Mein Kommentar für LJ online – Tierschutz in der Forschung: Zu lasch oder zu streng?

Ist die EU-Richtlinie zu Tierversuchen nun zu lasch oder zu streng in nationales Recht umgesetzt worden? Ich habe für Laborjournal online darüber geschrieben, warum diese Frage voller Politik und Moral steckt und dass es dabei um nichts Geringeres geht als um die Frage, wann Forschungsfreiheit und wann Tierschutz wichtiger ist:

Tierschutz in der Forschung: Zu lasch oder zu streng?

Gutachten zu angeblichen Mängeln in Tierversuchsgesetzen, oder: die Suche nach einem Hebel, um die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland einzuschränken.
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Gefahr, Ekel und Rekorde: Welche Naturbücher meine Jungs gerne lesen

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Als Biologin habe ich schon allerhand Kinder-Sachbücher für meine Jungs (11 und 8) angeschleppt, die sie völlig kalt gelassen haben. Inzwischen habe ich raus, dass Biologie-Wissen mit Humor daherkommen muss und einem speziellen Kick, wenn ich will, dass sie es gerne lesen. Tierische Rekorde kommen gut an. Auch eklige oder gefährliche Tiere finden sie spannend.

Iiih…! – Faszination Ekel

Die Serie „Die 100 … Dinge der Welt“ ist beliebtes Mitbringsel ab Mitte des Grundschulalters. Am meisten Biologie enthält der Band Die 100 ekligsten Dinge der Welt*. Es gibt darin jede Menge Parasiten und andere Ekelviecher für begeisterte „Igitt“-Rufe. Außerdem „Stinkepflanzen“ und alles über Ausscheidungen, Ohrenschmalz und co. Gefahr, Ekel und Rekorde: Welche Naturbücher meine Jungs gerne lesen weiterlesen

Müssen wir Placebo-Medizin wie die Homöopathie bekämpfen?

Dieser Text erschien im Februar 2016 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Während die einen schwören, Homöopathie habe ihnen schon unzählige Male geholfen, ist sie für die anderen eine esoterische Pseudomedizin. Unmöglich, dass beide Seiten Recht haben, oder?

Ich will ehrlich sein. Ich persönlich kann mit der Homöopathie nichts anfangen. Die Theorie dahinter ist pseudowissenschaftlich. Klinische Studien zeigen immer wieder, dass die Wirkung der Kügelchen nicht über die von Placebos hinausgeht. Und wenn
Freundinnen ihre Homöopathen loben, klingt es in meinen Biologen-Ohren wie das Schwärmen für einen schamanistischen Alchemisten.

Eigentlich sollte mich das zu einer natürlichen Verbündeten des neu gegründeten Netzwerkes Homöopathie machen, die der Alternativmedizin-Richtung gerade medienwirksam den Kampf angesagt hat und über ihre Unwirksamkeit aufklären will.
Aber – und das wird jetzt einige überraschen: Ich denke nicht, dass meine Freundinnen sich die homöopathische Wirkung nur einbilden. Die ist durchaus da. Ja, ich bin sogar davon überzeugt, dass sie bei ihren Homöopathen etwas bekommen, das im Rest des  Gesundheitssystems oft schmerzlich fehlt. Etwas, wovon sich Ärzte im Allgemeinen einScheibchen abschneiden sollten.

Wer sich gerade verärgert fragt, wie um alles in der Welt diese beiden Aussagen zusammenpassen sollen, ist wahrscheinlich in bester Gesellschaft. Denn wie kann etwas gleichzeitig esoterischer Blödsinn und wertvolle Medizin sein? Das geht doch nicht, oder?
Doch, das geht. Und um das zu verstehen, muss man sich nur die Erkenntnisse der Placebo-Forschung anschauen.

