Warum ist Fischfleisch so anders?

Teller mit Fischfrikadelle, Salzkartoffeln und GurkensalatGestern Abend gab’s Fischfrikadellen bei uns (wieder mal stark inspiriert durch ein Chefkoch-Rezept, wie inzwischen fast alles, was ich neu ausprobiere). Das Tolle an Fischfrikadellen ist nämlich, dass die Kinder ohne Klage mitessen. Das kommt bei Fisch sonst nicht vor, außer er liegt in handelsüblicher Stäbchenform auf ihrem Teller…

Es war sehr lecker, auch wenn wir diesmal weder Kabeljau noch Seelachs bekommen hatten. Die Fischtheke bei Real hatte wegen des Feiertags keinen frischen Fisch, die Kühltheken waren auch ausgeräubert. Es blieb noch der Victoriasee-Barsch, der eigentlich der früher im Victoriasee ausgewilderte Nilbarsch ist (Wikipedia). Der schmeckte gut. Unser Nachbar, der mit seiner Frau später zum Kartenspielen kam, merkte aber an: „Was? Den soll man ja gaaar nicht kaufen…“. Hintergrund: Der Fisch steht auf der Greenpeace-Liste im roten Teil. Warum, erklärt Greenpeace u.a. hier. Der informierte Konsument greift stattdessen zu Seelachs.

Bei der Zubereitung dieses politisch höchst unkorrekten Fisches beschäftigte mich aber etwas ganz Anderes. Ich fragte mich mal wieder: Warum ist Fischfleisch eigentlich so anders als „normales“ Fleisch? Da war doch was mit hellen und dunklen Muskelfasern, die für kurz & schnell vs. lang & ausdauernd zuständig sind. Dunkel erinnerte ich mich an eine quer geschnittene Schwanzflosse in meinem Grundstudium. Detaillierter als diese vagen Erinnerungen weiß es natürlich Harold McGee, dessen Buch „On Food and Cooking“ ich ja schon mal gelobt habe.

Das Fischfleisch ist so anders, weil die „Hausregeln des Wassers“ so anders sind. Fische schweben und müssen sich mit Schwerkraft nicht rumschlagen. Sie brauchen kein schweres Skelett mit festen Sehnen wie wir Landlebewesen. Das Problem, an das sie sich stattdessen anpassen mussten, hieß: wie fliehe ich vor Fressfeinden in einem Medium, dessen Widerstand exponentiell größer wird, je schneller ich mich bewege?

Das helle Muskelfleisch des Fischfilets aus der TK-Packung gestern ist die evolutionäre Antwort des Fisches auf dieses Problem: ein Riesen-Notfall-Paket an weißen Muskelzellen. Die Energie für die Kraftausbrüche dieser Typ-II-Fasern liefert der anaerobe Teil des Metabolismus. Sie brauchen dafür also keinen Sauerstoff und enthalten somit auch viel weniger des roten Sauerstoff-Speichermoleküls Myoglobin.

Die normale Fortbewegung der Fische, sprich das langsame Gleiten durch’s Wasser,  erfordert dagegen sehr wenig Kraft. Dafür reicht ihnen nämlich die hauchdünne, dunkle Muskelschicht direkt unter der Haut, die bei Filets gar nicht mehr dran ist. Naja, außer, wenn das Filetieren nicht so gut geklappt hat…

Und das Geheimnis des Fischfilets ist nur eine der vielen spannenden Anpassungen des Fischkörpers an seinen Lebensraum. Mehr dazu bei Harold McGee oder demnächst in diesem Kino (wenn’s mal wieder Fisch gab…).

Harold McGee
On Food and Cooking
Scribner, Überarb. Auflage (16. November 2004)
ISBN: 978-0684800011
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