Bitte? Welche Lobby fordert grad die Abschaffung wissenschaftlicher Beratung in der EU?

Dreimal darfst du raten, welche Lobbygruppe  letzte Woche die Abschaffung des wissenschaftlichen Beraters der EU gefordert hat, weil es ihnen nicht in den Kram passt, dass die EU-Kommission über den wissenschaftliche Konsens zu politisch wichtigen Themen informiert wird?

Hat das echt jemand gefordert?

Ja, wirklich!

Na, vielleicht die Erdöl- und Kohlefirmen. Schließlich ist sich die Mehrheit der Klimaforscher einig, das die Verbrennung von fossilen Brennstoffen eine der Hauptursachen für die Erderwärmung ist. Das passt der Industrie sicher nicht. Könnte mir vorstellen, dass sie es lieber hätten, wenn sich EU-Politiker nur von Klimaskeptikern beraten lässt – auch wenn sie eine Minderheit der Forscher sind.

Klingt plausibel. Aber nein, die waren’s nicht.


Dann vielleicht die Tabakindustrie? Dass Rauchen der Gesundheit auf vielfältige Weise schadet, zeigt die überwältigende Mehrheit aller Studien dazu . Die Firmen würden aber sicher wollen, dass die EU-Politik weniger von diesem Konsens hört und mehr von der verschwindenden Minderheit der Ärzte, die das Risiko für gering halten.

Logisch, das wäre in ihrem Interesse. Aber gefordert hat Big Tobacco das nicht. Nein. Das waren Andere.

Hmmh, … welche Branche könnte das sonst gewesen sein?

Keine Branche. Sind keine Unternehmen, die das gefordert haben.

Wie? Ach so, dann vielleicht die katholische Kirche? Weil ihnen die wissenschaftliche Erkenntnis nicht passt, dass Aufklärung und Verhütung der bessere Schutz ist gegen Teenagerschwangerschaften und Geschlechtskrankheiten, als ihre Forderung keusch zu bleiben bis in die Ehe?

Nee, sorry, die waren’s auch nicht. Warte, halt dich fest. Ich verrat’s dir. Es war Greenpeace.

Nee, das kann nicht sein!

Glaubst du nicht? Weil die doch zu den „Guten“ gehören? Naja, in dem Fall wollen sie lieber, dass die EU-Politik sich nur von Aktivisten beraten lässt und den Konsens in der Wissenschaft ignoriert. Es passt nicht zu ihrer Sicht der Welt, dass die Mehrheit der Wissenschaftler keinen Hinweis darauf findet, dass gentechnisch veränderte Pflanzen gefährlich sind.


Eine Satire? Keineswegs!

Greenpeace hat zusammen mit einigen anderen Umweltorganisationen letzte Woche einen offenen Brief an den neu gewählten Präsidenten der Europäischen Kommission Juncker geschrieben (engl.), der die Abschaffung des wissenschaftlichen Berater-Postens fordert. Und ihre Argumentation liest sich genau so, wie man es von allen Lobbys erwarten würde,  denen ein wissenschaftlicher Konsens nicht in den Kram passt.

Sie monieren, im Posten konzentriere sich „zu viel Einfluss in einer Person“ und dass die Amtsinhaberin in den Medien „einseitige, parteiliche Informationen über die Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen“ verbreitet habe. Sie ignoriere „die breite Diversität, die zu diesem Thema unter Wissenschaftlern zu dem Thema“ bestehe.

Würde die Kohle-Industrie, die Tabak-Firmen oder die katholische Kirche solche Sätze sagen, wem würden wir glauben? Dem wissenschaftlichen Konsens oder diesen Lobbys? Keine schwierige Entscheidung, finde ich.

Es ist auch für mich eine Überwindung, die Umwelt-Lobby mit diesen „bösen“ Lobbys in einen Topf zu werfen. Ist das nicht zu krass? Haben die nicht vielleicht bessere Gründe für diese Forderung als wir sie Firmen mit ihren ökonomischen Interessen unterstellen? Und auch bessere Gründe als eine Kirche, der es um die moralische Macht über ihre Schäfchen geht?

Ich fürchte nein.

So sehr ich schätze, was Umweltorganisationen für die Menschheit in den letzten Jahrzehnten geleistet haben, in Sachen Gentechnik argumentieren viele von ihnen – wie die katholische Kirche in ihren besten Zeiten –  rein moralistisch, schließen also von ihren Überzeugungen auf Tatsachen. Nach dem Motto: Weil wir das so unmoralisch finden, muss es auch gefährlich und schädlich sein.