Placebos wirken durchaus

Denn was bedeutet es, wenn wir sagen, etwas sei ein Placebo? Viele denken ja, ein Placebo zu bekommen sei gleichbedeutend damit, gar nicht behandelt zu werden. Wissenschaftsbasierte Medizin muss schließlich in klinischen Studien beweisen, dass sie wirksamer ist als die Placebo-Behandlung. Das nährt das Vorurteil, Placebos seien etwas Wirkungsloses. Aber das stimmt nicht.

In Studien, in denen eine echte Behandlung und eine Placebo-Behandlung zusätzlich noch mit einer Nicht-Behandlung verglichen werden, zeigt sich, dass es den Placebo- Behandelten besser geht als den Nicht-Behandelten. Und zwar nicht nur in ihrer subjektiven Wahrnehmung, sondern auch nach objektiv nachweisbaren Kriterien.

Das, mit was behandelt wurde, mag zwar ein Nichts sein, die Reaktion auf dieses Nichts ist aber sehr real. Denn auch Gedanken, Gefühle und Erwartungen können bei Menschen
über Nerven und Hormone Prozesse anstoßen, die messbare Änderungen in ihrem Körper bewirken.

Inzwischen kommt man auch nicht mehr um die wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis herum, dass dieser Placebo-Effekt schon immer ein Teil ganz normaler medizinischer Behandlungen ist. Auch wenn wir unsere Blutdrucktabletten nehmen, etwas gegen die Schmerzen schlucken oder die Pillen gegen Parkinson, beruht die Wirkung nicht allein auf dem direkten Effekt der Arznei-Moleküle auf unsere Körperchemie, sondern zusätzlich auf dem psychologisch vermittelten Effekt, den wir selbst bei uns auslösen – dem Placebo-
Effekt.

In nichts zeigt sich die Bedeutung des Placebo-Effekts für die allgemeine medizinische Praxis für mich deutlicher als in dem Unterschied, den es macht, wenn Krankenhaus- Patienten am Tropf Medikamente im wachen Zustand oder in Schlaf/Narkose  bekommen. Natürlich wirken echte, pharmazeutische Mittel auch, wenn die Patienten ohne Bewusstsein sind. Aber sie wirken messbar stärker, wenn die Patienten mitkriegen, dass sie sie erhalten haben.

Obwohl es Stand der Forschung ist, dass medizinische Behandlungen generell auf zwei verschiedene Arten wirken, wird die psychologische Komponente im Gesundheitssystem aber oft nicht systematisch genutzt.

Psychologische Unterstützung hängt vom Arzt ab

Nach meiner Erfahrung ist es schon Glückssache, ob man an einen menschlich inkompetenten Holzklotz von Arzt gerät oder ob man bei jemandem landet, der das Gespräch mit Patienten zu nutzen versteht, um Vertrauen aufzubauen und Zuversicht in den Erfolg der geplanten Therapie zu vermitteln. Es ist also Zufall, ob man den psychologischen Boost kriegt, den eine gelingende Patienten-Arzt-Beziehung zusätzlich zur pharmazeutischer Wirkung auslöst.

Zudem gilt es unter wissenschaftsbasierten Medizinern meist als ethisch nicht vertretbar, Patienten reine Placebos zu geben. Wenn sie meinen, man könnte von einer Placebo- Behandlung profitieren, greifen sie daher höchstens zu harmlosen Medikamenten, von denen sie sich in dem Fall aber weniger eine Arznei-, als vielmehr eine Placebo-Wirkung versprechen.

Aber auch über die Anwendung solcher sogenannten Pseudo-Placebos wird eher verschämt unter der Hand geredet.
Ich denke, so lange der Umgang mit dem Placebo-Effekt in der modernen, medizinischen Praxis noch so unzuverlässig genutzt wird, werden es immer Alternativmediziner sein, die diese Lücke füllen.

Zwar haben Homöopathen vom Naturwissenschaftlichen her gesehen nichts zu bieten. Trotzdem scheinen sie mit ihrer windigen, 200 Jahre alten Pseudowissenschaft den Placebo-Effekt weit systematischer zu nutzen als das die normale Ärzteschaft sonst tut.

