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„Psst, sag niemandem, dass du Läuse hattest…“ – Mit Fakten gegen die Läuse-Scham

Dieser Text erschien im Oktober 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Viele Eltern kennen es. Auf Kopflaus-Alarm in Schule oder Kindergarten reagieren wir anders als auf andere Krankheiten. Auch wer sonst unbefangen über Rotz und Dünnpfiff seines Nachwuchses plaudert, schweigt betreten, wenn es um das Krabbeln auf dem Kopf geht.

Grund dafür ist zum einen der Ekel vor den Biestern. Davon bin auch ich als Biologin nicht frei. Zwar kann ich den Biologen-Blick  einschalten und versuchen, Läuse einfach als lästige Blutsauger zu sehen, die sich von Mücken nur insofern unterscheiden, dass sie nach ihrer Blutmahlzeit nicht wieder wegfliegen, sondern es sich bei uns gemütlich machen wollen. Wie Zecken also, nur dass sie auch noch ihre Eier auf uns ablegen. Spätestens, wenn ich daran denke, dann ist er auch bei mir wieder da, der Ekel.

Läuse kommen nicht aus der Gosse

Ich konnte mich zwar bei den zwei Malen, wo es uns erwischte, mit dem Gedanken beruhigen, dass die Viecher harmlos sind und keine Krankheiten übertragen. Trotzdem haben auch bei mir Kopfläuse die größere Macht über meine Gefühle als die gesundheitlich
eigentlich bedenklicheren Zecken. Nur bei den Läusen schüttelte es mich und ich verspürte den unsinnigen Drang die ganze Wohnung zu desinfizieren.

Der schmallippige Aktionismus, der Eltern in dem Fall gerne befällt, liegt aber nicht nur an dem Ekel, den wir empfinden, sondern auch daran, dass wir uns schämen. Schließlich gelten Läuse als Zeichen dafür, dass mit einem was nicht stimmt, nicht wahr? An den entsetzten Blicken der anderen Eltern ist jedenfalls deutlich abzulesen, dass niemand mit Läusen in Verbindung gebracht werden will. Alle fürchten die hochgezogene Braue des Gegenüber und das vielsagende Getuschel á la „Aaach, diiie haben das angeschleppt?“
Allein der Gedanke als schmuddelig zu gelten und gemieden zu werden, ist eine furchtbare Vorstellung.

Die unausgesprochene Annahme dahinter ist, dass Kopfläuse sich in den Haaren von ungewaschenen Gestalten am Rande der Gesellschaft am wohlsten fühlen und sich somit irgendwer „in der Gosse“ herumgetrieben haben muss, um sie sich einzufangen. Dabei ist das Quatsch. Und die Leute, die sich hinter vorgehaltener Hand fragen, wer die Biester eingeschleppt hat, sitzen allerhöchstens einer Verwechslung auf.

Waschmaschinen und Trockner – Die natürlichen Feinde

Denn: Ja, es gibt tatsächlich Läuse, deren Auftreten etwas über hygienische Verhältnisse aussagen. Aber das sind nicht die Kopfläuse, sondern ihre Verwandten, die Kleiderläuse.
Findet man bei jemandem Kleiderläuse kann man davon ausgehen, dass diese Person kürzlich unter besonderen Umständen gelebt hat. Etwa unter Obdachlosen oder Flüchtlingen. Aber auch diese Läuse sind kein Zeichen von Armut oder Verwahrlosung, sondern nur davon, dass man in Gemeinschaftsunterkünften mit Leuten übernachtet hat, die mit wenig Wechselkleidung reisen.

Von daher kann auch ein Twen in ihren 20ern, die gerade von der Weltreise als Rucksack- Touristin zurück kommt, Kleiderläuse als ungebetenes Mitbringsel dabei haben. Denn auch Backpacker-Hostels sind Lieblingsorte der Kleiderläuse, weswegen in Foren übrigens der Tipp kursiert, die Beine seines Bettes in der Unterkunft mit doppelseitigem Klebeband zu umwickeln, um die Läuse zu stoppen, wenn sie nachts vom Bett des Nachbarn ins eigene
krabbeln wollen.