Ich bin daher froh, dass Sense about Science – eine britische Organisation, die ich sehr schätze, gemeinsam mit anderen Wissenschaftsorganisationen einen eigenen offenen Brief an Jean-Claude Juncker geschrieben hat mit der dringenden Bitte, den Posten des wissenschaftlichen Beraters der EU zu erhalten.

Dieser Brief ist ein leidenschaftlicher Widerspruch zu dem Versuch der NGOs „die Integrität und Unabhängigkeit von wissenschaftlicher Beratung auf der höchsten Ebene der Europäischen Kommission zu unterminieren“. Sie betonen, dass die Amtsinhaberin Anne Glover über den wissenschaftlichen Konsens so „unparteilich und gründlich Auskunft gegeben hat, wie ihre Rolle das von ihr verlangt“

Sie erklären, dass Glovers Beratung zu genetisch veränderten Pflanzen nur auf den Aussagen der führenden Wissenschaftsorgane basieren könne. Und in den Worten eines aktuellen Berichts der Europäischen Kommission ist deren übereinstimmende Erkenntnis, „dass genetisch veränderte Pflanzen nicht riskanter sind als konventionelle Pflanzenzucht.“

Ich habe am Samstag diesen zweiten Brief an Juncker unterschrieben, weil es auch mein dringender Wunsch ist, dass der Posten erhalten bleibt. Es kann und darf nicht sein, dass eine Lobbygruppe die Stimme der Wissenschaft stumm schaltet, nur weil der wissenschaftliche Konsens nicht zu ihrer Weltanschauung passt.

Um Missverständnissen vorzubeugen, hier schon mal die Antwort auf mögliche Unterstellungen wegen dieser Unterstützung:

Hab ich diesen Brief unterschrieben, weil ich denke, dass jede Entscheidung sich allein am wissenschaftlichen Konsens orientieren sollte?

Nein, ich habe ja schon mal darüber geschrieben, dass es moralische Gründe  geben kann für eine Ablehnung von gentechnisch verändertem Essen. Und nein, der wissenschaftliche Konsens ist nie die einzige Grundlage für unsere persönlichen und politischen Entscheidungen. Jeder von uns lässt sich bei Entscheidungen auch von moralischen Werten leiten, genauso wie wir uns von von praktischen Erwägungen leiten lassen. Oft völlig unabhängig von der wissenschaftlichen Evidenz zu einem Thema.

Hab ich den Brief unterschrieben, weil ich meine, dass sich europäische Politiker über den Willen der Bevölkerungsmehrheit hinwegsetzen sollte?

Nein, ich bin absolut für Demokratie. Ich bin das auch dann, wenn mir die Mehrheitsmeinung nicht passt. Wenn die meisten Leute in Europa sich einig sind, dass sie keine Pflanzen essen wollen, die gentechnisch verändert sind, dann sollten sie die Möglichkeit haben, das zu vermeiden. Es sollte aber gleichzeitig klar sein, dass es keinerlei wissenschaftliche Begründung dafür gibt. Dass es sich um eine Rücksichtnahme auf die Gefühle einer Gruppe geht. Genauso wie wir es Leuten ermöglichen, aus religiösen Gründen auf Schweinefleisch zu verzichten.

Aber warum habe ich den Brief dann unterschrieben?

Weil ich jedes Jahr entsetzter bin über die Selbstverständlichkeit mit der Umwelt-Lobbyisten das Vertrauen der Bevölkerung in sie missbrauchen, um das Ansehen der Wissenschaft zu untergraben. Das macht mir ehrlich Sorgen.

Und dieser Vorstoß in der EU-Politik zeigt für mich das Ausmaß, in dem sich in Teilen der Umweltbewegung die Ideologie von der wissenschaftlichen Diskussion abgekoppelt hat. Ich sehe darin eine gefährliche Radikalisierung, die sich übrigens bei einer einflussreichen US-Webseite gerade in Todesdrohungen gegenüber Pflanzengentechnikern niederschlägt.

Dabei zeigt sich doch gerade darin, dass wissenschafliche Erkenntnis bei allen Lobbygruppen und allen politischen Richtungen mal für Unmut sorgt, dass sie wirklich unabhängig ist!