Meiner Meinung nach schreit das nicht nach einem wütenden Kampf gegen die Homöopathie, sondern sollte eher dazu anstacheln, die psychologische Dimension des Heilens endlich auch im normalen medizinischen Alltag konsequent umzusetzen. Damit
auch Menschen wie ich, die ihre Medizin gerne wissenschaftsbasiert halten, davon profitieren können.

Wie verkleide ich mich als Biologin? – Forscher-Kostüme für Fasching oder Halloween

Wer vor Karneval nach Kostümen sucht, um sich als Wissenschaftler zu verkleiden, hat allerhand Schrilles zur Auswahl – von Perücken für „Verrückte Professoren“ bis zum gift- und blutbespritzten Labor-Overall für die Rolle eines Dr. Toxic.

Aber was machen die, denen der Sinn nicht nach Albernheit und Popkultur steht? Wie sähe eigentlich eine authentische Forscher-Verkleidung aus? Eine Bestandsaufnahme aus der Biologie.

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„Genfood“: Wo kann ich gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen?

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Im Gegensatz zu unseren Süßigkeiten enthalten die für den US-Markt produzierten meist gentechnisch veränderte Zutaten. Auch diese Peanut Butter Cups von Reese’s.

Letztens stolperte ich in einem Forum über die Frage einer Schülerin: „Wo kann ich noch schnell Genfood mit Kennzeichnung kaufen? Brauch‘ für mein Biologie-Referat über Gentechnik morgen noch Anschauungsmaterial. “

Weil erstaunliche 100% der Antworten, die sie bekam, falsch waren, und es sicher immer wieder Leute gibt, die das gleiche Problem haben, dachte ich, stelle ich mal ein paar Fakten zusammen:

Darf „Genfood“ verkauft werden?

Ja. Produkte, die gv-Pflanzen enthalten, dürfen normal im Handel vertrieben werden. Voraussetzung ist nur,

  • dass die gv-Sorte als Lebensmittel in der EU zugelassen ist und,
  • dass auf der Packung vermerkt ist, dass Zutaten von gentechnisch veränderten (gv-) Pflanzen stammen.

Warum ist dann immer von „Genfood“ die Rede, das nicht gekennzeichnet ist?

Lebensmittel, in denen gv-Pflanzen drin sind, müssen immer gekennzeichnet werden. Das kann und wird auch überprüft. Und wer sie nicht kennzeichnet, verstößt gegen das Gesetz.

Nicht gekennzeichnet werden muss Milch und Fleisch von Tieren, die gv-Pflanzen zu fressen bekommen haben. Das hat einen einfachen Grund: An der Milch oder dem Fleisch selbst kann man im Zweifel nämlich gar nicht nachweisen, ob dieses Tier nun gv-Pflanzen im Futter hatte oder nicht.

Warum habe ich im Laden noch nie gv-Kennzeichnung gesehen?

Obwohl es erlaubt ist, es zu verkaufen, führen nur wenige kennzeichnungspflichtiges „Genfood“. Die Schülerin wird es also schwer gehabt haben, solche Lebensmittel bis zum nächsten Tag aufzutreiben. „Genfood“: Wo kann ich gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen? weiterlesen

Hat Höcke recht, aber wir dürfen es nicht sagen? – Ein Fakten-Check mit Anleitung zur Verhinderung totalitären Denkens

Wenn ich jetzt verkünde, dass mir bei den Zitaten aus Bernd Höckes Afrika-Rede am Wochenende die Haare zu Berge standen, werden diejenigen heftig nicken, die seine Rede auch ganz furchtbar rassistisch fanden, während die anderen den Kopf schütteln und mir unterstellen, ich würde auch zu dieser „grün-linken Meinungsmafia“ gehören. Ich denke aber, dass das, was ich als Biologin zu Höcke zu sagen habe, für viele auf beiden Seiten nicht das sein wird, was sie erwarten. Denn mir ist sowohl die extreme Rechte wie auch die extreme Linke zuwider. Aber mal sehen.

