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Warum sind Hebammen plötzlich so ein Risiko für die Versicherer?

Dieser Text erschien im März 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Zwei Frauen halten ein Transparent mit der Aufschrift "Wir brauchen Hebammen"

Demo am 8.3.14 in NürnbergMich wühlt gerade etwas sehr auf. Ja, es hat mich sogar auf die Straße getrieben. Zum Demonstrieren. Wer Nachrichten verfolgt, hat von dem Grund sicher schon gehört: Der Hebammen-Beruf geht vor die Hunde. Und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit Jahren.

Die explodierenden Beiträge zur Berufshaftpflicht entziehen den eh schon gering verdienenden Hebammen Stück für Stück die
Existenzgrundlage. Jetzt kündigen Versicherungsgesellschaften an, sogar ganz aus dem Geschäft auszusteigen und einfach gar keine Haftpflicht für Hebammen mehr anzubieten. Zu viel Risiko.

Über die Konsequenzen wird viel geschrieben und über die muss auch berichtet werden. Denn all die wertvolle Hebammenarbeit, von der ich vor neun und vor sechs Jahren noch profitieren konnte, als meine beiden Kinder geboren wurden, steht entweder auf dem Spiel
oder ist – noch schlimmer – schon längst unter die Räder gekommen.

Wofür es aus meiner Sicht aber bisher noch viel zu wenig Aufmerksamkeit gibt, ist die Ursache dieser Hebammen-Misere. Wer meint, die Beiträge der Haftpflicht steigen, weil so viel Schlimmes passiert bei Geburten, der irrt. Nie in der Geschichte der Menschheit war Kinderkriegen sicherer als heute in den industrialisierten Ländern. Und zwar nachgewiesenermaßen unabhängig vom Geburtsort.

Aber natürlich gibt es auch heute keine 100-prozentige Sicherheit. Weder zu Hause noch in der Klinik. Leider geht nicht immer alles gut. Und für die Betroffenen sind diese Ereignisse dann – egal wie selten – immer tragisch. Sehr tragisch. Da hat sich im Vergleich zu früher nichts geändert.

Geändert hat sich aber, wie Eltern und Gesellschaft darauf reagieren. Und dieser veränderte Umgang zeigt sich in den Gerichtssälen unserer Republik. Und zwar in den  schwindelerregenden Summen, die inzwischen im Schadensfall ausgezahlt werden.

Ich mache den Eltern keinen Vorwurf. Wenn einem meiner Kinder während der Geburt etwas passiert wäre wegen eines Fehlers der
Geburtshelfer, hätte ich wohl auch geklagt.

Ich mache auch den Anwälten und Richtern keinen Vorwurf. Sie helfen den Eltern, ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld und
Pflegeaufwand einzuklagen. Damit das Kind bis zu seinem Lebensende versorgt ist.

Ich mache auch Krankenkassen und Rentenkassen keinen Vorwurf, denn auch sie haben laut Gesetz das Recht, den Verursacher für all
ihre Mehrkosten mit diesem Kind in Regress zu nehmen.

Wem ich aber einen Vorwurf mache, ist der Politik. Sie schaut nicht nur seit Jahrzehnten zu, wie es mit den Schadenssummen in den
Klagen der Eltern steil bergauf geht, sondern erlaubt es den Sozialversicherungen, der Geburtshilfe noch mehr Last aufzubürden. All die berechtigten Ansprüche an Hebammen, Ärzten und Kliniken, die Mist gebaut haben, klingen vielleicht gerecht, wenn man nur die Verursacher anschaut. Dann vergisst man aber, wer die gigantischen Schadenssummen am Ende zahlt: die Gemeinschaft aller in der Geburtshilfe Tätigen, die auf eine Haftpflichtversicherung angewiesen sind.

