmal in der Woche checkst du deine Mail, telefonierst mit deiner virtuellen Assistentin in Indien, gibst ihr neue Instruktionen, justierst ein bisschen hier, ein bisschen dort und kehrst dann zu deinem wahren Leben zurück.
Dienstleistungen lassen sich so natürlich nicht verkaufen. Es müssen schon Produkte her. Auch für mich gäbe es Hoffnung auf diesen Traum des 21. Jahrhunderts, denn Informationen zählen laut Ferriss zu den besten Produkten überhaupt. Um die Werbekosten klein zu halten, sollte man eine Nische anvisieren. Gut wäre etwa ein Ratgeber für eine eng begrenzte Gruppe von Leuten, die man sehr gut kennt, weil man selbst dazugehört oder mal dazugehört hat. Ein resultierendes Produkt könnte ein Buch sein oder so was sie ’ne Broschüre + Schulungsvideo. Dies bewirbt man dann in den Spezialzeitschriften dieser Gruppe und über Google Adwords. Voilà, deine Geldmaschine!
Wer will da noch mal hören, dass die schreibende Zunft schlecht verdient? Alles Quatsch! Die gehen das nur völlig falsch an! Also, wundert euch nicht, wenn es auch bei mir bald soweit ist mit dem mobilen Lebensstil. Seid vorbereitet, dass ich euch wochenlang mit immer neuen Schnorchel-Abenteuern erfreue, unterbrochen nur von Lobliedern über fantastische Meeresfrüchte-Risottos und exquisite Fischsuppen. Alles finanziert von meinem neuen Audiobook „52 Tipps gegen Sodbrennen in der Schwangerschaft“ und dem Ratgeber „Handreichung für die Ehe zweier Klugscheißer.“
Schon mal eine Vorbestellung!
Ich freu mich selbst schon drauf. Ich weiß sogar, welche meine beiden Lieblingskapitel werden: „Nein, Schatz… 1×1 des liebevollen Besserwissens“ und „Belehrende Vorträge unter Liebenden: gewusst wie“… 😉