Der AfD-Vorsitzende von Thüringen, Björn Höcke, hat eine Rede gehalten, in der er behauptete, Afrikaner seien aus biologisch-evolutionären Gründen vermehrungsfreudiger als Europäer. Das hat großen Aufruhr erzeugt und Beobachter in der Meinung gestärkt, die AfD sei nun endgültig auf dem Weg vom rechtspopulistischen ins rechtsextreme Lager. In den Medien wurde überall darüber diskutiert, wie rassistisch es sei sowas zu sagen.

Was mir aber komplett fehlte in der Berichterstattung, war eine inhaltliche Analyse seiner Aussage. Denn das, was er sagte, hat ja nicht nur eine politische Motivation und Bedeutung, sondern kann auch auf der sachlichen Ebene überprüft und diskutiert werden. Stimmt es überhaupt, dass Afrikaner im Schnitt mehr Kinder kriegen als Europäer? Und wenn ja, was wissen wir darüber, was die Ursachen dafür sind?

Aber diese Art von Fragen wurden nirgendwo auch nur gestreift. Und das kam mir falsch vor. Gerade vor dem Hintergrund, dass Rechtspopulisten zunehmend jeden Aufschrei moralischer Empörung aus dem angeblich meinungsbeherrschenden rot-grünen Lager für ihre Zwecke nutzen und behaupten: „Seht ihr, wieder eine Wahrheit, die unterdrückt wird.“ In meinen Augen muss es daher journalistische Pflicht sein, solche Aussagen auch auf ihren sachliche Gehalt zu überprüfen.

Wenn sie das gemacht hätten, wäre den Journalisten vielleicht auch aufgefallen, dass sie den in meinen Augen größten Rassismus in seinen Aussagen noch gar nicht entdeckt hatten. Aber was mir auch auf dem Herzen liegt, ist, dass vieles von dem, was für Andere offenbar schon nach NS-Rassenlehre riecht, für mich durchaus legitime biologische Fragestellungen sind. Auch darum muss es also gehen. Darum, was Rassismus heute ist. Hat Höcke recht, aber wir dürfen es nicht sagen? – Ein Fakten-Check mit Anleitung zur Verhinderung totalitären Denkens weiterlesen

Mini-Mikroskop für Kinder: günstig & für überall

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In unseren Ostsee-Urlaub hat uns diesen Sommer ein kleines Gerät für Kinder begleitet, über das ich schon länger schreiben wollte, weil mich sein Preis-Leistungsverhältnis begeisterte: ein Mini-Mikroskop für unter 10 Euro (von Pfiffikus von Kuenen). Mini-Mikroskop für Kinder: günstig & für überall weiterlesen

Gibt es schlechte Gene?

Dieser Text erschien im Oktober 2015 im gemeinsamen Nachrichten-Portal von web.de, gmx und 1&1. Weil der Blogbereich dort jedoch im April 2018 eingestellt wurde, gibt es den Beitrag jetzt hier im Volltext (vorher waren hier nur Teaser und Link).

Gibt es schlechte Gene und wenn ja, was sind sie eigentlich? Wie in viel Bereichen des Lebens ist ein Schwarzweißdenken auch im Bereich der Genetik fehl am Platz. Denn es ist gar nicht so eindeutig zu unterscheiden, welche Gene gut und welche schlecht sind.

Als ich die Google-Bildersuche gestern mit dem Begriff „schlechte Gene“ fütterte, spuckte die Suchmaschine mir ein buntes Allerlei aus. Darunter auch viel zu Risikogenen. Symbolbilder von Rauchern und dicken Bäuchen. Auch Hirnscans von MSDiagnosen waren dabei oder Bilder von Familien mit gehäuftem Auftreten von Darmkrebs.
Die dazugehörigen Texte erzählten, dass manche Menschen mit einer größeren Anfälligkeit geboren werden – für Sucht oder Fettleibigkeit, Multipler Sklerose oder Darmkrebs.