Zwar sind es nur ganz wenige Gerichtsprozesse. Aber sie machen allen, die mit Schwangeren beruflich zu tun haben, eine Heidenangst. Und wer denkt, dass diese Angst qualitätssteigernd wirkt, der irrt wieder. Ich verstehe erst im Rückblick, durch das Einlesen in die ganze Problematik, einige Situationen in meinen Schwangerschaften besser. Aber damals! Was habe ich mich geärgert über den Krankengymnasten, der mich wegschickte mit meinem eingeklemmten Nerv, mit der Aussage, er behandle grundsätzlich keine Schwangeren. Was habe ich mich gewundert, über die mühsam verkniffene Angst in den Augen von Ärzten bei manchen Entscheidungen. Was habe ich gestaunt, wie die Hebamme es schafft, unter der Geburt alles zu notieren, was passiert, obwohl es dafür in manchen Situationen nun wirklich nicht die Zeit gibt.

Ist das alles qualitätssteigernd? Wohl kaum. Und wenn durch die Millionensummen im Schadensfall die Haftpflichtbeiträge aller
Beteiligten steigen, dann sinkt die Qualität zusätzlich. Denn wie reagieren die Einzelnen, wenn der Gewinn sinkt, den sie mit ihrer
Tätigkeit erzielen können? Manche nehmen es frustriert hin, andere steigen aus. Wieder andere versuchen, zusätzliche
Einkommensquellen zu erschließen oder schlicht mehr zu arbeiten. Nichts davon fördert das eigentliche Ziel: die bestmögliche
Versorgung von Mutter und Kind.

Liebe Politiker, es gibt jetzt schon viel zu lange ein allgemeines Haftpflicht-Problem in der Medizin und dort vor allem in der
Geburtshilfe. Und dieses Problem gefährdet inzwischen massiv die flächendeckende Versorgung von Schwangeren. Die freiberuflichen
Hebammen haben als erste aufgeschrien, weil sie durch ihren geringen Verdienst das schwächste Glied in der Kette sind. Aber sie sind zugleich nach meiner Erfahrung eine wirklich tragende Säule. Ich will mir daher nicht ausmalen, was alles Schlimmes passiert, wenn sie nicht mehr mit ihren erfahrenen und wachsamen Augen alles vor, während und nach den Geburten begleiten. Es ist allerhöchste Zeit, gegenzusteuern!

Erst Gummibärchen und dann der kleine Pieks?

Dieser Text erschien im März 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Gummibaerchen-Narkose2

Bei unserem Kinderarzt gibt’s nach der Untersuchung immer eine knusprige Mini-Brezel für’s Kind. Natürlich nur für die Älteren. Babys kriegen noch nichts. Laut neuerer Forschung könnten aber gerade Säuglinge am eindeutigsten von einem Leckerli bei unangenehmen Arzt-Prozeduren profitieren. Allerdings muss es dafür Zucker enthalten und es muss vor der Spritze gegeben werden. Dann reduziert es effektiv ihre Schmerzen.

Im Blog des Kinderdoc entstand letztens eine Debatte über Sinn und Unsinn von Mitgebseln beim Kinderarzt. Er wollte per Umfrage wissen, ob Eltern es gut finden, wenn die Kinder nach der Behandlung etwas Kleines geschenkt kriegen, und wenn ja, was es ihrer Meinung nach geben sollte: Lieber kleine Geschenke? Oder was Essbares?

In den über 150 Kommentaren des Beitrags wurde das Für und Wider der Mitgebsel ausgiebig diskutiert. Sind sie ein schönes Ritual? Taugen sie als Trost bei Schmerzen? Sollte man sie als Belohnung für Wohlverhalten während er Behandlung einsetzen? Wie bei diesen Fragen zu erwarten, ging es heiß her. So fanden manche Süßes ok, aber verachteten den Mini-Spielzeug-Schrott. Bei den Anderen war es genau umgekehrt.

Gar nicht Thema in der Diskussion war aber, dass es das Mitgebsel beim Arzt stets erst nach der Behandlung gibt. Nur eine einzige Mutter berichtete in einem Kommentar, ihre Ärztin wende beim Impfen „die Gummibärchen-Narkose“ an, worunter ich verstehe, dass ihr Kind vor der Spritze etwas Süßes bekommt.

An diese „Gummibärchen-Narkose“ musste ich sofort denken als ich in einem englischsprachigen Blog von Cochrane einen Bericht über verschiedene systematische Reviews las, die Alternativen zu Schmerzmitteln untersucht hatten. Eine dieser medizinischen Übersichtsarbeit konnte bestätigen, dass Zucker bei Babys nachweisbar schmerzstillend wirkt, wenn er vor einer unangenehmen Behandlung verabreicht wird.