Aber Vorsicht, auch wenn die Info über diese – andere – Sorte von Läusen die schlimmsten Vorurteile zu bestätigen scheint, sollten auch Kleiderläuse heutzutage kein Grund sein in Ekel-Panik zu verfallen, geschweige denn Leute auszugrenzen. Denn  Waschmaschinen und Trockner sind die natürlichen Feinde dieser Parasiten. Sprich: Auch Menschen, die auf Reisen oder auf dem Flüchtlings-Treck das Pech hatten, Kleiderläuse zu kriegen, sind sie
schnell los, sobald sie wieder weniger beengt leben und die Möglichkeit haben, ihre Kleidung sowie Bettzeug normal zu wechseln und zu reinigen.

Von Mensch zu Mensch

Was das alles mit Kopfläusen zu tun hat? Gar nichts. Im Fall der Kopfläuse ist an dem Vorurteil, auch sie fühlten sich in ähnlichen Verhältnissen am wohlsten, nichts dran. Während der Kleiderlaus-Befall im Englischen auch Vagabunden-Krankheit genannt wird,
gelten Kopfläuse den Medizinern als Plage der Schulkinder. Und zwar quer durch alle sozialen Schichten und völlig unabhängig von Einkommen, Herkunft und Lebensweise der Familie.

Anders als die Kleiderlaus verbreitet sich die Kopflaus nur direkt von Mensch zu Mensch. Sie kann nicht springen, hangelt sich aber schnell rüber, wenn die Haare zweier Menschen sich berühren, was besonders unter Kindern ja oft passiert. Weil der Kopflaus der Kontakt mit Wasser und Shampoo nichts anhaben kann, ist ihr Auftreten weder ein Zeichen mangelnder Hygiene noch mit anderen besonderen Lebensumständen verbunden.

Das macht die Kopflaus zu der Laus, die ans Leben in Industrie-Länder am besten angepasst ist. Das bedeutet leider auf der anderen Seite, dass sie – anders als die Kleiderlaus – auch bei erhöhtem Hygiene-Aufwand nicht von alleine wieder weggeht,
sondern aktiv mit Anti-Kopflausmitteln bekämpft werden muss.

Kopfläuse machen keine Unterschiede

Zusammengefasst kann man sagen: Bei Kleiderläusen stimmt das Vorurteil mit der eingeschränkten Hygiene zwar. Weil sie dank eigenen vier Wänden und regelmäßigem Waschmaschinen-Gebrauch aber von allein dezimiert werden, würden wir’s höchstwahrscheinlich noch nicht mal merken, selbst wenn sich mal eine zu uns verirrt. Die Läuse dagegen, die früher oder später immer entdeckt werden, sind Kopfläuse. Und da bei ihnen nichts dran ist an den Vorurteilen mit mangelnder Hygiene, macht Scham und Ausgrenzung bei ihnen ungefähr so viel Sinn wie bei einem Schnupfen.

Hat das eigene Kind Schnupfen, fragen wir uns ja auch nicht, welche Klassenkameraden schuld sind. Klar kann es sein, dass das neue Flüchtlingskind in der Klasse ihn mitgebracht hat, oder der Junge aus der Hartz-IV-Familie, aber genauso wahrscheinlich ist eben, dass das eigene Kind ihn sich bei der Tochter des Zahnarztes eingefangen hat und die wiederrum bei ihrer Reitfreundin und die vorher bei einem Mädchen vom Tennis-Ferien- Camp. Auch die Lehrerin kann Überträgerin gewesen sein. Und bei Kopfläusen ist es eben genauso. Die machen auch keinerlei Unterschiede.

Von rotem Herbstlaub und fürsorglichen Blattlaus-Müttern

Dieser Text erschien zuerst bei web.de und gmx.  Da der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag inzwischen nur noch hier.