Gute Gene, schlechte Gene

Ich lächelte traurig und schüttelte den Kopf. Nicht weil die Berichte über die Forschung falsch wären. Klar gibt es Veranlagungen. Es gibt Familien, in denen bestimmte Krankheiten häufiger sind als in anderen. Das ist wahr. Und doch führt es meiner Meinung nach auf den Holzweg die dazugehörigen Gene als „schlecht“ zu bezeichnen.

Und ich meine das gar nicht moralisch, sondern rein sachlich. Auch wenn ich nur als Biologin auf diese Frage schaue, ist es gar nicht so eindeutig, wie viele meinen, welche Gene „gut“ und welche „schlecht“ sind – im Sinne von förderlich oder schädlich für die
Gesundheit.

Nehmen wir die Gene, die eigentlich die eindeutigsten Beispiele für „schlechte“ Gene sein sollten: Es gibt ja durchaus Gene, die alleine die Macht haben, uns schwer krank machen. Und zwar egal, wie wir leben und welche Gene wir noch so haben. Gene, die von einer Mutation betroffen sind, die sie kaputt gemacht haben. Gene, die so wichtig im Körper sind, dass Menschen ernste Ausfallerscheinungen haben, wenn diese kaputt-mutierten Gene ihren Job nicht richtig machen. Für diese kranken Menschen ist dieses Gen ganz sicher etwas Schlechtes. Damit ist aber noch nicht die ganze Geschichte erzählt.

Gendefekt als Chance

Gerade bei Ein-Gen-Krankheiten, die sehr häufig sind, weiß man inzwischen, dass sie für die Gesundheit ihrer Träger nicht nur schädlich, sondern auch nützlich sein können. Die bekanntesten Beispiele dafür sind genetische Krankheiten, die die Funktion der roten Blutkörperchen stören, wie die Sichelzellanämie oder die Thalassämie.

Hat man zwei dieser defekten Gene, kann das die  Sauerstoffversorgung unseres Körpers massiv beeinträchtigen. Aber: Bei nur einem defekten Gen ist sie fast normal. Und hier ist
der Defekt plötzlich sogar ein Vorteil – zumindest in Malaria-Gebieten. Denn die defekte Variante des Gens schützt vor den schwereren Verläufen der Infektion. Sprich: Man wird krank, überlebt aber.

Wenn die Sichelzellanämie in Teilen von Afrika häufig ist und die Thalassämien im Mittelmeerraum, steckt also Evolution dahinter. Die defekten Gene boten in diesen Gebieten Vorteile. Weil Leute mit einer funktionsfähigen und einer defekten Variante des
Gens in den letzten Tausenden Jahren Malaria eher überlebten als Leute mit zwei gesunden Varianten des Gens, nahm die Häufigkeit der defekten Varianten in der Bevölkerung zu.

Diese Gene sind natürlich „schlecht“, wenn man sieht, dass sie die Ursache einer Krankheit sind. Wer das Pech zwei defekte Varianten geerbt zu haben, leidet unter schweren gesundheitlichen Probleme aufgrund dieses Gens. Trotzdem ist das defektes Gen für die, die nur eins davon geerbt haben, etwas Gutes. Es beeinträchtigt sie kaum im Leben und bietet einen Schutz gegen den Malaria-Tod.

Schlechte Gene in ihrem Kontext

Wie wir dieses Gen also insgesamt bewerten, hängt sehr von der Umwelt ab. In Zeiten und Gegenden, die frei von Malaria sind, ist es vor allem ein „schlechtes“ Gen. In Zeiten und Gegenden aber, in denen Malaria ein großes Risiko war, ist es eher wie ein zweischneidiges Schwert oder ein Schutzfaktor mit Nebenwirkungen.