Cochrane Reviews gelten als besonders vertrauenswürdige Quelle für Therapie-Entscheidungen. Sie werden von einem unabhängigen Netz von Forschern und Ärzten herausgegeben, die alle verfügbaren Infos zu einer bestimmten medizinischen Therapie einordnen und zusammenfassen.

Der Effekt der Schmerzstillung durch Zucker kann übrigens nicht mit der Ablenkung erklärt werden, die mit der Gabe verbunden ist. Denn erstens wurde der Zucker ein paar Minuten vor der Behandlung gegeben. Und zweitens funktionierte das Geben von Flaschenmilch oder Wasser wenig bis gar nicht. Nur Zucker und Muttermilch (die ja ebenfalls sehr süß ist) reduzierten die Schmerzbekundungen des Babys eindeutig.

Andere Reviews zeigen, dass auch andere Maßnahmen vor der Prozedur den Schmerz reduzieren, wie direkter Hautkontakt mit der Bezugsperson oder auch das Saugen-Lassen an einem Schnuller.

Die Ergebnisse decken sich mit meiner eigenen Erfahrung. Die erste schmerzhafte Prozedur, die meine Kinder jeweils über sich ergehen lassen mussten, war die Blutabnahme an einem der ersten Tage nach der Geburt – für den Standard-Test auf angeborene Stoffwechselstörungen.

Meinen inzwischen 9-Jährigen Großen hatte ich damals „nur“ auf dem Arm als die Hebamme ihm in die Ferse piekste um das Blut abzunehmen. Er zuckte stark zusammen und schrie dann wie noch nie zuvor. Drei Jahre später – beim zweiten Kind – hatte ich eine Hebamme, die einen Trick kannte. Sie bat mich den Kleinen zu stillen. Und wenn ich mich recht erinnere, hat er nur einmal kurz „Äh“ gemacht als der Pieks kam. Dann nuckelte er weiter.

Ob die Forschungsergebnisse von Schmerzstillung durch Zucker auch auf größere Kinder übertragbar ist, konnte noch nicht geklärt werden. Sollte sich aber herausstellen, dass der Effekt auch hier nachweisbar ist, würden meine Kinder bei ihren Impf-Terminen vielleicht zukünftig gleich mit Gummibärchen begrüßt werden, statt erst danach Brezeln abzustauben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie gegen eine solche Änderung nichts einzuwenden hätten…

Ich wünsche mir das Gute. Aber gibt’s das auch ohne Esoterik?

Dieser Text erschien im März 2014 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Heute muss ich mal jammern. Darüber, dass ich mich bei den alltäglichsten Entscheidungen quer zu den sonstigen Diskussionslinien bewegen muss. Warum fällt es mir nur so schwer, mich für eine Seite zu entscheiden in all den modernen Debatten rund um Ernährung, Umwelt und Medizin?

Der übliche Graben verläuft ja entlang Fragen wie diesen: Sollen wir uns für die größte Natürlichkeit entscheiden oder für die modernste Technik? Wünsche ich mir eine Hausgeburt oder die Klinik mit Not-OP nebenan? Kauf ich aus Bio- oder konventioneller Landwirtschaft? Vertraue ich dem Alternativmediziner oder dem Kinderarzt?

Seit ich Familie habe, ist es noch schlimmer geworden mit diesen Entscheidungen. Ich erwische mich dann, wie ich – scheinbar unentschlossen – mit einem Bein auf der einen und mit dem anderen Bein auf der anderen Seite des Grabens stehe. Einfach, weil meine Meinung weder hüben noch drüben richtig passt. Meine Argumente verlaufen meist irgendwie quer zu der sonstigen Diskussion.