Wissenschaft widerspricht mal ökonomischen Interessen und mal moralischen Urteilen. Mal geht’s gegen linke Weltanschauung, mal gegen rechte. Mal gegen liberale, mal gegen grüne Überzeugungen. Weil manchmal einfach etwas davon, wofür man steht oder was man aus tiefster Überzeugung heraus glaubt, einfach nicht stimmt, wenn  mal jemand nachschaut, wie’s wirklich ist. Und Forscher sind schlicht dafür da, nachzuschauen, wie’s wirklich ist.

Wie wichtig der Job des Wissenschaftlichen Beraters der EU-Kommission ist, erklärte Amtsinhaberin und Molekularbiologie-Professorin Anne Glover im Mai diesen Jahres.  Aus ihren Schilderungen folgere ich, dass ihre Arbeit für viele lästig ist, die „Evidenz“ früher lieber passend zu ihrer jeweiligen politischen Einstellung oder ihrem Glaubensbekenntnis gesammelt haben.

Ich hoffe sehr, dass es genügend Leute in der inner- und außerparlamentarischen Umweltbewegung gibt, die sehen können, dass es normal ist, wenn die eigenen Überzeugungen mal von der Wissenschaft in Frage gestellt werden. Und dass es ein gefährlicher Pfad Richtung Extremismus ist, wenn man als Reaktion darauf die Unabhängigkeit der Wissenschaft in Frage stellt – statt seine Überzeugung zu überprüfen oder ehrlicherweise als rein moralisch zu deklarieren.

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13 Gedanken zu „Bitte? Welche Lobby fordert grad die Abschaffung wissenschaftlicher Beratung in der EU?“

  1. Green Peace ist auch nur ein Sauhaufen!
    Der ganze EU Dreck gehört abgeschafft und nicht nur dieser eine Posten! Das ganze Brüssel Komitee ist ein einziger Lobbyhaufen dem niemand mehr Herr wird. Was soll das alles überhaupt? Warum sagt unsere BUNDESKANZLERIN das man Macht abgeben sollte?!?!?!?! Das ist Hochverrat!
    Oder ein Teil um ans Ziel zu kommen eine EU Macht zu schaffen, ein US macht usw…und am Ende? Eine Weltmacht? Verschwörung??? Nein, Tatsache! Warum macht man es dann? Findet es der Demokratische Bürger gut das ein Gremium welches von keine Volk gewählt wurde über Gesetze bestimmt…oder sagen wir mal, bestimmen lässt? Warumhat sich Deutschland seiner Stimme enthalten? Sicherlich weil es nur um Geld geht und das Freihandelsabkommen der USA Tor und Türe öffnet Ihre achso unbedenklichen Warn hier zu verkaufen. Wie Genmanipulierte Artikel. Monsanto verkauft immer mehr Dünger weil Ihr Sscheiss Mais nicht so funktioniert wie er sollte…die Schädlinge werden schon resistent…Prima ;o) Hilft nur…noich mehr Dünger. Aber He, das ist gut so!!!!

    Vielleicht haben Sie ja recht Frau B. Alle Pflanzen sollten Genmanipuliert werden, mit Patenten versehen, jeder der illegal essen anbaut kommt ins Gefängnis wegen Patentverletzung, Dünger wird das Wasser der Zukunft, und vielleicht werden wir auch bald ressistent gegen…Läuse oder so. Hühnersuppe ist ja so Gesund….wegen der ganzen Antibiotika im Fleisch..aber ist gut gegen Grippe ;o) Und wenn man dann so weitermacht können wir alle Dritten Welt Länder regieren…..mist, das tun wir schon! Naja, dann können wir Sie noch mehr abhängig machen.

    Die Wahl?

    Die Wahl wird man nicht haben dies oder das zu essen weil es suche reicht deklariert werden muss. Oder wenn ja nur direkter Stoff da drin. Auf zweitem Wege wird es nicht mehr deklariert werden müssen. Pringles aus den USA werden mit Gentechnik hergestellt…genau wie Coca Cola, fast jedes Zuckerhaltige Getränk, jeder Süssspeise in den USA.

    Es gibt einfach keine Sinn das anzubauen.

