#symp2015 – Mein Blick auf’s Turm der Sinne-Symposium „Gehirne zwischen Liebe und Krieg“ – Teil 3

TdS Symposium 2015 PR Blatt HiRes

Im diesem dritten und letzten Teil meiner kleinen Blog-Reihe über das diesjährige Turm der Sinne- Symposium wird es um meine Eindrücke von den Vorträgen am Sonntag gehen, sowie um die Podiumsdiskussion zum Abschluss.

Auch an diesem dritten Tag zeigte sich, dass dieses Symposium politischer war als die bisherigen. Denn es ging nicht nur um den Angriff der Hirnforschung auf ein paar heilige Kühe der Psychotherapie sondern auch um kollektive Demütigungen als Kriegsursachen, um die janusköpfige Natur jeglicher Gruppenbildung und um Moral und wie universell sie sein kann.

Psychotherapie im Clinch mit der Hirnforschung

In seinem Vortrag „Krankes Gehirn – kranke Seele? – Neurobiologische Grundlagen psychischer Erkrankungen und ihrer Therapie“ machte Gerhard Roth deutlich, welchen wichtigen Beitrag die Hirnforschung für die Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen inzwischen leistet. Die Neurobiologie  produziere nämlich nicht – wie manche Philosophen meinen – nur Trivialitäten, sondern werde immer mehr zur Grundlage eines wesentlich tieferen Verständnisses für Störungen in Stressverarbeitung, Selbstberuhigung und Bindung.

Um die neurowissenschaftlichen Kenntnisse in die Praxis zu bringen, scheut Roth auch vor Konflikten mit ganzen Denkschulen nicht zurück. Denn die Forschung zeige, dass weder die kognitive Verhaltenstherapie noch die Psychoanalyse richtig lägen, was die Theorien über ihre Wirksamkeit angeht.

Psychotherapie funktioniere zwar bei einem Drittel der Menschen, so Roth, aber nicht durch die Mechanismen, durch die Therapeuten meinen, dass sie wirke. Um die Erfolgsquote zu steigern, sei es wichtig, genau zu klären, was es stattdessen ist, was bei gelingender Therapie passiere.

Es war ein leidenschaftlicher Vortrag, der mir Lust machte auf Roths Buch von 2014: Wie das Gehirn die Seele macht*, das er zusammen mit Nicole Strüber geschrieben hat und in dem es u.a. um solche neuen Erkenntnisse aus der Therapieforschung geht.

Lassen sich kollektive Kränkungen heilen?

Mein Eindruck von Evelin Lindners Vortrag „Von Demütigung zu Terror und Krieg – Erniedrigung kann zu Gewalt führen, kann sie auch zu Liebe führen?“ kann man nur als zwiegespalten beschreiben. Einerseits beeindruckte mich der Mut der Forscherin und Aktivistin. Sie hat sich der Aufgabe verschrieben, kollektive Demütigungen als Kriegsursachen verstehen und heilen zu wollen. Eine wichtige, aber heikle Arbeit, die sie dieses Jahr unter die Nominierten für den Friedensnobelpreis brachte.

Umso enttäuschter allerdings war ich als ihr Vortrag immer mehr in linken Populismus abglitt. Ich hätte gerne mehr über ihre Forschung erfahren. Über ihre Gespräche in Deutschland, Ruanda und Somalia zu den  Empfindungen kollektiver Kränkungen. Über die Art, wie sie die Friedenslehren von Bonhoeffer, Freire und Mandela konkret anwendet um zwischen verfeindeten Gruppen wieder Begegnungen auf Augenhöhe möglich zu machen.

Statt eigener Gedanken aber servierte sie dem Publikum lieber Globalisierungskritik und Kapitalismus-Verachtung von der Stange. Eben das übliche Feindbild-Denken mit einfachen Antworten, ohne erkennbares Bewusstsein dafür, wie viel Leid auch das antikapitalistische Lager im 20. Jahrhundert ja verursacht hat. Schade! Denn wo ihre persönlichen Erkenntnisse anklangen waren ihre Worte anrührend und klug, einfühlsam und differenziert.

Von der Vergrößerung unseres Kreises

Michael Schmidt-Salomons Vortrag mit dem Titel „Nächstenliebe und Fernstenhass – Lässt sich der moralische Dualismus überwinden?“ drehte sich um die bedrückende Forscher-Erkenntnis der letzten Jahre, dass Empathie und Feindseligkeit als zwei Seiten derselben Medaille gesehen werden müssen. Innige Verbundenheit zu unserer eigenen Gruppe ist physiologisch direkt gekoppelt mit der leicht entzündbarer Aggression gegenüber Anderen, die wir als Bedrohung unserer Gruppe wahrnehmen.

