Ist es mein Fehler, wenn meine Bakterien resistent werden?

Nehmen wir mal an, ich nähme ein Antibiotikum und hätte mal eine Tablette vergessen (was mir natürlich nieee passieren würde, aber nur mal angenommen). Werden die Krankheitserreger auf meiner Schleimhaut dann automatisch resistent gegen das Antibiotikum?

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage, bin ich auf das Konzept vom Mutanten-Selektionsfenster gestoßen (mutant selection window), ausgetüftelt von Karl Drlicas Arbeitsgruppe am Public Health Research Institute Center in New Jersey. Danach hängt es von der Menge des Medikaments in meinem Körper ab, ob ich für meinen Fehler bestraft werde.

In Drlicas wissenschaftlichen Artikeln steht nichts direkt drin über Einnahmefehler von Antibiotika, aber ich wenn ich das Konzept richtig verstanden hab, ergibt sich folgendes mögliches Szenario: Durch meine Vergesslichkeit fällt die Konzentration des Antibiotikums auf einen Wert, bei dem zwar die normal empfindlichen Bakterien noch hops gehen, ein paar mutierte, teil-resistente Bakterien des Stamms aber überleben und sich weiter vermehren.

Das Mutanten-Selektionsfenster ist also der Konzentrationsbereich, in dem sich die Mutanten auf Kosten der Normalen vermehren. Und je mehr teil-resistente Mutanten es gibt, die fleißig weiter mutieren, desto eher macht eine weitere zufällige Mutation die teilweise Resistenten zu vollständig Resistenten.

Nicht jede vergessene Tablette bringt deshalb gleich resistente Bakterien hervor. Doch wenn man sich extra resistente Bakterien züchten wollen würden, beschreibt das Konzept vom Mutanten-Selektionsfenster wohl die optimalen Bedingungen für die Selektion. Bleibt man mit seinem Antibiotikum in diesem Konzentrationsbereich, macht man das Auftauchen resistenter Bakterien viel wahrscheinlicher als sonst.

Heißt das umgekehrt, dass keine Resistenz entsteht, wenn alle alles richtig machen? Nein, leider nicht. Antibiotika-Resistenz lässt sich auch mit dem strengstem Einnahmeplan und den diszipliniertesten Patienten nicht ganz verhindern. Wie im lesenswerten Bericht zum Resistenzproblem betont, den die Amerikanische Gesellschaft für Mikrobiologie 2008 herausgab, ist Resistenz eine unabwendbare Begleiterscheinung unserer Antibiotika. Je mehr Antibiotika genommen werden, desto mehr resistente Krankheitserreger treten auf.

Unsere Disziplin bei der Einnahme, die zurückhaltende Verschreibung durch die Ärzte, die optimale Dosis-Berechnung der produzierenden Pharmafirmen, kann die Entstehung von Resistenz und ihre Verbreitung niemals aufhalten. Aber zumindest verlangsamen sie die Entwicklung. Die Anstrengungen sind den Aufwand wert, weil alles, was wir brauchen um den Erregern potenziell tödlicher Krankheiten einen Schritt voraus zu sein, ist Zeit – für Forschung und Zulassung neuer Antibiotika, die unsere durch Resistenz stumpf gewordenen Waffen ersetzen können.

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