    Die ganzen Deutsch Kontrollgreminen sind selbst Lobbyisten…eine Zeitlang haben Sie NULL ablehnungsquote gehabt, leider weiss ich nicht ob dies heute noch so ist. Der Chef der Zulassungsbehörde fährt auf Industriemessen und macht Werbung für Agrogentechnik??? Meinen Sie das ist alles ok und Normal und unbefangen?

    Studien die Deutschen Medien verwedent werden um aufzuzeigen das Gentechnik harmlos ist werden in anderen Ländern zerrissen!! Alles ist nur die halbe Wahrheit!

    1. Also ich bin für die EU. Heute sogar bewusster als früher.

      Dass über den Lobbyismus in Brüssel mehr geredet wird als auf Landes- oder Bundesebene, liegt, denke ich, auch gerade an NGOs wie Greenpeace, die sehr stark auf die Macht von Firmen-Lobbys aufmerksam machen und sie kritisieren. Was mir in der öffentlichen Wahrnehmung bisher aber fehlt, ist, dass auch die NGOs selbst Lobbygruppen sind und dass wir es genauso wie bei corporate lobbying in Frage stellen, wenn sie ein Thema dominieren und über die Stränge schlagen.

      Die gewählten Vertreter im EU-Parlament und die von den Ländern geschickte Kommissare treffen ja die Entscheidung. Aber um zu wissen, welche Auswirkungen welche Abstimmung haben könnte, hören sie sich an, was alle Interessensgruppen dazu zu sagen haben. Die Firmen sagen Ihnen, was es für die betroffenen Branchen bedeutet, die Gewerkschaften, was es für die Arbeitnehmer bedeutet, und Umwelt-Organisationen tragen vielleicht auch was bei.

      Um diese interessensgeleiteten Informationen von Firmen und Gesellschaftsgruppen allerdings richtig einordnen zu können, kann es für die Parlamentarier und Kommissare sehr nützlich und wichtig sein, noch unabhängige, wissenschaftliche Beratung zu haben. Finde ich jedenfalls. Das sollte in meinen Augen sogar ausgebaut werden.

      Ich finde es ganz bedenklich, wenn aus Lobbykreisen Forderungen kommen, diese unabhängige Beratung abzuschaffen. Denn Beratung über den wissenschaftlichen Konsens ist für mich eine Versicherung dafür, dass die Macht von Lobbyisten in Brüssel begrenzt ist. Und wenn eine Lobby diese Instanz angreift, dann ist das für mich ein Angriff auf das Gleichgewicht. Also ich wittere darin den Versuch, die eigenen Macht auf die gewählten Vertreter auszuweiten. Ein Versuch, lästige gegenteilige, weil unabhängige Infos gar nicht erst durchkommen zu lassen zu den Parlamentarier.

  2. Wer sagt das die Berater unabhängig sind?

    [gelöscht, weil nicht für Thema relevant]

    Sie finden das EU Konstrukt gut????? Warum???????? Erklären Sie mal bitte!

    [gelöscht wegen Ausweitung des Themas und Unterstellungen]

    [gelöscht wegen persönlicher Beleidigungen]

    1. Ich diskutiere gerne über die Sache selbst. Und wenn ich etwas, was in den Kommentaren erwähnt ist, nicht kenne, dann gucke ich mir das an. Wie die Gentech-Geschichte in dem Film. Aber ich bin nicht bereit eine beliebige Ausweitung des Themas mitzumachen. Banken, Finanzpolitik oder den EU-Rettungsschirm können Sie gerne diskutieren. Aber nicht hier. Auch um Kindererziehung geht es hier nicht. Wenn Sie sachlich was direkt zum Thema des Artikels beitragen wollen, gerne her damit. Alles andere werde ich nicht freischalten.

      Sie können mir gerne vorwerfen, naiv und überoptimistisch zu sein, was die Objektivität und Verlässlichkeit der Wissenschaft angeht oder die die Möglichkeiten der Politik. Das kann ich verstehen.

      Ich bin aber weniger blind idealistisch als sie denken.

      Ich glaube nicht, dass Wissenschaft perfekt ist, genauso wenig wie Demokratie. Beides ist von Menschen gemacht, die sich irren, die Kinder ihrer Zeit sind, die diversen Einflüssen unterliegen. Aber trotzdem ist Wissenschaft die beste Methode um an belastbares Wissen zu gelangen, und Demokratie die beste Regierungsform. Und deswegen sollten wir – wenn eins von beiden mal versagt – versuchen den Teil zu reparieren, der zum Versagen geführt hat, statt das Ganze zu verteufeln und wegzuschmeißen. Denn ohne Wissenschaft und ohne Demokratie wird das, was wir kritisieren definitiv ja auch nicht besser.