Ich habe damit bis vor kurzem oft gehadert. Mach ich das extra? Ist das mein Eigensinn? Meine notorische „Ja, aber“-Mentalität? Ich glaube inzwischen: nein. Das Problem ist vielmehr, dass ich oft und gerne guten Zielen und berechtigter Kritik folgen will, dann aber abgestoßen werde. Weil an den guten Zielen unnötige Ideologie klebt. Weil die berechtigte Kritik hoffnungslos verrührt ist mit Verschwörungstheorien und Esoterik. Hier vier Beispiele:

Bio-Lebensmittel

Wenn es um unsere Nahrung geht, will ich auch so wenig Pestizide auf den Feldern wie möglich. Ich will, dass Nutztiere artgerecht gehalten werden und nur Medikamente kriegen, wenn sie krank sind. Ich mag es, dass in Bio-Keksen meist weniger Zucker drin ist. Und dass mein Bio-Brot mit traditionellem Sauerteig-Verfahren hergestellt ist.

Warum aber, frage ich mich, kann ich das alles nicht kriegen, ohne mich über die Produkte daneben aufzuregen, weil sie mit esoterische Ritualen werben, mit magischen Mondkalendern und dem Wirken kosmischer Äther- und Astralkräfte? Warum kann ich es nicht verhindern, dass ich mit dem Kauf von Bioprodukten gleichzeitig eine mächtige Anti-Gentechnik-Lobby unterstütze, die breite Bevölkerungsschichten davon überzeugt hat, dass Nahrung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen ihnen generell schaden würde, obwohl es für den Glauben an die Gefährlichkeit von „Genfood“ bisher keinerlei Bestätigung aus seriöser Forschung gibt?

Sanfte Medizin

Ich bin auch für Achtsamkeit im Umgang mit dem kranken Körper. Ich finde auch, dass Ärzte nicht nur fachlich fähig, sondern auch einfühlsam und menschlich sein müssen. Dass Zuhause-Bleiben und Auskurieren besser ist als Weiterhetzen unter Schmerzmittel-Doping mit eilig eingeworfenem Antibiotikum. Ich finde, dass ganzheitliche Ansätze wichtig sind und die Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper. Und ja, ich finde auch Hausgeburten toll und bin großer Fan der Hebamme, die mir half meinen Kleinen im Zimmer nebenan auf die Welt zu bringen

Aber warum ist es oft so schwierig, Vertreter sanfter Medizin zu finden, die nicht gleichzeitig Anhänger irgendeiner Spielart modernen Schamanismus‘ sind? Kann ich bitte sanfte Medizin kriegen, aber ohne Kügelchen oder obskure Salze, ohne Magnetarmbänder oder Edelsteine mit geheimnisvollen Energien? Kann ich bitte reiche Auswahl haben unter patientenorientierten, empathischen Ärzten, die nach STIKO-Empfehlung impfen und immer auf dem neuesten Stand sind, was die Evidenz-basierte Medizin angeht?

Natur-Nähe

Ich liebe doch auch die Natur. Blühe auf bei Meeresrauschen und Waldesruhe oder wenn ich weit blicken kann über sanfte Hügel mit Feldern und Wiesen. Finde es bereichernd, mich wenigstens ein bisschen auszukennen bei Tieren und Pflanzen. Wünsche mir, dass der tropische Regenwald genauso erhalten bleibt wie das Tümpel-Biotop nebenan, Tiger und Gorilla genauso geschützt werden wie hierzulande inzwischen Biber und Luchs. Hoffe, dass die Menschheit es schafft, zunehmend nachhaltiger zu wirtschaften und die Bevölkerungsexplosion zu bremsen, damit für unsere Nachfahren noch Lebensgrundlage übrig ist

Aber warum fühle ich mich so allein, wenn ich die Natur ohne Ideologie und Verklärung lieben will?  Ohne Technikfeind zu sein und den Fortschritt zu verdammen? Ohne die Natur romantisch zu überhöhen? Ohne in sie eine besondere Reinheit und Heiligkeit reinzuprojizieren? Ohne die Vorstellung, dass die Natur beseelt ist und uns wie eine Mutter nähren würde, wenn wir nur alle stets „im Einklang“ mit ihr lebten? Ohne zu vergessen, dass es die Unschuld, die sich viele wünschen, nicht geben kann,  weil sogar Pflanzen kein Interesse daran haben von uns gegessen zu werden? Ohne Kulturpessimist zu sein und in verallgemeinertem Selbsthass die Menschheit für eine Art Krankheit zu halten?

