Parasiten-Faszination

Hab ich schon erwähnt, dass ich Carl-Zimmer-Fan bin? Ich habe letztes Jahr einen ganzen Stapel seiner Bücher bestellt und arbeite mich langsam durch. Auch sein Buch über Parasiten (von 2000) enttäuschte mich nicht: Parasite Rex*
Es kommt zwar vom Cover etwas zu grell daher, aber innen ist es ganz Carl Zimmer. Einfach gut recherchierte und gekonnt aufbereitete Informationen, zu wunderbaren Geschichten gegossen – anschaulich und reportage-artig hier, erklärend und vertiefend dort, verwoben mit Wissenschaftsgeschichte und Anekdoten über die Art wie unser gesellschaftliches Bild von Parasiten sich gewandelt hat.

Im Sudan ist er mit Ärzten unterwegs, die sich dem Kampf gegen die Schlafkrankheit verschrieben haben, ausgelöst vom einzelligen Parasiten Trypanosoma brucei. In Costa Ricas Dschungel fängt er mit Biologen Frösche und riesige Kröten, die unzählige verschiedene Parasiten beherbergen.

Er erzählt spannende Episoden aus der Geschichte der Parasitologie – über Spontanzeugung von Maden aus unbelebter Materie (und wie gotteslästerlich diese Idee eigentlich war), über die erste Entdeckung von Lebenszyklen und Wirtswechseln, über einen deutschen Biologen des 19. Jhs, der Finnen aus Schweinefleisch unter das Essen von verurteilten Schwerverbrechern mischte um nach ihrer Hinrichtung seine Theorie zu beweisen, dass es sich dabei um nichts anderes als Bandwurm-Eier handelt.

Er erklärt wie die Parasitologie ins Abseits geriet, weil Parasiten nicht so sind wie Bakterien und Viren, weil sie nicht im Labor kultivierbar sind, nicht gegen sie geimpft werden kann und sie zunehmend als ein Problem der Entwicklungsländer wahrgenommen wurden (und immer noch werden).

Er zeigt eine der Wurzeln der Parasiten-Metapher für die Beschreibung der Gesellschaft: den britischen Zoologen Roy Lankester, der sich ekelt vor der Degeneriertheit der Parasiten, wo doch das Leben sonst sich zu immer komplexeren Höhen aufschwingt. Und wie sich dieser Ekel steigert bei den Faschisten, auf degenerierte Gesellschaftsteile, ja ganze Völker überträgt.

Er erzählt über neuere Forschung, etwa wie Michael Sukhdeo jahrelang versuchte die Gradienten zu finden, die Parasiten nutzen um ihre Ziele im Körper der Wirte zu finden, die Leber, den Darm, die Lunge. Bis sich herausstellte: es gibt keine Gradienten. Parasiten navigieren nach einfachen Verhaltensregeln, als hätte ihnen jemand einen Plan mitgegeben, auf dem es heißt: immer geradeaus, wenn du auf der rechten Seite die Tankstelle siehst, die nächste links abbiegen. Auf die gleiche Art treiben Parasiten wie Trichinella durch den Verdauungskanal. Das Pepsin des Magens lässt sie aus ihrer Hülle kommen. Dann treiben sie weiter und warten auf den nächsten Trigger, in dem Fall Gallenflüssigkeit, die eine Änderung des Schwimm-Modus auslöst, mit dem die Würmer in den Darm schwimmen.

Ja, so könnte ich wohl ewig weiter schreiben, denn das waren nur die Erkenntnisse und Geschichten der ersten 35 Seiten. Es folgen ja noch 210 weitere spannende Seiten, über Parasiten in Evolutions- und Verhaltensbiologie, in Immunologie und Ökologie, usw.

Leider gibt es das Buch nur auf Englisch wie alle Carl Zimmer-Bücher, traurigerweise. Es gab 2001 zwar eine deutschsprachige Ausgabe, aber die ist nur noch antiquarisch und zu Preisen über 50 Euro zu haben, was ich dann doch übertrieben fände für ein Taschenbuch, das es auf Englisch für aktuell 11,99 Euro gibt.

Warum kommt dieser fantastische Autor in Deutschland eigentlich nicht an? Keine Ahnung! Das würde mich echt mal interessieren.

* mit dem Sternchen kennzeichne ich Partner-Links im Text (mehr dazu im Werbe-Disclaimer)

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