      Und wie gesagt bin ich NICHT für eine Diktatur der Wissenschaft, sondern NUR dafür, dass die Bürger und ihre gewählten Vertreter immer AUCH über den aktuellen Konsens der Wissenschaft zu einem Thema informiert sind.

      Wie ich immer wieder betone, gibt es auch Entscheidungsgründe, die aus anderen Sphären stammen. Es gibt viele Dinge, die wir gesellschaftlich ablehnen, ohne dass es wissenschaftliche Gründe dafür gibt, wie nackt rumzulaufen z.B. Und das ist auch vollkommen in Ordnung so.

      Mir ist nur wichtig, dass diese Unterscheidung gesehen wird. Dass allen bewusst ist, welche Dinge aus welchen Gründen abgelehnt werden. In meiner Beobachtung wird heutzutage zu oft versucht, Urteile, die eigentlich rein moralisch sind, auf eine scheinbar rationale Ebene zu zerren. Was ich irreführend und gefährlich finde, ist nur das Führen der Diskussion auf falschem Boden.

  3. Die Forderung nach Abschaffung des wissenschaftlichen Berater-Postens halte ich ganz nüchtern machtpolitisch für einen Fehler. Eleganter wäre es doch, durch entsprechende Schritte so eine Position unaufällig durch eine Person des eigenen Lagers zu besetzen und dann diesen Posten mit der entsprechenden Ausrichtung personell noch weiter auszubauen.

    Ansonsten geschieht nämlich genau das, was anlässlich eines solchen Briefes z.B. hier geschieht: Man liefert überflüssige Angriffsfläche und beschädigt möglicherweise sein Image. Taktisch unklug. Wobei mir die jeweiligen Positionen oder Intentionen der einzelnen Gruppen mittlerweile egal sind, weil sie durch die Bank auf bereits seit Jahrhunderten lücken- und fehlerhaften Prämissen aufbauen. Aus meiner Perspektive geht es bezüglich der Argumente weniger um ein „entweder-oder“ sondern zuerst um ein trockenes „weder-noch“, denn was allen gemeinsam ist, ist die fehlende bzw. fehlerhafte Expertise zu den organischen Wechselwirkungen zwischen Menschen und den durch sie veränderten Lebensräumen. Und wenn das besser verstanden wird, kann es auch leichter um ein „sowohl-als auch“ gehen.

    Ich finde, die menschliche Population sollte ruhig auch ausprobieren, welche Auswirkungen sich z.B. durch gentechnisch veränderte Pflanzen nach einigen menschlichen Generationen ergeben. Wir sind ohnehin schon mittendrin in vielfältigen nach heutigen Maßstäben degenerativen Prozessen, welche im Zuge der technologischen Veränderungen der letzten Jahrhunderte eine bunte Vielfalt an fehlinterpretierten physiologischen Defekten zur Folge haben. Über „rätselhafte Volkskrankheiten“ und dergleichen kann ich nur noch schmunzeln, denn aus dem Blickwinkel auf die gesamte menschliche Population und ihrer Historie sind diese „Krankheiten“ zwar individuell fürchterlich, aber kollektiv bestimmt eines Tages besser verstehbar.

    Diese Sichtweise liest sich vermutlich zynisch, birgt aber auch konstruktive Chancen: Konzentration auf Gemeinsamkeiten, Bündelung der Ressourcen zum Erhalt der Lebensfähigkeit usw. usw. … und wer auch immer es schafft, die noch vermeintlich unterschiedlichen Strömungen zu Themen menschlicher Entwicklung weiter zu vereinigen und dabei ein paar Wissenslücken zu füllen, wird neben den hoffentlich positiven Effekten für die Individuen über etwas verfügen, nach dem viele Menschen streben, bis sie glühen: Macht 🙂 … insofern erkannten und erkennen hellere und hoffentlich idealistischere Köpfchen als ich diese Möglichkeiten, um das zu erhalten, was uns im Kern antreibt: Leben.