Misstrauen wegen Eigeninteressen „des Systems“

Wie viele andere Leuten hege auch ich manchmal eine Skepsis gegenüber Politik, Institutionen und Wirtschaft, wenn es um Fragen von Gesundheit und Ernährung geht. Ich zweifle im Kleinen, ob es nicht doch eine bessere Alternativen zu einem bestimmten medizinischen Eingriff gegeben hätte – wenn man jemand anders als den behandelnden Arzt selbst gefragt hätte, der daran verdient. Ich zweifle im Großen, wie weit man den internationalen Pharmafirmen, Saatgut-Giganten oder Lebensmittelkonzernen den Weg trauen kann. Ich zweifle bei politischen Entscheidungen, ob Bürger-, Patienten- und Verbraucherinteressen genügend im Vordergrund standen.

Aber auch hier fühle ich mich oft wieder alleine. Denn ich wünsche mir politische und gesellschaftliche Kräfte, die ein gesundes Misstrauen äußern nicht nur gegenüber den Gewinn-Maximierern des globalen Kapitals sondern genauso gegenüber den wissenschaftsfeindlichen Ideologen der radikalen Umweltorganisationen. Ich habe Skepsis nicht nur gegenüber Big Pharma, sondern finde, dass das Gesundheitssystem insgesamt wesentlich transparenter und wissenschaftlicher werden muss. Und das heißt: auch weg mit den Sonderrechten für die angeblich moralisch unverdächtige Alternativmedizin. Ich will auch, dass Geld- und Macht-Interessen ausgeglichen werden. Aber nicht mit einer Ideologie, die neue Schieflagen produziert. Ich will echte, funktionierende Gegengewichten in einer starken Demokratie, die sich von neutraler, unabhängiger Wissenschaft beraten lässt.

Und so könnte ich weiter und weiter aufzählen. Trotz allen Jammerns macht mich aber eines froh: Dass ich mich selbst inzwischen nicht mehr komisch finde, nur weil ich mich nicht eindeutig einer Seite anschließen kann. So wie der Graben heute oft verläuft, geht das einfach nicht. Und diese Erkenntnis ist doch schon mal was. Bleibe ich halt so stehen, mit einem Fuß auf der einen Seite und dem anderen Fuß auf der anderen Seite. Und höre einfach auf, mir dabei blöd vorzukommen.

 

#symp2013 (6) – Erbguth über Wachkoma und das abgeschaltete Bewusstsein

TdS Symposium PR Blatt 01-2013 72 DpI RGBEs gab noch ein paar tolle Vorträge beim Turm der Sinne-Symposium im Oktober, über die zu schreiben ich bisher noch nicht gekommen bin. Heute geht’s deshalb weiter mit meiner Reihe. Und zwar mit Frank Erbguth. Der Direktor der Neurologie im Klinikum Nürnberg sprach dort vor 4 Monaten über medizinisch relevante Zustände von abgeschaltetem Bewusstsein.

Ich hatte einige „Ach, so ist das!“-Momente in Erguths Vortrag. So wusste ich vorher nicht, dass ein Koma eigentlich immer ein vorübergehender Zustand ist. Ein Koma ist in den allermeisten Fällen ein Zustand, der innerhalb kurzer Zeit in einen anderen Zustand übergeht – bei Verschlechterung in den Tod, bei Verbesserung zum Aufwachen.

Wenn die Rede davon ist, dass jemand „jahrelang im Koma lag“, ist meist der dritte mögliche Zustand gemeint, in den das Koma übergehen kann: das Wachkoma. Wie der Name schon sagt, ist der Patient dann zwischendurch wach. Sprich: der Schlaf-Wach-Rhythmus ist wieder da. Und auch die Reflexe sind auslösbar. Aber eben nicht viel mehr.