Schmidt-Salomon äußerte sich jedoch vorsichtig optimistisch, weil die Überwindung dieses moralischen Dualismus nach seiner Meinung nicht außerhalb des biologisch möglichen liege. Die Lösung liegt für ihn in der beständigen Vergrößerung des Kreises derer, die wir bereit sind als Teil unserer Gruppe zu sehen. Von Familie zu Clan, über Nation bis zur ganzen Menschheit habe es bereits eine Ausdehnung gegeben, die sogar vor der Artgrenze nicht Halt gemacht habe.

Zuletzt sprach er von Projekten der Giordano-Bruno-Stifung, deren Vorstandssprecher er ist, und die den Prozess hin zu einem ethischen Monismus unterstützen sollen. So sei es wichtig, sich sowohl gegen den islamischen Fundamentalismus als auch gegen Fremdenfeindlichkeit einzusetzen, weil beides Strömungen seien, die den moralischen Dualismus förderten statt ihn zu mindern. Auch die Vermittlung von Evolutionswissen schon in der Grundschule sieht Schmidt-Salomon als förderlich für den Gedanken, dass wir alles Leben auf dem Planeten als eine Familie ansehen, die uns Menschen einschließt.

Skepsis gegenüber einfachen Lösungen

Die Podiumsdiskussion zum Abschluss war eine der besten, die ich bisher bei den Turm der Sinne-Symposien erlebt habe. Denn es wurde über einen auch für mich entscheidenden Punkt kontrovers diskutiert. So sehr sich nämlich Norbert Bischof, Evelin Lindner, Gerhard Roth und Michael Schmidt-Salomon einig waren, dass Krieg und Leid verhindert werden sollten, gab es doch Meinungsverschiedenheiten über das Ausmaß in dem das möglich ist.

Bischof und Roth zeigten sich skeptisch gegenüber den Visionen von Lindner und Schmidt-Salomon. Sie machten klar, dass nur kontinuierliche Kraftanstrengungen die zerstörerischen Kräfte des Menschen im Schach halten könnten und dass sie nicht an die Existenz einfacher Lösungen glauben,  um diese ein für alle mal zu neutralisieren. Lindner und Schmidt-Salomon dagegen wehrten sich gegen den Vorwurf idealisierende Träumer zu sein und betonten, dass sie sich zwar für eine bessere Welt einsetzen, dabei aber nicht vergäßen, wie komplex diese Welt sei.

Kulturimperialismus gegen Kulturrelativismus?

Dass der Umgang mit widerstreitenden Moralvorstellungen einer der härtestes Brocken bei der künftigen Befriedung der Welt sind, zeigte sich für mich an einem Beispiel von Lindner. Sie beschrieb ein Gespräch, das sie einmal mit einer ägyptischen Mutter geführt hat, deren Tochter vergewaltigt worden war. Weinend hätte die Mutter erzählt, dass sie schon alles versucht hätten, es aber nicht gelungen sei, die Tochter mit dem Vergewaltiger zu verheiraten. Jetzt, glaubte die verzweifelte Mutter, sei der Mord an der Tochter der letzte Ausweg um die Ehre der Familie zu retten.

Wie, fragte Lindner, gehen wir Westler mit diesem so anderen moralischen Koordinatensystem um? Sagen wir: „Deine Werte sind falsch“ und betreiben damit demütigenden Kulturimperialismus? Oder denken wir: „Naja, so anders ist diese Kultur halt“ und machten uns eines Kulturrelativismus‘ schuldig?

Lindner machte klar, dass sie fest an einen dritten Weg glaube. Leider ließ sie offen, wie dieser aussehen könnte. Ich fragte mich: Ob sie in ihren Büchern wohl mehr dazu schreibt? Etwa in Making Enemies: Humiliation and International Conflict*? Angesichts der Dringlichkeit von Lösungen für genau diese Art von Problemen würde ich in ihre Bücher ja doch gerne mal reinlesen, um das rauszufinden.

Fazit

Es war wieder einmal ein wunderbares Symposium. Großes Lob an das Geschick der Organisatoren vom Turm der Sinne für die Auswahl so unterschiedlicher Blickwinkel und an die Redner für ihre vielfältig gedankenanregenden Vorträge. Besonders genieße ich übrigens ja auch die Pausengespräche mit einem wachsenden Kreis von „Symposiumsfreunden“, die die Veranstaltung auch fest im Kalender haben, und mit denen zu reden und zu lachen wieder so Freude machte.

Hier geht es zum Teil 1 und zum Teil 2 meiner Gedanken zum #symp2015.

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