    Ok, das war am konkreten Thema des Berater-Postens ziemlich vorbei, aber immerhin habe ich gerade gemerkt, dass ich doch nicht so ein Zyniker bin, wie ich dachte 🙂

    Viele Grüße

    Fabian

  4. Leider habe ich das Thema erst heute mitbekommen – sonst hätte ich ebenfalls unterschrieben.

    Bei NGOs muss man mittlerweile ebenso von einer Lobby reden wie bei der „normalen“ Industrie.
    In höchstem Maße lächerlich finde ich aber mittlerweile die fast an Fanatismus grenzende Herangehensweise. Diskussionen mit Anti-Gentechnik Gegnern sind meist schnell vorbei – in allen Fällen ist man mit andrer Meinung gleich von Monsanto und Co bezahlt. Ein schönes Beispiel ist z.b. das Testgelänge in Englang (der Ort fällt mir nicht ein), bei dem in einem staatlichen Langzeitprojekt die Auswirkungen gentechnischer Pflanzen untersucht werden. Was dann von Gentechnikgegnern mit einer Begründung a la „Alles böse Konzerne, wir kennen die Langzeitfolgen nicht, macht das Feld platt“ niedergemacht werden sollte. Glücklicherweise hat sich da sogar die Presse mal auf die Seite der dialogsuchenden Wissenschaftler gesetzt.

    Noch besser sind man es, wenn man verschiedene Arbeitsbereiche der NGOs anschaut:
    Bei Klimawandel etc . – da sind wissenschaftliche Studien und Arbeitsweisen Grundlage der Argumentation – bei der grünen Gentechnik werden sie einfach ignoriert – paßt ja nicht mit der eigenen Meinung zusammen.

    Es geht um eine Beraterposition – kein Entscheidungsträger. Das ist Sache der Politiker. Und diese Beratung sollte wissenschaftlich und unverfälscht sein. Die wissenschaftliche Stimme ist durch Lobbyismus und Stimmungsmache der NGOs eh schon viel zu wenig in der Öffentlichkeit wahrzunehmen.

    Ob nun ja oder nein – das soll der demokratische Prozess entscheiden – aber bitte NUR wenn Fakten offen und nicht verwässert ausgesprochen werden.

    1. Ja, so sehe ich das auch. Vielleicht hat das Argument der Gentechnik-Gegner (alle die „pro“ argumentierten seien von den bösen Konzernen bezahlt war) auch so lange „funktioniert“, weil sich wirklich alle Anderen aus der Debatte rausgehalten haben. Es stimmte eben lange: Wer öffentlich für Gentechnik Stellung bezog, hatte meist ökonomische Interessen oder war aus wirtschaftsfreundlichen Parteien, die mit ökonomischen Argumenten wedelten, oder war aus der angewandten Wissenschaft, die mit Industrie-Geldern forscht.

      Auch für mich hätte sich noch vor zehn Jahren ein öffentliches Eintreten für Gentechnik daher so angefühlt als würde ich Loyalität mit Monsanto und co demonstrieren. Einfach, weil sich die Debatte für mich auf diese Art präsentierte. Als eine Frage von Moral vs. Wirtschaft. Das ist für mich der große Fehler in der Geschichte dieser Frage. Die Wissenschaft und die, denen Wissenschaft am Herzen liegt, haben es nicht genug als ihren Kampf gesehen, der auch mit Argumenten unabhängig von den ökonomischen geführt werden muss. Und die, denen die Demokratie am Herzen liegt, haben nicht gemerkt, dass da eine neue Generation von Populisten heranwächst, die ebenso gefährlich werden kann wie Rechts- und Linkspopulisten.

  5. An allen Ecken sieht man leider, wie weit die Medien das ganze auch befeuern – zum Thema Juncker habe ich bei google gerade mal eine Handvoll Treffer meist kaum nennenswerter Medien gefunden.

    Meine Lieblingbeispiele sind da immer:
    Vor einiger Zeit gab es den EHEC Fall in Deutschland.
    Was war die Ursache? Richtig – Bio-Sprossen (das Wort Bio ist dabei allerdings in den Medien etwas zu kurz gekommen – ist ja gerad in Mode). Und was hat geholfen? Richtig – ein gentechnisch in Mäusezellkultur hergestelltes Ecalizumab, was noch nicht mal zugelassen war. Da war Gentechnik mitmal nicht so schlimm – auch wenn es in dem Fall ja keine Grüne ist.