Durch den Vortrag verstehe ich besser, warum dieser Zustand – das Wachkoma – eigentlich so verstörend ist. Das war nicht Erbguths Hauptthema, aber für mich persönlich ein interessante Erkenntnis. Das Wachkoma ist ein Zustand, der fremd wirkt, weil es für ihn im Alltag keine Entsprechung gibt. Zustände wie Ohnmacht, Narkose oder auch das Koma sind im Vergleich dazu unproblematisch, weil sie von außen aussehen als schlafe der Mensch. Dass man dann nicht ansprechbar ist, ist uns klar. Das Wachkoma aber sieht ganz anders aus als der Schlaf. Hier fällt etwas auseinander, was wir sonst immer als zusammenhängend wahrnehmen: Wachheit und Bewusstsein. #symp2013 (6) – Erbguth über Wachkoma und das abgeschaltete Bewusstsein weiterlesen

Rätsel-Auflösung: Kanal-Manipulator

Betaeubungsspritze1
Bitte mal ganz weit aufmachen… nicht erschrecken, jetzt kommt ein kleiner Pieks…

So, liebe Leute, es ist Zeit dafür das Januar-Rätsel aufzulösen und den Gewinner zu verkünden.

Weil es hier ja um Biologie im Alltag geht, waren es diesmal meine Zahnarzt-Besuche der letzten Wochen, die den Stoff für’s Rätsel lieferten. Genauer gesagt: die Betäubungsspritzen, die damit einher gingen. Rätsel-Auflösung: Kanal-Manipulator weiterlesen

Rätsel des Monats: Kanal-Manipulator

Oh Schreck, schon der letzte Tag im Januar! Allerhöchste Zeit für das Rätsel des Monats.

Heute suche ich Stoffe mit einer bestimmten medizinischen Funktion. Mir wurden sie in den letzten Wochen gleich mehrmals verabreicht. Die damit verbundenen Arzt-Termine waren übrigens einer der Gründe, warum es hier im Blog sehr ruhig war. Rätsel des Monats: Kanal-Manipulator weiterlesen

Erkältet? Meine liebsten Hausmittelchen

Ingwer-TeeDieser Text erschien zuerst bei web.de und gmx. Da der Blogbereich dort im April 2018 eingestellt wurde, gibt es ihn inzwischen jedoch nur noch hier.

Was hilft wirklich bei Erkältung? Ehrlich gesagt nicht viel. Sprich: Da müssen wir einfach durch. Ich habe für mich aber ein paar Hausmittelchen gefunden, die mir den Weg durch die Erkältung etwas erträglicher gestalten.

Als es mich letztens wieder erwischte – pünktlich zur Hochphase der Weihnachtsvorbereitung natürlich – habe ich die Gelegenheit genutzt, mal zu fotografieren, was ich mir gerne zusammenbraue, weil es mir gut tut. Erkältet? Meine liebsten Hausmittelchen weiterlesen

Nicht nur für Vergessliche und den Impfskeptiker-Nachwuchs

BZgA_DSDI_1-1-Anzeige_Waschmaschine-212x300Da denkt man, man sei durchgeimpft und dann das: Mir fehlt eine Masern-Impfung!

Ich muss zugeben: Als ich die Poster der derzeitigen Impf-Kampagne in den Bushäuschen sah, dachte ich nur: Aha, jetzt wollen sie die Jugend erreichen, damit die die Impfungen nachholt, die ihre impfskeptischen Eltern nicht wollten. Nice try!

Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass mich das Thema selbst auch betreffen könnte. Bin schließlich als Kind brav nach dem empfohlenen Schema geimpft worden.

Dass es mich doch betrifft, merkte ich erst als ich über den immunblog auf die Kampagnen-Seite bei impfen-info.de gelockt wurde und eher spaßeshalber mal den Test dort gemacht habe (ja, dafür sollte man seinen Impfpass gefunden haben). Raus kam zu meiner Überraschung, dass mir die zweite Spritze fehlt.

Bei meiner MMR-Impfung 1979 dachte man noch, dass EIN Impftermin reicht für die Immunisierung. Stimmt aber nicht. Heute weiß man: wir brauchen zwei für einen dauerhaften Schutz. So wie es bei meinen Jungs auch gemacht wurde.