Stadtpark_Okt1
So schön bunt war der Nürnberger Stadtpark noch im Oktober

Jetzt sind die Bäume schon ganz kahl. Und ich vermisse die herbstliche Pracht an den Ästen sehr – besonders die rot gefärbten Blätter, die so schön rausleuchten zwischen den grünen und gelben.

Pararadox eigentlich diese Vorliebe von mir, denn für die Bäume selbst scheint die rote Herbstfärbung gerade eine Strategie zu sein, um WENIGER attraktiv zu wirken – zumindest für Blattläuse. Von rotem Herbstlaub und fürsorglichen Blattlaus-Müttern weiterlesen

Chemie vs. Natur

Es kommt vor, dass ich aufgeregte Anrufe und Mails bekomme, wenn im Familien- oder Freundeskreis Parasiten oder Schädlinge auftauchen, die Ängste oder Ekel hervorrufen. Auch zur Giftigkeit der Insektenschutzmittel vom Kammerjäger sollte ich in diesem Zusammenhang schon Auskunft geben. Schließlich habe ich ja Biologie studiert. Dass man so nützliches toxikologisches Anwendungswissen im Biologiestudium nur in Ausnahmefällen lernt, kann ja wirklich niemand ahnen… 😉

Wenn ich Zeit und Lust habe, recherchiere ich dann mal ein bisschen, wie bestimmte Viecher am besten zu bekämpfen sind, ohne dass man sich selbst dabei schadet. ABER – und jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema – bei den Gesprächen dazu fällt mir immer wieder auf, dass es ganz verbreitete Fehl-Vorstellungen gibt zu den Unterschieden zwischen „chemischen“ und „natürlichen“ Mitteln. Hier einige sehr verbreitete Vorurteile, die einfach nicht stimmen. Chemie vs. Natur weiterlesen

Läuse-Alarm: 5 häufige Irrtümer

Vor Schulanfang sorgen sich die Erstklässler-Mütter wie ich, ob die Lehrerin wohl nett ist, ob das Kind gerne in die Schule gehen wird und wie man verhindert, dass das Thema Hausaufgaben zum Drama wird. Nach Schulanfang kommen ganz neue, unerwartete Sorgen-Themen auf die Tagesordnung. Zu den kleineren gehören etwa: irgendwo vergessene Jacken, Mützen und Handschuhe. Zu den gefühlt größeren die Kopflaus.

Ja, mit den kleinen Krabbelviechern darf ich mich gerade aus aktuellem Anlass beschäftigen, leider nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Noch am Montag war ich ziemlich ahnungslos. Heute, vier Tage später, kann ich aus nächster Anschauung berichten, wie Läuse und Nissen eigentlich aussehen (kleiner als ich gedacht hatte), wie beeindruckend schnell und effizient sie sich verbreiten (wenige Stunden Verwandtenbesuch mit Umarmungen reichen) und wie sehr die Viecher immer noch vom peinlichen Schweigen und der Unwissenheit der Menschen profitieren. Läuse-Alarm: 5 häufige Irrtümer weiterlesen

Parasiten-Faszination

Hab ich schon erwähnt, dass ich Carl-Zimmer-Fan bin? Ich habe letztes Jahr einen ganzen Stapel seiner Bücher bestellt und arbeite mich langsam durch. Auch sein Buch über Parasiten (von 2000) enttäuschte mich nicht: Parasite Rex*
Es kommt zwar vom Cover etwas zu grell daher, aber innen ist es ganz Carl Zimmer. Einfach gut recherchierte und gekonnt aufbereitete Informationen, zu wunderbaren Geschichten gegossen – anschaulich und reportage-artig hier, erklärend und vertiefend dort, verwoben mit Wissenschaftsgeschichte und Anekdoten über die Art wie unser gesellschaftliches Bild von Parasiten sich gewandelt hat. Parasiten-Faszination weiterlesen