Einzelne in der Gemeinschaft zahlen einen hohen Preis, während andere profitieren. Einen ähnlichen Effekt vermutet man übrigens bei einer anderen Ein-Gen-Krankheiten, die in unseren Breiten häufig ist: die Mukoviszidose. Hat man zwei defekte Kopien des betroffenen Gens, ist die Produktion von Schleim, Schweiß und Verdauungssäften in vielen Teilen des Körpers gestört. Vor allem durch ihre Probleme mit der Lunge ist die Lebenserwartung der Patienten stark einschränkt.

Die evolutionsbiologische Erklärung: Weil das Produkt des Mukoviszidose-Gens zugleich das Einfallstor einiger Krankheitserreger ist, geht man auch hier davon aus, dass der
Besitz eines gesunden und eines defekten Gens einen Schutz gegen Infektionen darstellt. Es gibt einige Hinweise darauf, dass dieses Gen unseren Vorfahren gegen Tuberkulose half.

Gene und ihre Evolutionsgeschichte

Meine skeptischen Gedanken beim Blick auf die Google-Suche zu den „schlechten Genen“ ist also: Wenn schon bei den eindeutigsten Krankheitsverursachern unter unseren Genen einige dabei sind, die nicht die reinen Bösewichte sind, für die wir sie gerne halten, was ist
dann erst mit denen, die „nur“ als Risikogene gelten?

Selbst wenn die Forscher eindeutig nachweisen können, dass eine Genvariante das Risiko einer Krankheit erhöht, sollten wir doch auch danach fragen, was dieses Gen uns in unserer Evolutionsgeschichte gebracht hat. Gerade wenn diese Variante in der Bevölkerung häufig ist, sollte die naheliegende nächste Frage lauten: Und was waren die Vorteile dieses Gens? Schützte es unsere Vorfahren vielleicht vor einem anderen Unheil?

Das Phänomen, das ich dort beschreibe, wird übrigens Heterozygoten-Vorteil genannt. Hier eine Erklärung des Begriff im Lexikon der Biologie bei Spektrum. Es gibt erstaunlicherweise noch keinen eigenen Beitrag dazu  in der deutschen Wikipedia (aber einen Text in der englischen Wikipedia).

#symp2015 – Mein Blick auf’s Turm der Sinne-Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“ – Teil 3

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Im diesem dritten und letzten Teil meiner kleinen Blog-Reihe über das diesjährige Turm der Sinne- Symposium wird es um meine Eindrücke von den Vorträgen am Sonntag gehen, sowie um die Podiumsdiskussion zum Abschluss.

Auch an diesem dritten Tag zeigte sich, dass dieses Symposium politischer war als die bisherigen. Denn es ging nicht nur um den Angriff der Hirnforschung auf ein paar heilige Kühe der Psychotherapie sondern auch um kollektive Demütigungen als Kriegsursachen, um die janusköpfige Natur jeglicher Gruppenbildung und um Moral und wie universell sie sein kann.

#symp2015 – Mein Blick auf’s Turm der Sinne-Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“ – Teil 3 weiterlesen

#symp2015 – Mein Blick auf’s Turm der Sinne – Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“ – Teil 2

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Nach dem ersten Teil meiner Gedanken zum diesjährigen Symposium folgt hier der über das zweite Drittel der Veranstaltung – die Vorträge vom Samstag Nachmittag und den Dokumentar-Film am Abend.

Wie immer beim Turm der Sinne-Symposium faszinierte mich, wie unterschiedlich die Perspektiven waren. Bei jedem Programmpunkt ging es um Liebe und Krieg, um Bindungen und um Gewalt. Und doch waren die Ansätze jeweils ganz unterschiedlich. Denn ein Evolutionspsychologe stellt andere Fragen als eine Therapeutin. Und einen Verhaltensforscher interessieren andere Aspekte als eine Neurowissenschaftlerin. Aber für mich trägt jeder Blickwinkel etwas ganz Eigenes zum Verständnis bei. #symp2015 – Mein Blick auf’s Turm der Sinne – Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“ – Teil 2 weiterlesen

Gedanken zu Wissenschaft und Gesellschaft, im Großen und ganz Kleinen