Ich hab‘ mir jetzt zerknirscht einen Arzttermin geben lassen. Und fühlte mich peinlich berührt an die Fahrradhelm-Geschichte erinnert. Jahrelang hatte ich drauf bestanden, dass die Kinder Helme tragen und bin daneben ohne gefahren. Ich argumentierte damit, dass ich schließlich seit dreißig Jahren nicht mehr vom Fahrrad gefallen sei. Seit einiger Zeit lässt mein Großer das nicht mehr gelten und meint, dass er NUR einen trage, wenn ICH einen trage. Im Auto müssten sich schließlich auch ALLE anschnallen… es ist ein Fluch manchmal mit diesen schlauen Kindern… 😉

(Und nein, dies ist kein bezahlter Post. Nur für den Fall, dass sich einer so was fragt… ;-))

Von „attraktivem Wandschmuck“ und entfernten Brustdrüsen

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© Einhorn-Presse Verlag

Momentan arbeite ich ja nicht als freie Wissenschaftsjournalistin. Weil ich das aber mal ein paar Jahre gemacht habe, stehe ich auf allerhand Journalisten-Listen und kriege einen regelmäßigen Strom von Pressemitteilungen ins Mail-Fach. Die meisten davon klicke ich schnell weg. Manche lese ich aus persönlichem Interesse. Aber noch nie war etwas dabei, worüber ich in der Wissensküche berichten wollte. Bis jetzt! Da kam mal wieder eine Mail vom Einhorn-Presse-Verlag, die ich tatsächlich las. Sie wollte meine Aufmerksamkeit auf den „attraktiv gestalteten Stammbaum der Medizin“ lenken, einen Wandschmuck, der laut Presse-Info interessant sei „für Mediziner, Studenten und Medizininteressierte aus Klinik, Praxis, Universität und Pharma“. Keine Ahnung, ob das Poster so hübsch ist, aber wenn’s nach mir ginge, würde ich mir im Wartezimmer viel lieber mit so was die Zeit vertreiben als mit den ollen Zeitschriften. Also, liebe niedergelassenen Ärzte, zu denen ich gehe: Bitte kaufen! Muss auch nicht die Manufaktur-Edition aus Bronzeguss sein. Mir reicht das einfache Poster für 29,- Euro … 😉

Wem das jetzt noch nicht genug Medizin für den Tag war und wer auch noch nicht genug hat von Angelina Jolie und ihrer vorsorgenden Brust-OP:

Die bloggende Frauenärztin und Buchautorin „Heldin im Chaos“ klärt auf, dass zwischen der Entfernung von Drüsengewebe und der Amputation der ganzen Brust ein großer Unterschied besteht. Außerdem gibt’s ein paar professionelle Gedanken zur Erblichkeit von Krebs (selten) und dem Umgang mit dem Risiko.

Noch mehr Cochrane

Nach meinem Beitrag zum Cochrane-Jubiläum von letztem Mittwoch ging ich wühlen und hab auch den Artikel wiedergefunden, für den ich damals mit Gerd Antes gesprochen hatte.  Ich denke, es ist kein schnell veraltendes Wissen dabei, deshalb stell‘ ich ihn mal online – für die unter euch, die sich schon immer mal in die Unterschiede verschiedener Typen klinischer Studien einlesen wollten: Laborjournal-Artikel von 2006 (PDF).

Außerdem stieß ich über eine Seite bei Cochrane.de auf eine schöne Sendung im Schweizer Radio Die medizinischen Besserwisser – 20 Jahre Cochrane Collaboration. Keine Angst, sie ist nicht auf Schwyzerdütsch. Und sie lohnt sich. Erklärt die Besonderheiten und die Historie von Cochrane und beleuchtet auch den aktuellen Kampf mit dem Pharma-Unternehmen Roche um die Herausgabe aller Studiendaten über das Grippemittel Tamiflu. Die Tamiflu-Geschichte ist auch politsch von Bedeutung, weil viele Länder das Zeug für viel Geld eingelagert haben – in der Angst vor einer Grippe-Pandemie. Aber wie wirksam und wie sicher ist Tamiflu wirklich? Das lässt sich erst beurteilen, wenn Roche die Ergebnisse ALLER Studien veröffentlicht – und nicht nur von einem Teil.