    Und mein Paradebeispiel zum Thema „Das wußt ich garnicht“.
    Die Pamplemuse/Grapfruit.
    Kennt jeder, hat jeder schon gegessen. Jahrelang, Jahrzehnte – alle leben sie noch.
    Ich kann diesen Artikel dazu empfehlen:
    https://blog.psiram.com/2013/09/heute-im-bio-markt-1-ruby-my-dear/

    Versuchen wir ein wenig Aufklärung zu betreiben – man kann ja drüber reden – jedenfalls mit manchen.

  6. Was Greenpeace und andere NGO´s fordern, ist die Abschaffung des Chef-Berater-Postens. Die Tatsache, dass du das Wort „Chef“ in deinem Text durchgängig unterschlagen hast, ist tendenziös. Damit suggerierst du, dass in dem Brief die Abschaffung der wissenschaftlichen Beratung generell gefordert wird. Das ist falsch. Gefordert wird, die Beratung auf mehrere Wissenschaftler zu verteilen. Ich kann kaum glauben, dass dir diese Diskrepanz zwischen dem Wortlaut des Briefes und deiner Darstellung nicht aufgefallen ist.

    1. Ich kann die Kritik verstehen, dass ich besser hätte erklären können, um welche Funktion es geht. Also, dass es um die Beraterin des Kommissionspräsidenten geht, um dem Posten des Chief Scientific Advisor (CSA). Man kann bemängeln, dass ich das nicht deutlicher gemacht hab.

      Ich habe mir daher heute meinen Text noch mal vorgenommen und durchgelesen. In Gedanken habe ich meine Formulierung durch deine der Chef-Beratung ersetzt. Ich fand aber ehrlich gesagt nicht, dass sich dadurch an meiner Aussage irgendwas ändern würde. Deswegen sehe ich jetzt keinen Änderungsbedarf.

      Aus meiner Sicht sieht es so aus: Die NGOs unterstellen der Amtsinhaberin Anne Glover, parteilich zu sein. Und weil sie meinen, es sei wahrscheinlich, dass ein Nachfolger das auch wär, fordern sie gleich die Abschaffung des Postens selbst. Das einzige Beispiel, das sie bringen, ist aber zur Grünen Gentechnik, in der Anne Glover öffentlich die wissenschaftliche Evidenz vertreten hat (und es ist davon auszugehen, dass sie das in ihrer Beratung genauso gemacht hat). Und Greenpeace ist in diesem Gebiet aus ideologischen Gründen anderer Meinung. Damit haben diese NGOs eine dicke, fette Grenze überschritten – und das nicht nur aus meiner Sicht. Wenn man aus moralischen, politischen, ideologischen Gründen gegen etwas ist, dann folgt die Wissenschaft nicht automatisch dem eigenen Urteil. So funktioniert das nicht.

      Das ist wirklich so als würde die katholische Kirche die Abschaffung von Anne Glovers Posten fordern, weil sie – hypothetischens Szenario – den wissenschaftlichen Konsens vertreten hätte, dass Kondome Jugendliche besser gegen Geschlechtskrankheiten und ungewollte Schwangerschaften schützen als Keuschheitsgebote. Stell dir vor, die Evidenz sei da ganz eindeutig, aber die katholische Kirche würde sagen: Nehein, da stimmt was nicht. Das kann nicht sein. Der Chefberaterin trauen wir nicht. Wahrscheinlich ist auch sie – so wie viele Wissenschaftler – irgendwie von der Kondom-Industrie abhängig oder beeinflusst.

      Bei einer solchen Behauptung würden wir doch den Kopf schütteln, oder? Weil der Fehler klar ist: Die Erwartung, Wissenschaft sei nur korrekt, wenn sie die Vorurteile deiner Ideologie bestätigt.

      Was bei diesen NGOs meiner Meinung nach fundamental falsch läuft im Denken kommt vielleicht in meinem Nachfolge-Artikel zu diesem besser raus: Von Ideologie korrumpiert – wenn Naturschutz und Transparenz die falschen Anwälte haben. In dem Text beziehe ich mich auf eine Erklärung, die eine der NGOs der Abschaffungsforderung, die Organisation Corporate Europe Advisory (CEO) als Antwort auf den Gegenwind veröffentlichte, der ihnen entgegenschlug. Dort habe ich noch mehr herauszuarbeiten versucht, warum dieser Schritt und auch die rechtfertigende Argumentation als anti-wissenschaftlich gelten muss.

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