Fragile Fibulae

Nein, Hühner-Wadenbeine eignen sich nicht zum Nähen, Geierknochen dafür aber umso mehr für ’s Flöten…

Heute Mittag gab’s mal wieder knusprige Hähnchenschenkel aus dem Ofen mit leckeren Kartoffelvierteln. Und so kann ich endlich die passenden Fotos liefern zum Rätsel über den nadelförmigen Knochen bzw. zur Rätsel-Auflösung.

Das kleine, spitze Wadenbein, auch Fibula genannt, kommt zum Vorschein, wenn das Fleisch abgenagt ist. Normalerweise liegt sie ganz dicht am größeren Unterschenkelknochen, dem Tibiotarsus. Hier im Bild hab sie aber so präpariert, dass sie etwas absteht, weil es dann besser zu sehen ist.

Als ich klein war, wurde in meiner Familie erzählt, dass dieser Knochen nicht nur Fibula heißt (lateinisch für Nadel, Spange), sondern auch tatsächlich zum Nähen benutzt wurde – damals in der Frühzeit, bevor die Menschheit anfing dafür Metalle zu verwenden. Aber stimmt das eigentlich?

Im Internet fand ich so gar nichts dazu, entdeckte aber, dass die Erforschung  von Tierknochen in archäologischen Fundstätten eine ganz eigene Forschungsrichtung ist: die Archäozoologie. Knochenarbeit.de ist eine umfangreiche Infoseite, betrieben von Christian Küchelmann, einem Archäozoologen aus Bremen und genau der richtige Ansprechpartner für meine Frage zum Nadel-Gebrauch, finde ich.

Ups, ganz schön zerbrechlich, diese Fibula!

Küchelmann bestätigte meine Vermutung, dass es sich wohl um eine Fehlinformation handelte. Ihm seien keine Belege für die Verwendung der Fibula von Hühnern bekannt. „Die Fibula von Hühnern erscheint mir subjektiv für diesen Zweck auch etwas zu fragil. Sie würde höchstens für Arbeiten mit wenig mechanischer Beanspruchung taugen.“

Welche Knochen aber häufig als Nadeln verwendet wurden, sind die Fibulae von Schweinen und die Griffelbeine von Pferden. „Diese Knochen haben ebenso wie die Fibulae von Vögeln eine Form, die mit relativ wenig Bearbeitungsaufwand eine Zurichtung zu einer Nadel oder Ahle erlaubt, sind aber deutlich stabiler,“ erklärt der Archäozoologe.

Vogelknochen wurden auch gerne verarbeitetet, aber eher zu anderen Dingen. In einer wissenschaftlichen Detektivarbeit hatte es Küchelmann in jüngster Zeit etwa mit einer mittelalterliche Flöte aus Vogelknochen zu tun (Literaturverweis in der Datenbank von Knochenarbeit.de). In einer Burg im niedersächsischen Vechta würde man Knochenflöten aus Gans oder Schwan erwarten. Wie sich nach einigen Bestimmungsschwierigkeiten aber rausstellte, stammte der Knochen von einem Gänsegeier. Definitiv kein Bewohner der norddeutschen Tiefebene – auch damals nicht. Wie der Flügelknochen eines riesigen Gebirgsvogels wohl seinen Weg ganz bis ins tiefste Flachland fand? Spannend!

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